dodis.ch/44606 Aide-Mémoire du Chef de la Division du Commerce du Département de l’Economie publique, A.
Eichmann 1
Der im Bericht der Genossenschaft zur Förderung des Aussenhandels vom 25.ds.2 erwähnte Wunsch der ungarischen Regierung, dass ein «direktes provisorisches Handelsabkommen» anstelle des provisorisch verlängerten Handelsvertrags mit Österreich-Ungarn vom Jahre 1906 abgeschlossen werden möchte, gibt uns vorläufig zu der Bemerkung Anlass, dass der Abschluss eines solchen Vertrags, der sich natürlich auch auf die Zölle erstrecken müsste, viel zu lange dauern würde, um damit die zurzeit beabsichtigten Abmachungen über einen Warenaustausch verbinden zu können. Wir schliessen uns durchaus der Ansicht an, dass solche Abmachungen getroffen werden können, ohne sofort in Unterhandlungen über einen allgemeinen Handelsvertrag einzutreten. Im Prinzip wird man nicht umhin können, der ungarischen Regierung durch eine allgemein gehaltene Versicherung entgegenzukommen, etwa des Inhalts, dass wir ihrem Wunsche volles Verständnis entgegenbringen, zurzeit aber den Eintritt in förmliche Unterhandlungen noch für etwas verfrüht erachten.
Vom Standpunkt unseres Handels aus betrachtet, ist es ein grosser Vorteil, wenn der alte Vertrag, der mit Österreich, Ungarn und der Tschechoslowakei separat verlängert worden ist, noch eine Zeitlang in Kraft erhalten werden kann, denn in neuen Verträgen werden zum grossen Teil viel höhere Zölle akzeptiert werden müssen. Sodann könnten wir übrigens nicht wohl mit Ungarn allein unterhandeln, weil manche Zollansätze, die vereinbart werden müssen, mehr oder weniger auch die ändern Staaten interessieren. Die Vertragserneuerung mit allen wichtigeren Ländern muss ungefähr gleichzeitig stattfinden. Die ungarische Regierung könnte sich umgekehrt auch nicht auf Zölle uns allein gegenüber festlegen. Wahrscheinlich hat man sich in Budapest diese eigenartigen Schwierigkeiten noch nicht vergegenwärtigt.
In der Presse hat man davon gelesen, dass in Paris der Plan einer Donau-Föderation zur Verhinderung eines Anschlusses Österreichs an Deutschland genährt werde. Auch in dieser Hinsicht ist eine gewisse Klärung wünschenswert, bevor man sich auf separate Unterhandlungen einlässt.
Die ungarische Regierung wünscht, durch letztere ihre politische Anerkennung zu fördern. In dieser Hinsicht ist indirekt gewissermassen bereits ein erster Schritt durch die separate Verlängerung des Handelsvertrags, die dieses Frühjahr mit dem de facto Vertreter Ungarns in Bern vereinbart worden ist, geschehen. Vor der Ratifikation des Friedensvertrags werden wir aber den Mächten durch eine förmliche Anerkennung Ungarns nicht wohl vorgreifen können.