Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATIONS BILATERALES ET LA VIE DES ETATS
II.4. Autriche
II.4.2. La question du Vorarlberg
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 8, doc. 22
volume linkBern 1988
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2001B#1000/1503#176* | |
Dossier title | Vorarlberg. Anschlussbestrebungen. Akten von 501-788; Inhalt auf den Aktenumschlägen. (1919–1922) | |
File reference archive | B.14.211.P.21.2 |
dodis.ch/44664
Le Chef d’Etat-major général de l’Armée Suisse, E. Sonderegger, au Chef du Département militaire, K. Scheurer1
Es ist bekanntlich nicht ausgeschlossen, dass Österreich in nächster Zeit zusammenbricht und in diesem Falle wird die Vorarlbergerfrage dringend werden. Es scheint, dass die vorarlbergische Regierung die Absicht hat, beim Eintritt der Katastrophe Österreichs sofort die Autonomie Vorarlbergs zu erklären und eine Art Anschluss2 an die Schweiz zu suchen, bestehend in Gemeinsamkeit von Zoll, Post und Auslandsvertretung. Wie aus beiliegendem Brief3 des der Regierung nahestehenden Dr. Pirkeran einen Schweizer-Freund zu ersehen ist, werden schon Vorbereitungen hiefür getroffen.
Solange diese Entwicklung in ruhigen Bahnen vor sich geht, können wir ruhig zusehen; es besteht aber die Möglichkeit, dass von sozialistischer oder alldeutscher Seite oder von beiden zusammen mit oder ohne Zuzug von Freischaren aus dem Bayrischen und Tirol4 ein Putsch versucht wird zur Einsetzung einer alldeutsch gesinnten Regierung, mit oder ohne sofortigen Anschluss an Deutschland. Ein solcher Putsch kann zu einer Art Bürgerkrieg werden, und ich glaube nicht, dass wir dann ruhig zusehen dürfen. Ein solcher Zustand brächte uns direkten Schaden; er unterbände den wirtschaftlichen Verkehr und zwänge uns zu einer dauernd verstärkten Überwachung der Grenze, und schliesslich wäre noch die Einmischung schweizerischer Freiwilliger zu befürchten, die den schweizerisch Gesinnten zu Hilfe eilen wollten und uns damit in einer wenig würdigen Weise in eine vielleicht schon recht unangenehme Situation hineinzögen. Wir haben ein Recht zu verlangen, dass in diesem Nachbarländchen ruhige und geordnete Zustände bestehen. Solche Zustände haben dauerhafte, gut fundierte politische Verhältnisse zur Voraussetzung und diese lassen sich wohl nur schaffen auf Grund einer Volksabstimmung, die ein für alle Mal als Selbstbestimmung den Willen des Volkes festlegt.
Wenn eine solche Abstimmung unsererseits verlangt wird, so müsste sie auch geschützt werden, und wer soll sie nun schützen?
In erster Linie käme vielleicht der Völkerbund in Frage; aber abgesehen davon, dass der Völkerbund gegenüber Deutschland nicht unparteiisch, sondern nur als Partei auftreten kann, wenigstens von Deutschland immer nur als Partei angesehen wird, so würde eine Völkerbundsaktion auf alle Fälle viel zu spät kommen. Für einen rechtzeitig einsetzenden Schutz der Ordnung können nur die Nachbarn in Frage kommen: Deutschland, Italien und die Schweiz. Eine Verständigung zwischen allen dreien würde wiederum zu viel Zeit erfordern; von den Deutschen würde niemand Unparteilichkeit erwarten, und die Italiener wären im Vorarlberg sehr ungern gesehen, sodass schliesslich nur ein Schutz der Ordnung durch Schweizertruppen ernstlich in Frage kommen kann. Wir sind zu dieser Rolle umso eher berechtigt, als die unoffizielle Abstimmung im Vorarlberg seinerzeit 80% der Stimmen für die Schweiz ergeben hat.5 An der Kontrolle der Volksabstimmung könnten als Zeugen unserer Unparteilichkeit deutsche und italienische Organe beteiligt werden.
Wenn hier, was ja leicht zu machen ist, alle Einzelheiten für das militärische Vorgehen rechtzeitig durchbesprochen und vorbereitet sind, so ist die Ausführung (Mobilisation und Transport der nötigen Truppen) eine Sache von wenigen Tagen und kann unbedingt rechtzeitig erfolgen. Was aber als Vorbedingung dazu gehört und noch mehr Zeit braucht, das ist die Feststellung der Bereitwilligkeit der Schweiz, einem autonomen Vorarlberg jenen losen Anschluss zu gewähren, den es vorläufig wünscht, und ohne den es nicht bestehen kann. Hierüber müsste frühzeitig Beschluss gefasst werden, sonst kommen wir mit unsern militärischen Massregeln zu spät. Ich halte es aber für sehr wichtig, dass wir durch rasches Zugreifen alle jene Nachteile, Unannehmlichkeiten und Gefahren vermeiden, die die Lage der Dinge uns bringen könnte, wenn wir sie eine Zeitlang sich selbst überlassen müssten.
An Truppen wären zur losen Absperrung der Grenzen gegen Bayern und Tirol und zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Innern des Ländchens notwendig: eine Division mit nur einer Abteilung Artillerie und eine Kavallerie-Brigade. Um Transportkosten zu vermeiden, würde am besten die 6. Division und Kav.Br. 3 gewählt. Diese Truppen könnten unter dem Kommandanten der 6. Division stehen, unter der Oberaufsicht des E.M.D.
- 1
- E 2001 (B) 3/10.↩
- 2
- Mot souligné et un point d’interrogation au dessus de ce mot.↩
- 3
- Non reproduite. Dans cette lettre du 21 janvier 1921, Paul Pirker écrit en conclusion: [...] Es werden von Lande auch Wünsche geäussert, die für die Schweiz rein formeller, für uns aber moralischer Natur sind, z. B. die Schweiz müsse die Sendung von Lebensmitteln abhängig machen von der Ordnung und Ruhe im Lande. Dadurch wollen wir einen Druck auf die Sozialisten ausüben. Ich mache jetzt den Text zum Plakat, das am grossen Tage dann im Lande verteilt wird. [...] ( E 2001 (B) 3/10).↩
- 4
- Sur le mouvement de rattachement du Tyrol à VA llemagne et son influence sur la population du Vorarlberg, voir les notices de von Segesser des 27 et 28 janvier, sur ses entretiens avec des représentants du Comité Pro Vorarlberg et des délégués du Vorarlberg venus à Berne les 27–28 janvier 1921, E 2001 (B) 3/10.↩
- 5
- Cf. DDS 712, no 45.↩