Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-I, doc. 462
volume linkBern 1979
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2200.41-02#1000/1671#23786* |
Old classification | CH-BAR E 2200 Paris 1 1533 |
Dossier title | Exportation de France contingente ent SSS, Achats en Espagne, Arrangement financier suisso britannique du 20 mars 1918, importation en Suisse de produits alimentaires, crins et poils d'animaux,de farine américaine; exportation suisse à destination des pays du Nord, etc.: Contingemtement S.S.S. (1919–1919) |
File reference archive | 41 |
dodis.ch/44207
Le Chef du Département de l’Economie publique, E. Schulthess, au Ministre de Suisse à Paris, A. Dunant1
Der Inhalt der Note vom 16. dies2, mit welcher die hiesige französische Botschaft, anscheinend im Einvernehmen mit den übrigen Alliierten, unser Begehren betr. die Aufhebung der SSS beantwortet hat, ist Ihnen bekannt. Die Botschaft beschränkt sich darauf, alle die Erleichterungen aufzuzählen, die in den letzten Monaten in Beziehung auf die schweizerische Ein- und Ausfuhr von Waren getroffen worden sind und stellt uns im übrigen anheim, den SSS-Vertrag unter Einhaltung einer dreimonatlichen Frist zu kündigen. Für alle Fälle lassen wir Ihnen eine Abschrift dieser Note beigeschlossen noch zugehen, damit Sie in der Lage sind, zu vergleichen, ob sie mit dem Text übereinstimmt, der Ihnen durch das Blockadeministerium zugestellt worden ist.
Als die fragliche Note von der Botschaft abgefasst wurde, war es noch unsicher, ob Deutschland den Friedensvertrag unterzeichnen würde. Diesem Umstand mag es in der Hauptsache zuzuschreiben sein, dass die Alliierten auf eine sofortige Liquidation der SSS nicht eintreten wollten. Heute liegen die Verhältnisse ganz anders. Wenn Sie diesen Brief erhalten, ist der Friedens vertrag aller Voraussicht nach bereits unterzeichnet. Ob sich die offizielle und vollständige Aufhebung der Blockade und die Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen zwischen der Entente und Deutschland unmittelbar an die Unterzeichnung des Vertrages anschliessen wird, wissen wir zur Stunde noch nicht. Auf jeden Fall aber ist nun der Moment gekommen, wo die Frage der Aufhebung der SSS einer sofortigen Lösung entgegengeführt werden muss.
Bei der jetzigen Lage der Dinge fehlen tatsächlich alle Voraussetzungen für das Weiterbestehen der SSS. Es ist Ihnen zur Genüge bekannt, dass die Alliierten sich schon seit Monaten über die Blockadevorschriften, insbesondere auch insofern, als SSS-Bestimmungen in Betracht kommen, hinwegsetzen, indem sie Waren aller Art in grossen Mengen aus Elsass-Lothringen und dem besetzten linksrheinischen Gebiet nach dem unbesetzten Deutschland exportieren. Die französische Botschaft gibt dies in ihrer Note vom 16. dies selbst zu, allerdings mit dem Beifügen, dass die nötigen Massnahmen getroffen worden seien, um diese Exporte zu sistieren. Tatsächlich wickeln sie sich nach wie vor in grossem Umfange ab.
Aber auch in Bezug auf die Ausfuhr aus der Entente nach der Schweiz werden die SSS-Vereinbarungen schon seit längerer Zeit von Frankreich nicht mehr beobachtet. Um SSS-Waren einzuführen, braucht der schweizerische Importeur keinen SSS-Kontrakt mehr abzuschliessen und überhaupt keine SSS-Formalitäten mehr zu erfüllen, denn die französischen Zollbehörden kümmern sich um diese Formalitäten nicht im geringsten mehr. Sie lassen alle Waren, die nach Massgabe der französischen Vorschriften über die Handhabung der Ausfuhrverbote ausgeführt werden können, ohne weiteres nach der Schweiz ausgehen. Die Vermittlung der SSS ist nicht mehr nötig; in vielen Fällen sind die Waren nicht einmal an die SSS adressiert, sondern direkt an die privaten Empfänger. Bei dieser Sachlage kommt es oft vor, dass die Importeure, welche sich vorschriftsgemäss der Vermittlung der SSS für die Einfuhr ihrer Waren bedienen, letztere nicht oder nur mit Verspätung erhalten, während diejenigen, die auf die Vermittlung der SSS verzichten, prompt in den Besitz der Waren gelangen und dabei noch die SSS-Gebühren ersparen. Nach ihren Statuten und Regiementen ist die SSS aber nach wie vor verpflichtet, die Kontrolle über diese Waren durchzuführen und ihre ausschliessliche Verwendung für den schweizerischen Konsum zu garantieren. Dass die SSS durch das geschilderte Verhalten der französischen Zollbehörden in die Unmöglichkeit versetzt ist, die Kontrolle durchzuführen und die vorgesehene Haftung weiter zu übernehmen, liegt auf der Hand. Die SSS hat denn auch in wiederholten Eingaben an die Kontingentskommission in Paris sowohl als an die hiesige Commission interalliée auf diese Verhältnisse hingewiesen und jede Verantwortung abgelehnt.
Wir haben unserseits im Prinzip keinen Anlass, uns darüber zu beklagen, dass die französische Regierung die Vermittlung der SSS für die Ausfuhr von Waren nach der Schweiz nicht mehr als nötig erachtet. Dagegen ist es natürlich schon von diesem Gesichtspunkte aus ganz unlogisch und ganz unhaltbar, die SSS unter solchen Umständen weiter bestehen zu lassen. Die SSS ist nicht nur verhindert, ihren Zweck, der u. a. in der Erleichterung der Einfuhr besteht, zu erfüllen, sondern sie wirkt geradezu hemmend und schädigend. Ihre Rolle ist direkt eine lächerliche geworden. Es wurde dies namentlich von der SSS selbst, mit deren Organen (Komitee und Direktion) wir gestern eine Besprechung hatten, hervorgehoben. Die Generalversammlung der SSS hat ihr seinerzeit gestelltes Gesuch, der Bundesrat möchte von den Alliierten die Zustimmung zur sofortigen Aufhebung der SSS erwirken, in den letzten Tagen mit allem Nachdruck erneuert. Auf die vorerwähnten Verhältnisse hinsichtlich der Einfuhr aus Frankreich, die eine eigentliche Sabotierung der SSS-Bestimmungen durch die französische Regierung bedeuten, ist grösster Nachdruck zu legen, weil sie in unserer Note vom 27. Mai3 noch nicht hatten zur Geltung gebracht werden können.
Eine Kündigung des SSS-Vertrages auf 3 Monate, wie sie die französische Botschaft in ihrer Note vom 16. dies noch erwähnt, würde der heutigen Lage der Verhältnisse absolut nicht mehr entsprechen. Es hat überhaupt nie die Meinung haben können, dass für die Aufhebung der SSSnach Friedensschluss, d.h. nach erfolgter Unterzeichnung des Friedensvertrages und damit nach dem tatsächlichen Wegfall der Zweckbestimmung der SSS, die Einhaltung einer Kündigungsfrist notwendig sei. Voraussetzung für die SSS war von jeher der Kriegszustand. Mit der Unterzeichnung des Friedens müssen alle im Hinblick auf die Kriegsverhältnisse übernommenen, durch die Blockade bedingten wirtschaftlichen Verpflichtungen, insbesondere die SSS, ohne weiteres dahinfallen. Bei der Vereinbarung einer dreimonatlichen Kündigungsfrist hatte man natürlich einzig den Fall im Auge, dass wir uns eventuell während des Krieges gezwungen sehen würden, den SSS-Vertrag zu kündigen, um uns von Verpflichtungen, die sich als unerträglich oder unzweckmässig heraussteilen sollten, zu befreien und je nachdem neue Vereinbarungen zu treffen. Wir dürfen wohl ohne weiteres annehmen, dass die französische Botschaft sich in ihrer Note vom 16. dies nicht auf die dreimonatliche Frist berufen haben würde, wenn schon damals die demnächstige Unterzeichnung des Friedensvertrages mit Bestimmtheit hätte vorausgesehen werden können.
Im Schlusspassus seiner Note vom 27. Mai hat der Bundesrat ausdrücklich erklärt, dass er sich in der SSS-Frage freie Hand Vorbehalten müsse. Bis jetzt haben wir alle aus dem SSS-Vertrage erwachsenden Verpflichtungen getreulich eingehalten, trotzdem die Alliierten ihrerseits sich im Interesse ihres Wirtschaftslebens über ihre eigenen Blockadevorschriften im allgemeinen und über die SSS-Vereinbarungen im besondern hinweggesetzt haben.
Dieser Zustand kann, so wie die Dinge heute liegen, unmöglich länger andauern. Im Einvernehmen mit dem Bundesrat und der SSS bitten wir Sie daher, sich sofort nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages mit dem Blockadeministerium in Beziehung zu setzen und im Sinne der vorstehenden Ausführungen zu erwirken, dass die Alliierten sich nun endlich mit der sofortigen und restlosen Aufhebung der SSS einverstanden erklären. Es liegt uns natürlich daran, diese Frage in aller Freundschaft mit den Alliierten erledigen zu können. Wir wollen speziell Frankreich keinen Vorwurf daraus machen, dass es die Ausfuhr französischer Waren nach der Schweiz gestattet, ohne sich an die SSS-Formalitäten zu halten. Stellen Sie sich bei Ihren Besprechungen mit den Herren Lebrun, Seydoux usw. vielmehr auf den Standpunkt, die Schweiz erblicke in diesem Verhalten den Beweis dafür, dass die Alliierten von der Unhaltbarkeit des gegenwärtigen Zustandes selbst überzeugt seien und es sich nun nur noch darum handle, im Hinblick auf die Unterzeichnung des Friedensvertrages den letzten Schritt zu tun: Die SSS vollständig und in aller Form ausser Kurs zu setzen.
Wir sind gewiss zu der Annahme berechtigt, dass die Alliierten zufolge unserer Note vom 27. Mai unter sich bereits grundsätzlich bestimmt haben werden, was nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages in Beziehung auf das Schicksal der SSS zu geschehen hat, und dass ein solcher Entscheid nur im Sinne einer sofortigen Aufhebung der SSS lauten kann. Sollte wider alles Erwarten ein derartiger Beschluss noch nicht vorliegen, bzw. noch nicht sofort mitgeteilt werden können, so wollen Sie erklären, die Schweiz betrachte es als selbstverständlich, dass sie nach erfolgter Unterzeichnung des Friedensvertrages und bis zum Eintreffen der formellen Zustimmung der Alliierten für die Aufhebung der SSS ihrem Handel und ihrer Industrie alle Ausfuhrmöglichkeiten gewähre, welche die Alliierten sich selbst schon längere Zeit vor dem Friedensschluss verschafft haben.
P.S. Soeben übermittelt uns die SSS die Kopie eines vom 25. dies datierten Schreibens des Herrn de Reynier,4 welches die erfreuliche Nachricht enthält, dass nach den Äusserungen des Herrn Seydoux die Blockade vollständig aufgehoben werde, sobald der Friedens vertrag unterzeichnet sein wird. Auch die SSS könne dann ohne Verzug liquidiert werden. Wir übermitteln Ihnen eine Abschrift des fraglichen Briefes und bitten Sie, sich noch mit Herrn de Reynier zu besprechen, bevor Sie die offiziellen Schritte beim Blockadeministerium unternehmen.
P.S. Vorstehende Mitteilung wird durch ein heute eingegangenes Telegramm des Herrn de Reynier bestätigt. Es kann nun also offenbar sicher damit gerechnet werden, dass die Entente die sofortige Aufhebung der SSS grundsätzlich bereits beschlossen hat.
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Economic and financial negotiations with the Allies (World War I)