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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 8, doc. 207
volume linkBern 1988
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#11764* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 11.07.-11.07.1922 (1922–1922) |
dodis.ch/44849
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 11 juillet 19221
1875. Konferenz im Haag. Kreditgewährung an Russland
Procès-verbal de la séance du 11 juillet 19221
Der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes führt aus, bekanntlich bilde für die Russen an der Konferenz im Haag die Kreditgewährung an Russland die Hauptfrage. Minister Dinichert weist nun in seinem neuesten Bericht2, den der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes vorliest, darauf hin, dass es angezeigt wäre, der Abordnung im Haag über diese Frage noch Instruktionen zukommen zu lassen, damit sie in der Lage wäre, in der Versammlung der nicht russischen Delegierten, die sich in nächster Zeit mit dieser Frage eingehender als bisher wird befassen müssen, eine Erklärung über die Stellungnahme der schweizerischen Regierung abzugeben. Namentlich der Vorsteher der italienischen Delegation habe darauf hingewiesen, es wäre dringend wünschbar, die Haltung der Regierungen in dieser Frage zu kennen, um den Russen hierüber eine Formel vorlegen zu können, die ihnen die Möglichkeit benähme, die Verhandlungen mit der Begründung abzubrechen, sie seien an der Haltung der Westmächte in der Kreditfrage gescheitert. Minister Dinichert ist der Auffassung, die Gewährung eines Darleihens von staatswegen an die Sovietregierung komme nicht in Betracht; dagegen frägt er an, ob er erklären könne, der Bundesrat wäre bereit, mit den beteiligten Kreisen die Frage der Lieferung von Waren auf Kredit an Sovietrussland unter bestimmten Bedingungen und gegen bestimmte Sicherheiten zu prüfen, sobald ein Begehren vorliege, woraus die Art und Menge der zu liefernden Waren ersichtlich wäre. Auch wünscht Minister Dinichert zu wissen, ob er eine Erklärung über die Teilnahme der Schweiz an dem in Genua besprochenen Consortium financier international abgeben könne.
Der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes verweist darauf, dass die Russen Kredite von 3,24 Milliarden Goldrubel, also ungefähr 10 Milliarden Goldfranken, verlangen. Eine Kreditgewährung von Staat zu Staat sei ausgeschlossen, und ebenso aussichtslos sei die Auflage eines russischen Staatsanleihens im Ausland. Auch die private Kreditgewährung an einzelne Russlandschweizer, die zurückkehren wollen, oder an irgendwelche Personenverbindungen, die zum Zweck der Ausbeutung von Betrieben in Russland auf Grund von Konzessionen gegründet werden, dürfte kaum nennenswerte Ergebnisse zeitigen. Die von Dinichert ins Auge gefasste Lösung, wonach der Bund allenfalls Waren (in Betracht fallen in erster Linie landwirtschaftliche und andere Maschinen und vielleicht gewisse Erzeugnisse der chemischen Industrie) ankaufen und Russland auf Kredit abgeben sollte, wäre zu teuer und würde wohl, wie übrigens jede unmittelbare Hülfeleistung an die Sovietregierung, daran scheitern, dass die Russen keine genügenden Sicherheiten leisten können. Unter diesen Umständen glaubt der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes, in seiner Auffassung bestärkt durch eine telephonische Unterhaltung mit Herrn L. Dubois, die Kreditgewährung an Russland sei einzig möglich durch Vermittlung des zu schaffenden internationalen Kreditkonsortiums. Dass England, Deutschland und Italien bei dieser Gründung mitzuwirken geneigt seien, könne kaum bezweifelt werden, und Frankreich werde sich voraussichtlich anschliessen. In Schweden und Belgien scheint die Angelegenheit zu ruhen; in der Schweiz wird die Schaffung der schweizerischen Sektion dieses Konsortiums zur Zeit studiert, aber die Begeisterung ist offenbar nicht gross. Trotz alledem scheint dies zur Zeit der einzig mögliche Weg, um etwas für die Unterstützung und den Wiederaufbau der Volkswirtschaft der europäischen Ostländer und auch Russlands zu tun.
Der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes stellt daher den Antrag:
Es sei Herr Minister Dinichert zu ermächtigen, in der Versammlung der nicht russischen Abordnungen im Haag zu erklären, die Kreditgewährung an Russland scheine zur Zeit einzig durch Vermittlung des Consortium financier international möglich, das ja auch Warenkredite einräumen könnte; die Frage der Mitwirkung der Schweiz bei der Gründung dieses Konsortiums werde geprüft, und wenn sich die nötige Beteiligung des schweizer. Kapitals finde und andere Länder ebenfalls mittun, so werde die Schweiz voraussichtlich mit ihrer Mitwirkung zu dieser internationalen Kreditaktion nicht zurückstehen.
Der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes fügt bei, die Lage erscheine ihm kritisch. Wenn nicht in absehbarer Zeit, trotz des offensichtlichen Unvermögens Russlands, je wieder seinen frühem Verpflichtungen nachzukommen oder genügende Garantien für die Zukunft zu geben, etwas geschehe zu seinem Wiederaufbau, so bestehe die Gefahr, dass Russland sich auf Polen, das sich kaum über Wasser zu halten vermag, und auf das ebenfalls geschwächte Rumänien stürze, woraus in Verbindung mit der fortgesetzt sich verschlechternden Lage Deutschlands eine Katastrophe entstehen könnte, deren erschütternder Wirkung auch andere Länder nicht zu widerstehen vermöchten.
Auf Grund der Beratung wird der Antrag des Vorstehers des Volkswirtschaftsdepartementes zum Beschlüsse erhoben.
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