dodis.ch/44637
La Division des Affaires étrangères du Département politique au Ministre de Suisse à
Londres, Ch.
R. Paravicini1
Der britische Gesandte in Bern überreichte uns letzte Woche streng vertraulich eine Aide-mémoire seiner Regierung zur Rhein frage.2 Die britische Regierung äussert sich darin zu verschiedenen Punkten, die seinerzeit in unserer Besprechung mit dem britischen Geschäftsträger, Herrn Snow, berührt worden waren.
Wenn die britische Regierung einerseits die übereinstimmenden Interessen Englands und der Schweiz am Ausbau des Rheins anzuerkennen scheint, so weicht andererseits, wie Sie aus der beigelegten Kopie des Aide-mémoire ersehen werden, deren Auffassung von der Art und Weise der Wahrung dieser Interessen weitgehend vom schweizerischen Standpunkt ab. Herr Minister Dinichert hatte bereits Gelegenheit, den britischen Gesandten, Herrn Russell, bei der Übergabe des Aide-mémoire auf diese Divergenzen aufmerksam zu machen.3 Da es uns aber von grösster Wichtigkeit zu sein scheint, die englische Regierung möglichst präzis über unseren Standpunkt aufzuklären, beehren wir uns, an Sie zu gelangen mit der Bitte, der britischen Regierung unter Bezugnahme auf ihr Aide-mémoire, aber ganz offiziös, folgendes auseinanderzusetzen:
1. Der Bundesrat ist mit der britischen Regierung der Ansicht, dass Art. 46 der Mannheim er-Konvention noch in Kraft besteht. Im Gegensatz zur Auffassung dieser Regierung glaubt er aber, dass dieser Artikel auch gegenüber den Bestimmungen des Versailler-Vertrages, speziell gegenüber Art. 358 desselben, volle Wirksamkeit haben werde. Es ist nicht einzusehen, warum in Beschlüssen, die für die Zukunft der Rhein schiffahrt ausschlaggebend sein werden, wie diejenigen, die von der Zentralkommission auf Grund von Art. 358 des Versailler-Vertrages gefasst werden, der Ratifikationsvorbehalt von Art. 46 keine Geltung haben sollte. Die Bestimmungen des Versailler-Vertrages äussern sich nicht über die Art und Weise der Beschlussfassung der Zentralkommission. Art. 354, Al. 1 des Vertrages bestimmt dagegen ausdrücklich, dass die Mannheim er-Konvention für die Regelung der Rhein schiffahrt massgebend sei, soweit der Versailler-Vertrag nichts Abweichendes bestimme.
2. Wenn die Schweiz einerseits nichts dagegen einzuwenden hat, dass die französischen Kanalpläne von der Zentralkommission dahin geprüft werden, ob sie keinen nachteiligen Einfluss auf die Schiffahrtsmöglichkeiten ausüben, so muss sie andererseits verlangen, dass als Masstab für diese Beurteilung nicht die heute bestehenden Möglichkeiten gewählt werden, sondern die Möglichkeiten, die für die Schiffahrt vorhanden wären, wenn das Rhein bett entsprechend den Bestimmungen der Mannheim er-Konvention, speziell dessen Art. 28, in guten Stand gesetzt sein wird. Auf diesen Punkt ist ganz besonderes Gewicht zu legen. Es scheint uns für das Schicksal des Rheins von ausschlaggebender Bedeutung zu sein.
3. Der Bundesrat ist, wie schon ausgeführt, mit der englischen Regierung der Ansicht, dass sich die Interessen der beiden Regierungen am Ausbau des Rheins decken. Diese Interessen können aber, nach seiner Auffassung, nur in der oben bezeichneten Weise zweckmässig vertreten werden.
Wie wir Ihnen mit unserem Schreiben vom 15. Oktober4 mitgeteilt haben, werden gegenwärtig von unserer Gesandtschaft in Paris in der Rhein frage Verhandlungen geführt, wobei erreicht werden soll, unseren Delegierten in der Zentralkommission, unter den Ihnen bekannten Voraussetzungen, die definitive Aufnahme in diese Kommission zu sichern. Herr Dunant wird, sofern er aus den zunächst mündlich zu führenden Verhandlungen den Eindruck gewinnt, die französische Regierung hätte nichts dagegen einzuwenden, wenn unser Standpunkt auch noch schriftlich, in Form einer Note, fixiert würde, den Text einer solchen Note der französischen Regierung überreichen.5 Derselbe wird gleichzeitig auch den übrigen in der Zentralkommission vertretenen Staaten zur Kenntnis gebracht werden. Zu Ihrer Orientierung beehren wir uns, Ihnen schon jetzt den provisorischen Entwurf dieser Note zukommen zu lassen. Wir bitten Sie, bei Ihren Schritten auf den Inhalt derselben Bezug zu nehmen, ohne die Note ausdrücklich zu erwähnen.