Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. BILATERALE BEZIEHUNGEN
19. Polen
19.1. Handelsbeziehungen und Stabilisierungsanleihe
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 322
volume linkBern 1980
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#12265* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 20.07.-25.07.1927 (1927–1927) |
dodis.ch/45339
Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 25. Juli 19271
1184. Einfuhr in Polen. Kontingente
Bis Mitte des Jahres 1925 hatte Polen die Einfuhr nur für wenige Waren verboten. Auf der Verbotsliste figurierten: Pasteten; Bonbons; Konfitüren; Obstgelée; Pulver und Pastillen mit Zucker; Früchte in Likören, Arrak, Cognac; Schokolade und Kakao mit Zucker; Marmeladen aus Früchten und Beeren; Fruchtsäfte mit Beimischung von Alkohol; alkoholische Getränke; feine Käse in DetailverPackungen; Austern, Krebse u.dgl.; künstliche Süssstoffe; kosmetische Mittel und Parfums.
Durch Verordnungen vom 17. Juni und 11. Juli 1925 ist die Liste der für die Einfuhr verbotenen Waren bedeutend erweitert worden. Die neuen Einfuhrverbote wurden jedoch infolge des Zollkrieges mit Deutschland vorläufig nur auf deutsche Waren angewendet. Seit dem 14. August gl. Js. (Verordnung vom 7. August) konnten jedoch diese Waren nur noch mit besonderer Bewilligung in Polen eingeführt werden, auch wenn sie aus ändern Ländern als Deutschland stammten und versandt wurden. Eine letzte Ausdehnung der Einfuhrverbote wurde durch Verordnung vom 23. September 1925 vorgenommen, sodass nun alle wichtigeren schweizerischen Exportartikel vom Verbot betroffen wurden.
Um die Einfuhr zu regeln, wurden für jedes Land Einfuhrkontingente auf Grund des Imports im Jahre 1924 und im 1. Halbjahr 1925 festgesetzt. Der Schweiz wurden für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 1925 autonom folgende Kontingente gewährt (in q): Kakao in Pulver 240 (mit ändern Ländern); Halbfabrikate und Erzeugnisse aus Gummi 70; Erzeugnisse aus Kupfer und Kupferlegierungen 280; Nickel 110; Erzeugnisse aus Draht 20; Transmissionen 20; Uhrmachererzeugnisse 20; Baumwollgewebe, roh und gebleicht 40; Baumwollgewebe, mercerisiert 10; Wachsleinwand, Wachstuch 10; Seidengewebe 200 und Spitzen und Stickereien 10. Für alle ändern Waren mussten die Importeure für jede einzelne Sendung Einfuhrbewilligungen nachsuchen, doch wurde deren wohlwollende Behandlung zugesichert. Als Grundlage für die Festsetzung der Kontingente diente die polnische Statistik pro 1924, die jedoch aussergewöhnlich stark von der schweizerischen abweicht und zwar mit Bezug auf die Kontingentsfrage zu Ungunsten der Schweiz. Die nachfolgenden Ziffern verstehen sich in Schweizerfranken und Zloty; im Jahre 1924 stund der Zloty al pari:
[...]2
Für das Jahr 1926 wurden an Stelle der Warenkontingente für bestimmte Länder allgemeine Kontingente, d. h. die Höchstmenge der Waren bestimmter Kategorien festgesetzt, welche überhaupt nach Polen eingeführt werden konnten. Als Grundlage diente die Einfuhr pro 1924 nach der polnischen Handelsstatistik. Die Kontingente wurden nie veröffentlicht und konnten auch nicht in Erfahrung gebracht werden. Der schweizer. Gesandtschaft in Warschau wurde immerhin Ende März 1926 vom Ministerium des Äussern eine Liste derjenigen Waren zur Kenntnis gebracht, für welche überhaupt keine Kontingente festgesetzt worden seien und auch keine Einfuhrbewilligungen erteilt wurden; darunter figurierten einzig gewisse Baumwollgewebe, Seidenwaren und Vorhangstoffe, welche für die Schweiz in Betracht fielen.
Verschiedenen Ländern sind im Laufe des Jahres 1926 Spezialkontingente gewährt worden, die sich auf Kompensationen stützten. Die mehrmaligen Forderungen der Schweiz um Zuteilung von Kontingenten sind dagegen stets mit der Begründung abgewiesen worden, dass Kontingente nur an Länder erteilt würden, für welche die polnische Handelsbilanz aktiv sei. Ausserdem wollte Polen der Schweiz für gewisse Waren nur unter der Bedingung Einfuhrkontingente bewilligen, dass sich unser Land verpflichte, polnische Erzeugnisse in gewissem Umfange abzunehmen, wobei sich die Austauschsummen zum mindesten ausgleichen müssten. Ganz abgesehen davon, dass die Schweiz ihre Einfuhrverbote aufgehoben hat, lehnte sie grundsätzlich das Kompensationssystem ab. Zudem hatte Polen, im Gegensatz zu seinen Behauptungen, u.a. auch Frankreich und Italien Kontingente gewährt, trotzdem seine Handelsbilanz im Jahre 1926 nach der polnischen Statistik mit diesen Ländern passiv war. Der polnischen Regierung ist zu verschiedenen Malen amtlich mitgeteilt worden, dass die Schweiz die Verweigerung von Kontingenten als im Widerspruch mit der schweizerisch-polnischen Handelsübereinkunft vom 27. Juni 19223 stehend betrachte. Der genannte Vertrag setzt die Schweiz in den Genuss der uneingeschränkten Meistbegünstigung, im Gegensatz zum Reziprozitäts-System. Wenn daher ändern Ländern Kontingente gewährt wurden, so hätten sie im gleichen Umfange auch der Schweiz zugestanden werden sollen und zwar ohne Kompensation.
Da sich die Lage auch anfangs dieses Jahres nicht geändert hatte, benützte Herr Direktor Stucki Ende Februar anlässlich seines Aufenthalts in Rom die Gelegenheit, die Kontingentsfrage mit Herrn Vize-Minister Dolezal, der als Delegierter Polens an den Verhandlungen des Wirtschaftskomitees des Völkerbundes teünahm, zu besprechen. Dabei wurde in aller Form gegen das polnische Verhalten Verwahrung eingelegt und für den Fall einer weitern Weigerung, der Schweiz angemessene Kontingente zu erteilen, gedroht, die ganze Sache einem Schiedsgericht zu unterbreiten.
Unterm 13. April abhin wurde die schweizerische Gesandtschaft in Warschau neuerdings beauftragt, Einfuhrkontingente zu verlangen. Als Grundlage der übergebenen Kontingentsliste diente die schweizer. Handelsstatistik pro 1924.
Die letzten Verhandlungen in dieser Angelegenheit, welche in Paris zwischen Hm. Direktor Stucki und Hm. Minister von Segesser schweizerischerseits und Herrn Ministerialrat Sygietinsky polnischerseits geführt wurden, ergaben als Resultat das vorliegende Abkommen, welches am 5. Juli. unterzeichnet worden ist4
. Es ist nicht zu bestreiten, dass die zugestandenen Einfuhrkontingente recht bescheiden sind. Sie entsprechen immerhin der Einfuhr im Jahre 1924, als in Polen nur für die eingangs erwähnten Waren ein Einfuhrverbot bestund, und da auch die ändern Ländern gewährten Spezialkontingente soweit bekannt auf dieser Grundlage beruhen, ist nunmehr dem schweizerischen Standpunkt mit Bezug auf die Meistbegünstigung Rechnung getragen worden. Das Abkommen unterliegt der Ratifikation durch die beiden Regierungen und soll auf 1. Oktober 1927 in Kraft treten5.
Der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements fügt diesem Bericht mündlich bei, das Abkommen sollte zwar genehmigt werden, wobei aber der Vorbehalt zu machen wäre, dass das Departement ermächtigt sei, auf das Abkommen zurückzukommen und seine Abänderung zu verlangen, sobald anderen Ländern weitere oder grössere Einfuhrkontingente eingeräumt würden.
Demgemäss wird beschlossen:
Das am 5. Juli 1927 von schweizerischen und polnischen Vertretern Unterzeichnete Abkommen über die der Schweiz von Polen gewährten Einfuhrkontingente wird in dem Sinne genehmigt, dass das Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt ist, sich vorzubehalten, auf das Abkommen zurückzukommen und seine Abänderung zu verlangen, sobald Polen ändern Ländern weitere oder grössere Einfuhrkontingente einräumen würde.
- 2
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/45339. Pour le tableau, cf. dodis.ch/45339. For the table, cf. dodis.ch/45339. Per la tabella, cf. dodis.ch/45339.↩
- 3
- Die Übereinkunft wurde am 26.6.1922 abgeschlossen. Text in: AS 1922, NF 38. S.482ff.↩
- 4
- Original des Protokolls in: K I, Nr. 11173.↩
- 5
- Vgl. dazu Nr. 335 und Nr. 342.↩