Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ETATS
II.2 ALLEMAGNE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-II, doc. 100
volume linkBern 1984
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#103* | |
Dossier title | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 20 (1919–1919) |
dodis.ch/44311
Da ich die Leitung der Gesandtschaft erst vor wenigen Tagen übernommen habe und während dieser Zeit noch keine Gelegenheit hatte, mit politischen Persönlichkeiten Fühlung zu nehmen, muss sich dieser erste Bericht in der Hauptsache auf Erhebungen stützen, welche meine Mitarbeiter gemacht haben.
Eine der ersten Personen, denen ich wenige Stunden nach meiner Ankunft zufällig begegnete, war Fürst Bülow, der am gleichen Tage vom Lande nach der Stadt gekommen war, um hier den Winter zu verbringen. Die Tatsache, dass der Fürst die Übersiedelung nach der Hauptstadt vollzogen hat, war mir schon ein Beweis dafür, dass er die allgemeine innere Lage für consolidiert hält und jedenfalls keine gefährlichen Ausschreitungen mehr befürchtet. In der Tat sprach Bülow in unserer Unterredung die Überzeugung aus, dass sich die Unruhen des letzten Jahres nicht wiederholen werden und dass die gegenwärtige Regierung genügend stark sei, erneuten Versuchen der Spartakisten mit Erfolg zu begegnen.
In ganz gleichem Sinne äusserte sich der Reichsminister des Äussern, Hermann Müller, den ich am Tage meines Amtsantrittes besuchen konnte und der mir einen sehr herzlichen Empfang bereitete. Der Minister bat mich wiederholt, ihn häufig zu besuchen und alle Wünsche der Schweizer Regierung, die sich auf politische Verhältnisse beziehen, direkt mit ihm zu besprechen; er versicherte, dass er alles tun werde, was in seiner Macht liege, um diesen Wünschen entgegenzukommen, da er seit langem die grössten Sympathien für unser Land habe und da ihm und der ganzen Regierung sehr viel an einem guten Verhältnis mit der Schweiz gelegen sei. Auf meine Anfrage über die innere Lage sprach er sich ungefähr so aus, wie Fürst Bülow. Müller hält die Gefahr der Streiks keineswegs für überwunden und sieht auch noch häufige Putschversuche der Spartakisten voraus, aber er glaubt nicht, dass es diesen Elementen gelingen werde, das Heft auch nur vorübergehend in die Hand zu bekommen.
Die grösste Gefahr für die Erhaltung der Ordnung in Deutschland liege zur Zeit in der Haltung der Ententestaaten zur Frage der Ratifikation des Friedens. Wenn sich die Ratifikation weiterhin verzögern und dadurch der Kriegszustand effektiv verlängert werden sollte, könnte eine Stimmung der Erbitterung und Verzweiflung in weiten Kreisen der Bevölkerung Platz greifen, welche ernste Gefahren für die innere Ruhe und Sicherheit schaffen müsste. Inzwischen hat nun die französische Kammer den Frieden ratifiziert und das wird zweifellos zur Beruhigung beitragen. [...]2
Völkerbund. Ich habe es mir angelegen sein lassen, durch meine Mitarbeiter Erkundigungen einzuziehen über die Stimmung, welche zur Zeit in Deutschland herrscht bezüglich der Frage des Beitrittes zum Völkerbund. Herr Legationssekretär Zetter hat darüber folgende Auskunft vom Stellvertreter des Chefs der Presseabteilung auf dem Ministerium des Auswärtigen erhalten:
Zur Zeit sind alle Parteien der Mehrheit mit Einschluss der Demokraten für den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund, und zwar auch in den Völkerbund wie er durch den Pakt von Versailles gestaltet ist: Dabei lassen sich die Anhänger des Beitrittes von der Hoffnung leiten, dass, wenn einmal der Eintritt der Zentralstaaten erfolgt sei, diese Staaten mit Hilfe der neutralen Stimmen eine Revision des Völkerbundstatutes im Sinne der Gleichberechtigung herbeiführen könnten.
Der Ihnen bekannte Professor Stein spricht sich zur selben Frage dahin aus, dass alle Parteien, also auch die ganz linksstehenden, mit Ausnahme der Konservativen, unbedingt für den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund seien, weil sie einzig und allein im Völkerbund eine Möglichkeit erblickten, um den Versailler Vertrag zu lockern und zu einer Revision desselben zu gelangen.
Diese Überlegung ist meines Erachtens von besonderem Interesse, weil sie beweist, dass man vorläufig auch in den Kreisen der Sozialisten und Unabhängigen die Hoffnung aufgegeben hat, eine Revision des Friedensvertrages durch das Machtgebot der Internationalen herbeizuführen. f-J3
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