Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ETATS
II.2 ALLEMAGNE
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 7-II, doc. 276
volume linkBern 1984
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2300#1000/716#104* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2300(-)1000/716 57 | |
Titolo dossier | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 21, Teil 1 (1920–1920) |
dodis.ch/44487
Ich habe Sie, so gut es ging, telegraphisch2 über die Ereignisse der letzten Tage auf dem laufenden gehalten, obwohl ich mir sagen musste, dass Sie wahrscheinlich durch die Meldungen aus dem übrigen Teil von Deutschland rascher und zuverlässiger über die Gesamtlage unterrichtet werden als ich.
Die Lage hier in Berlin erscheint mir als eine sehr ernste, weil die hiesigen Truppen geschlossen auf Seite der neuen Regierung stehen und weil sie geführt werden von General Lüttwitz, einem Manne, der allgemeines Ansehen geniesst und über eine rücksichtslose Energie verfügt. Er hat im Gespräche mit Unterstaatssekretär v. Haniel das harte Wort gesprochen: «Wir werden, wenn nötig, den roten Terror durch den weissen zu brechen wissen.» Man muss sich also von dieser Seite auf Massnahmen von äusserster Kraft gefasst machen, wenn die alte Regierung nicht nachgibt, und dazu ist wenig Aussicht vorhanden und liegt wohl auch keine Veranlassung vor, denn es zeigt sich immer mehr, dass Süd- und wohl auch Mitteldeutschland zur alten Regierung stehen und dass die Arbeiterschaft zum äussersten Widerstand entschlossen ist, weil sie die sozialen Errungenschaften der Revolution gefährdet glaubt. Unter diesen Umständen sind blutige Kämpfe, wie sie in Frankfurt bereits stattgefunden haben, beinahe unvermeidlich. Hier in Berlin scheint die Bevölkerung eher auf Seite der neuen Regierung zu stehen, wenn auch ohne eigentliche Begeisterung, aber die organisierten Arbeiter sind sofort in den Streik getreten, der bis morgen (Montag) allgemein werden soll. Welches die Wirkungen des Generalstreiks sein werden, ist nicht vorauszusehen. Die neue Regierung glaubt über genügend Kräfte zu verfügen, um mit Hilfe der Einwohnerwehr die sog. technische Nothilfe für die lebensnotwendigen Betriebe aufrechterhalten zu können.
Durch diese Vorgänge ist der Gegensatz zwischen Unabhängigen und Mehrheitssozialisten in den Hintergrund gedrängt und die Gefahr geschaffen worden, dass die besonnenen Elemente der Arbeiterschaft nach links umfallen. Darin liegt augenblicklich die grösste politische Gefahr, die sich aus diesem Putsch ergeben kann.
Ich war gestern sofort auf dem Pressebureau der neuen Reichsleitung, wo man mir Auskünfte gab, die sich in der Folge als unzutreffend herausgestellt haben. Heute früh bin ich dorthin zurückgekehrt und fand die Stimmung schon wesentlich gedrückter, denn die Nachrichten aus dem übrigen Deutschland scheinen die gehegten Erwartungen nicht zu erfüllen.
Das Stadtbild von Berlin bietet augenblicklich nichts Beunruhigendes: Die Truppen patrouillieren überall und haben auch an allen wichtigen Plätzen und Verkehrspunkten Maschinengewehre aufgestellt. Diese Gegenden sehen aus wie ein Feldlager, die Truppe verhält sich aber durchaus diszipliniert. Der Verkehr ist an vielen Punkten kontrolliert und nur an wenigen gesperrt. Die Wachen ziehen überall mit klingendem Spiel und im Paradeschritt auf, ganz wie in der Zeit vor der Novemberrevolution. Die Strassenbeleuchtung ist auf ein Minimum reduziert.
Auf allen öffentlichen Gebäuden wehen die alten Banner mit dem Reichsadler, und das Publikum begrüsst im allgemeinen diese Abzeichen mit Sympathie. Der Strassen- und Untergrundbahnverkehr ruht vollständig.
Der Putsch kam der alten Regierung und dem weiteren Publikum völlig unerwartet. Nach Mitteilungen, die mir aus Kreisen der neuen Regierung geworden sind, war das Ereignis erst für Anfang April geplant. Da jedoch die alte Regierung im Laufe des 12. März Wind bekam von der Sache und energische Gegenmassregeln angeordnet hatte, musste von Seite der Gegenrevolutionäre rasch gehandelt werden. So entschloss man sich, in der Nacht vom 12. auf den 13. der Regierung ein Ultimatum zu stellen, das morgens halb vier Uhr dem Reichskanzler zugestellt wurde und die Aufforderung enthielt, entweder die sofortige Neuwahl des Reichstages und die Wahl des Reichspräsidenten durch das Volk zuzusichern oder abzudanken. Die Regierung hielt um 4 Uhr Sitzung und beschloss, das Ultimatum abzulehnen. Darauf rückten sofort die revolutionären Truppen in die Regierungsgebäude ein, und die Mitglieder der Regierung verliessen fluchtartig ihre Wohnung und Berlin. Nur der Vizekanzler Schiffer blieb zurück und wurde in Schutzhaft genommen. Die alte Regierung fuhr in Automobilen nach Dresden und erliess dort sofort eine Proklamation gegen «die Militärdiktatur in Berlin». Der Wortlaut dieser Proklamation ist hier nicht bekannt geworden. Hinsichtlich des weiteren Verlaufs der Ereignisse darf ich auf meine telegraphischen Berichte verweisen.
Aus den bisherigen Kundgebungen der neuen Regierung, welche ich hier beilege und die alle in die Form von Flugblättern gekleidet sind, welche durch Truppen in Autos und durch Flieger abgeworfen werden, geht hervor, dass man die Bewegung nicht als eine monarchische gelten lassen will, sondern als Protest hinstellt gegen den Versuch der bisherigen Regierung und ihrer parlamentarischen Mehrheit, die Wahlen in den Reichstag ad calendas graecas zu verschieben und die Verfassung im Sinne der Wahl des Präsidenten durch das Parlament zu revidieren. Ich muss dahingestellt sein lassen, ob wirklich nur dieser eine Zweck beabsichtigt ist, aber das scheint mir festzustehen, dass die unmittelbare Veranlassung für den Putsch die obigen Massnahmen der Regierung gebildet haben. Ich habe diese undemokratischen Tendenzen immer als einen grossen politischen Fehler und als einen Beweis für die Schwäche der politischen Stellung der alten Regierung betrachtet und erblicke in diesem Versuche der bisher regierenden Partei eine Verletzung der geltenden Verfassung, welche den «Rechtsradikalen» wenigstens den Schein des Rechts verschafft hat.
Alle ruhig denkenden Leute beklagen das Vorkommnis, weil sie sich sagen müssen, dass dadurch das Land in schwere und nutzlose Kämpfe gestürzt wird, welche letzten Endes den Untergang des Reiches herbeiführen können und die im besten Falle die wirtschaftliche Krisis in bedrohlicher Weise verschärfen werden.
Ein dauernder Erfolg der neuen Regierung scheint kaum denkbar, weil sie nicht über die nötigen Machtmittel verfügt, um die Widerstände zu überwinden, welche ihr aus der Arbeiterschaft und grossen Teilen des Reiches entstanden sind. Zu diesen inneren Schwierigkeiten gesellt sich der zweifellos erfolgende Einspruch der Entente. Und endlich stärkt dieses Ereignis ganz gewiss die Loslösungsbestrebungen, über welche ich in früheren Berichten gesprochen habe. Es wird sich zunächst der Gegensatz zwischen Preussen und den übrigen Ländern verschärfen, und die Franzosen werden sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, um ihren Traum der Zerstückelung Deutschlands zu verwirklichen.3
Man mag die Sache ansehen wie man will, so wird man immer zu dem Schlüsse kommen müssen, dass Deutschland von einem neuen, schweren Unglück betroffen worden ist, dessen Folgen nur traurige sein können.
Ich lege hier noch die Morgennummer der «Vossischen Zeitung» vom 13.crt. bei, welche unter dem ersten Eindruck der amtlichen Erklärungen der alten Regierung geschrieben worden ist und die nur zu deutlich die Angst dieses «demokratischen» Organs um die politische Macht und das eigene Leben erkennen lässt. Wenn wahr ist, was mir von verschiedenen Seiten berichtet wird, dass die Gärung unter den Truppen und in der Bevölkerung einen starken antisemitischen Einschlag hat, dann erklärt sich die Angst der Vossischen ohne weiteres, denn sie steht bekanntlich unter ausschliesslich und ausgesprochen jüdischer Leitung.
Bemerkenswert ist, dass die führenden Männer der Rechts parteien der augenblicklichen Bewegung ganz ferne stehen wollen und den Putsch entschieden verurteilen. Deshalb ist es dem neuen Reichskanzler bisher nicht gelungen, seine Ministerliste vollständig zu machen. Unterstaatssekretär v.Haniel versicherte mich heute, dass die Deutsche Volkspartei sich ausdrücklich von der Bewegung losgesagt habe und dass selbst die Deutschnationalen offiziell nicht in dem Ding sein wollen.
Ich hätte Ihnen noch zu berichten über den Ausgang des Prozesses Erzberger, aber dieses Ereignis tritt gegenüber der Revolution so vollständig in den Hintergrund, dass ich wohl besser tue, darüber zu schweigen. Nur das eine möchte ich sagen: Erzberger wird ja wohl vorübergehend aus der Reihe der Papabili für einen Ministerposten ausscheiden, aber er wird ganz gewiss seinen Einfluss im Parlamente und in den Kulissen des politischen Lebens beibehalten und eines schönen Tages wieder ganz auf der Oberfläche auftauchen; ihm konnte kein besserer Dienst erwiesen werden als dieser Putsch, der sich unmittelbar nach der Veröffentlichung des Urteils «gegen» Helfferich ereignet hat. [...]4.
- 1
- Rapport politique: E 2300 Berlin, Archiv-Nr. 21/1.↩
- 2
- Non reproduits.↩
- 3
- Sur les réactions françaises dans cette affaire, le Ministre Dunant télégraphiait (no 11) le 15 mars: Au Quai d’Orsay on évite de se prononcer sur la portée des événements d’Allemagne voulant attendre de voir ce que fera Assemblée nationale à Stuttgart. On insiste très catégoriquement sur le désir principal de la France de voir Allemagne exécuter clauses du Traité de Paix. (E 2300 Paris, Archiv-Nr. 73).↩
- 4
- A été supprimé un passage sur des voies défait entre des officiers de l’armée d’occupation et des Allemands.↩
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