Language: German
1.9.1925 (Tuesday)
Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 1.9.1925
Secret minutes of the Federal Council (PVCF-S)
Der Bundesrat beschliesst eine vorsorgliche Kündigung des Abkommens vom 17.11.1924 als einzige Abwehrwaffe, die ihm gegenwärtig zur Verfügung steht. Angesichts der deutschen Zollnovelle sind Verhandlungen über die Regelung der deutsch-schweizerischen Handelsbeziehungen einzuleiten.

Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. BILATERALE BEZIEHUNGEN
6. Deutschland
6.1. Handelsvertrag und Abkommen über Einfuhrbeschränkungen
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Printed in

Walter Hofer, Beatrix Mesmer (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 88

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Bern 1980

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Cover of DDS, 9

Repository

dodis.ch/45105
Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 1. September 19251

Einfuhrbeschränkungen. Abkommen mit Deutschland

Mündlich

Auf Grund der ihm vom Bundesrate am 17. Juli 1925 erteilten Ermächtigung hat das Volkswirtschaftsdepartement die deutsche Gesandtschaft davon verständigt, dass die Schweiz der Aufrechterhaltung einiger der deutschen Einfuhrbeschränkungen, die laut dem Abkommen mit Deutschland am 30. September dahinfallen sollten, über diesen Zeitpunkt hinaus zustimme, gleichzeitig hat es diejenigen Einfuhrbeschränkungen namhaft gemacht, die die Schweiz in Ausübung des Gegenrechts dannzumal noch aufrecht erhalten wolle2. Deutschland hat nun aber die schweizerischen Vorschläge nicht angenommen und verlangt, dass über den Fortbestand gewisser Einfuhrbeschränkungen verhandelt werde. Diese Verhandlungen werden demnächst aufgenommen.

Inzwischen ist nun in Deutschland die Zolltarifnovelle angenommen worden. Die darin enthaltenen Ansätze für die Getreideeinfuhr und für einen Teil der Vieheinfuhr treten in diesen Tagen, die übrigen neuen Zollansätze treten am 1. Oktober in Kraft. Die neuen Ansätze sind zum grossen Teil so hoch, dass sie die Ausfuhr nach Deutschland unmöglich machen, und Deutschland hat denn auch nicht verhehlt, dass diese Zollansätze teilweise die Einfuhrbeschränkungen ersetzen sollen. Nun ist im Abkommen mit Deutschland den Parteien das Recht eingeräumt, das Abkommen auf einen Monat zu kündigen, wenn die Gegenpartei ihre Zölle so erhöht, dass sie die Ausfuhr hindern. Da nicht vorauszusehen ist, dass die Verhandlungen über die Einfuhrbeschränkungen im Laufe der nächsten Woche zu einer Einigung führen werden, so darf die Schweiz die einzige Abwehrwaffe, die ihr gegenwärtig zur Verfügung steht, die Kündigung des Abkommens, nicht unbenützt lassen. Die Kündigung wäre aber nur vorsorglich auszusprechen, sie würde nicht bekanntgegeben, und das Volkswirtschaftsdepartement würde darum ersuchen, dass auch Deutschland die Kündigung nicht veröffentliche.

Mit Deutschland werden aber angesichts seiner Zollnovelle überhaupt Verhandlungen über die Regelung der Handelsbeziehungen einzuleiten sein und diese Verhandlungen werden sich schwierig gestalten und lange Zeit in Anspruch nehmen. Besonders hart sind die Ansätze der deutschen Zollnovelle für die Wirkwaren, die Uhren und den Käse. Es wäre dringend zu wünschen, dass es gelänge, mit Deutschland wenigstens für die Behandlung dieser Warengattungen zu einer vorläufigen Einigung auf ertragbare Zollansätze zu gelangen. Das Volkswirtschaftsdepartement wird die Verhandlungen über die Einfuhrbeschränkungen dazu benutzen, um wenn immer möglich eine solche Einigung herbeizuführen.

Der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements ersucht den Bundesrat um die Ermächtigung, heute der deutschen Gesandtschaft die Kündigung des Übereinkommens über die Einfuhrbeschränkungen im Sinne der obigen Ausführungen auf 1. Oktober. nächsthin anzuzeigen3.

Der Rat erteilt dem Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements die erbetene Ermächtigung.

1
E 1005 2/3. Abwesend: Musy und Motta.
2
Vgl. Nr. 69.
3
Vgl. Nr. 9l.