Classement thématique série 1848–1945:
VI. LE RAVITAILLEMENT DE LA SUISSE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-II, doc. 380
volume linkBern 1984
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#276* |
Dossier title | Beschlussprotokolle des Bundesrates Juli - September 1920 (1920–1920) |
dodis.ch/44591 CONSEIL FÉDÉRAL
Décision présidentielle du 2 août 19201 2516. Kohlenabkommen mit Deutschland2
Décision présidentielle du 2 août 19201
Am 31. Dezember 1919 ist das Wirtschaftsabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland, welches am 2. Juni 1919 in Bern abgeschlossen worden war, zu Ende gegangen, ohne dass es möglich gewesen wäre, eine Verlängerung oder Erneuerung zustande zu bringen. Die Kohlenlieferungen des offiziellen deutschen Lieferanten, des Kohlenkontors, haben denn auch seit Beginn dieses Jahres aufgehört. Diejenigen Quantitäten an Ruhrkohle, die trotzdem im Verlaufe der letzten Monate in die Schweiz eingeführt werden konnten, stehen vollständig ausserhalb von Abmachungen, ähnlich den frühem Wirtschaftsabkommen mit Deutschland. Es handelt sich dabei um die Lieferungen der Zeche «Präsident», welche gestützt auf ein von der deutschen Regierung genehmigtes Abkommen mit einer Schweizergruppe die Hälfte der Mehrproduktion, die infolge der finanziellen Beihülfe dieser Schweizergruppe erzielt werden konnte, nach unserm Lande exportieren kann. Diesem Vertrag hat die Schweiz in den letzten 6 Monaten nicht unwesentliche Mengen von Ruhrkohle und insbesondere von Ruhrkoks zu verdanken, die ihr ausserordentlich gute Dienste geleistet haben. Dieser Vertrag steht vollständig ausserhalb des Rahmens der deutsch-schweizerischen Wirtschaftsabkommen, und das Volkswirtschaftsdepartement hat denn auch eine vor Beginn der letzten offiziellen Verhandlungen von deutscher Seite anher gerichtete Zumutung, die «Präsident-Lieferungen» in das offizielle deutsche Kontingent einzubeziehen, zurückgewiesen. Die deutsche Regierung hat dieses Begehren alsdann fallen gelassen, und der «Präsident-Vertrag» läuft neben dem nun abgeschlossenen offiziellen Abkommen weiter. Er wird der Schweiz noch auf längere Zeit hinaus monatlich 15–20000 Tonnen Kohlen und Koks aus dem Ruhrgebiet verschaffen.
Wie bereits gesagt, bestand also ein offizielles Abkommen mit der deutschen Regierung seit anfangs dieses Jahres nicht mehr, und es hat der offizielle deutsche Lieferant, das Kohlenkontor, denn auch in dieser Zeit nichts geliefert. Die Verhandlungen, welche schon im Dezember letzten Jahres und dann wiederum im Frühling dieses Jahres beidseitig geführt wurden, zeitigten infolge der übersetzten deutschen Preisforderungen keine Einigung. Es wurde deutscherseits der sogen. Weltmarktpreis gefordert, d.h. derjenige Preis, den die Schweiz für die von ihr aus England und Amerika importierten Kohlen franko Schweizergrenze bezahlen muss. Abgesehen davon, dass aus grundsätzlichen Erwägungen ein solcher Weltmarktpreis nicht akzeptiert werden konnte, führten auch die auf dieser Basis von deutscher Seite aufgestellten Berechnungen zu Ansätzen, die schweizerischerseits nie hätten verantwortet werden können.
Nach vielfacher, durch die deutschen inner- und ausserpolitischen Verhältnisse bedingter Verzögerung ist dann anfangs Juli eine neue deutsche Delegation in Bern eingetroffen, um über ein neues Abkommen zu verhandeln. Die zwar mühsamen und schwierigen, aber beiderseits von gutem Willen getragenen Verhandlungen haben schliesslich zu einem Abkommen geführt, das am 9. Juli 1920 in Bern unterzeichnet wurde und dessen Ratifikation das Volkswirtschaftsdepartement empfiehlt. Es hat in der Hauptsache folgenden Inhalt:
1. Mengen. Deutschland erteilt Ausfuhrbewilligungen für monatlich 15– 20,000 Tonnen Kohlen und Koks aus dem Ruhrgebiet und für monatlich 15,000 Tonnen linksrheinischer Braunkohlen-Briketts. Diese Mengen mögen an und für sich, namentlich verglichen mit denjenigen, die uns Deutschland vor und während des Krieges geliefert hat, als gering erscheinen. Allein es ist von deutscher Seite immer und immer wieder betont worden, dass man dieses Mal den grössten Wert darauf lege, nur solche Mengen zu versprechen, die dann auch mit einiger Sicherheit wirklich geliefert werden können. Angesichts der gegenwärtigen Kohlenlage Deutschlands stellten diese Mengen aber das Maximum dessen dar, was mit gutem Gewissen versprochen werden könne. Diese Mengen und Qualitäten sind für unser Land von sehr grosser Bedeutung: Da die Versorgung unserer Transportanstalten, der Gaswerke und eines Teiles der Industrie durch andere Provenienzen ziemlich gedeckt werden konnte, so handelte es sich bei diesem Abkommen mit Deutschland vor allem aus darum, auch unsere Hausbrandversorgung, die infolge Wegfalls der französischen und belgischen Lieferungen sozusagen ausschliesslich auf Deutschland angewiesen ist, sicherzustellen. Dies ist durch dieses Abkommen im Bereiche des Möglichen geschehen, insbesondere sind die versprochenen Braunkohlenbriketts für unsere Hausbrandversorgung unumgänglich notwendig.
2. Preise. Ohne uns auf den deutscherseits immer noch festgehaltenen Begriff «Weltmarktpreis» festzulegen, haben wir, nicht mit Begriffen, sondern mit nackten Zahlen rechnend, schliesslich eine Einigung erzielen können. Es wurden folgende Preise festgestellt: Für Förderkohle Fr. 140, für Stück- und Nusskohle Fr. 160, für Braunkohlenbriketts Fr. 105. Diese Preise verstehen sich für je 10 Tonnen franko Eisenbahnwagen ab Grube. Sie erhöhen sich also um die ungefähr Fr. 30 betragende Fracht von der Grube bis zur Schweizergrenze und bleiben damit unter den Einstandspreisen von englischen und amerikanischen Kohlen. Besondere Schwierigkeiten bot die Festsetzung der Kokspreise. Abgesehen davon, dass Koks in ändern Ländern gegenwärtig überhaupt kaum zu beschaffen ist, steht der Ruhrkoks qualitativ bedeutend über allen ändern Provenienzen. Wir mussten deshalb hier relativ hohe Preise bewilligen, Preise, die jedoch ganz bedeutend unter denjenigen stehen, die beispielsweise für englischen und amerikanischen Koks, falls man solchen ausnahmsweise überhaupt bekommt, stehen. Die Lösung wurde schliesslich in der Weise gefunden, dass eine Preisstaffelung vereinbart wurde, und zwar in dem Sinne, dass wir für die ersten Lieferungen einen niedrigen Preis und für die ein Minimalquantum übersteigenden Mengen einen höheren Preis bezahlen. Dadurch haben wir auf deutscher Seite einen Stimulus geschaffen, uns möglichst viel Koks zu liefern, was in hohem Masse unsern Interessen entspricht. Die Preisstaffelung gestaltet sich wie folgt: Ausgehend von einem Durchschnittspreis von Fr. 184 ab Grube bezahlen wir für die ersten 20,000 Tonnen, die wir auf Grund des Abkommens erhalten, Fr. 184 minus Fr. 16 = Fr. 168, für die zweiten 20,000 Tonnen den Mittelpreis von Fr. 184 und für alles, was über 40,000 Tonnen Koks geliefert wird, Fr. 184 plus Fr. 16 = Fr. 200 per Tonne.
3. Formelles. Wie im letzten Wirtschaftsabkommen vom 2. Juni 1919 ist auch im neuen Vertrag vom 9. Juli 1920 nur der Rahmen für die notwendigen privatrechtlichen Lieferungsverträge enthalten. Es entspricht dies einem von uns schon früher geäusserten Wunsche, da die Liefergarantien grösser sind, wenn der Verkäufer privatrechtlich zur Lieferung der Ware verpflichtet ist, als wenn es sich bloss um die staatliche Zusicherung von Ausfuhrbewilligungen handelt. Die oben erwähnten Preise, wie auch die übrigen Lieferungsbedingungen, sind deshalb wohl in den offiziellen Verhandlungen festgelegt, aber nicht im Wirtschaftsabkommen selber fixiert worden. Auf Grund des letztem wurden vielmehr zwischen der Kohlengenossenschaft als Käuferin und dem Kohlenkontor, sowie dem Braunkohlensyndikat als Verkäuferin besondere LieferungsVerträge abgeschlossen, die vom Verwaltungsrat der Kohlengenossenschaft bereits ratifiziert worden sind.
4. Gegenleistungen der Schweiz. Im Gegensatz zu den frühem Wirtschaftsabkommen mit Deutschland hat die Schweiz keine sogen. «Kompensationen» zu liefern. Das Abkommen enthält in dieser Beziehung lediglich den Passus: «Die Schweiz erteilt Ausfuhrbewilligungen für Frischmilch; Belieferung nach Möglichkeit im bisherigen Umfang.» Es ist dies eine die Schweiz nicht drückende Verbindlichkeit betreffend Milchlieferung an die süddeutschen Grenzgebiete, wie sie seit einer Reihe von Jahren üblich ist. Das eidg. Ernährungsamt hat sich mit dieser sehr weit gefassten Klausel ohne weiteres einverstanden erklärt.
5. Dauer des Abkommens. Die deutschen Vertreter wollten sich vorderhand nur auf 3 Monate binden. Es ist uns schliesslich gelungen, das Abkommen auf 6 Monate abzuschliessen. Es läuft vom 15. Juli 1920 bis zum 15. Januar 1921. Beide Teile haben das Recht, mit zweimonatlicher Frist jederzeit zu kündigen.
6. Ratifikation. Das Abkommen ist unterzeichnet worden unter Vorbehalt der Ratifikation durch die beidseitigen Regierungen.
Antragsgemäss wird das vorgelegte Abkommen genehmigt, und es wird das Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt, die deutsche Gesandtschaft in Bern hievon zu verständigen.