Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-I, doc. 437
volume linkBern 1979
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#103* | |
Dossier title | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 20 (1919–1919) |
dodis.ch/44182
Wie Ihnen schon telegraphisch gemeldet, habe ich Montag den 2. Juni mein Beglaubigungsschreiben dem Herrn Reichspräsidenten Ebert übergeben. Ausser dem Reichspräsidenten waren anwesend als Vertreter des in Versailles abwesenden Reichsministers des Äussern, Herr Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amte, Freiherr Langwerth von Simmern und ferner Herr Geheimrat von Kuhlmann als «Einführer».
Die ganze Zeremonie vollzog sich in einem grossen Salon des Reichsministeriums des Innern, d. h. also in den Räumen, welche früher vom Vizekanzler von Payer bewohnt wurden und jetzt dem Reichspräsidenten als Amtswohnung dienen. Das Zeremoniell war, wie auch seinerzeit beim Kaiser, äusserst einfach und ganz ähnlich wie zur Zeit des frühem Regimes.
Reichspräsident Ebert empfing mich sehr artig und höflich. Wenn ich jedoch einen Vergleich mit dem Empfang durch Kaiser Wilhelm II. ziehe, so muss ich konstatieren, dass der Empfang beim Kaiser herzlicher und gemütlicher war. Wenn ich mich recht erinnere, unterhielt sich der Kaiser im angeregtesten Gespräche wohl 15-20 Minuten mit mir. Diesmal fand eine mehr förmliche sehr kurze Konversation statt, die nach wenigen Minuten durch ein Zeichen des Reichspräsidenten beendigt wurde.
Aus den Worten des Reichspräsidenten ist folgendes hervorzuheben:
Der Reichspräsident gab deutlich seiner Freude darüber Ausdruck, dass die Schweiz ihren Gesandten nun offiziell beglaubigen liess. Er dankte für sich und namens der Regierung nochmals herzlich für alles, was die Schweiz deutschen Gefangenen, Internierten, Kranken und Verwundeten während des Krieges getan hat.
Besonders betonte der Reichspräsident zuhanden des schweizerischen Bundesrates, welch grossen Wert er auf eine möglichst kulante Regelung der Frage der Einreise entlassener deutscher Wehrmänner in die Schweiz (Singen etc.) lege. Ich machte generell auf die Schwierigkeiten, welche damit verbunden sind, aufmerksam. Da mir aber der gegenwärtige Stand der Dinge nicht mehr genauer bekannt ist, wäre ich Ihnen für eine demnächstige diesbezügliche Orientierung sehr dankbar. [...]2 Über die Frage der Gründung einer rheinländischen Republik sind Sie durch die Presse gleicherweise informiert wie wir. Ebenso werden Sie aus der Presse ersehen haben, dass hier alles gespannt darauf wartet, wie sich nun die Entente zu den deutschen Gegenvorschlägen verhalten wird, ohne dass selbstverständlich jemand etwas Genaues sagen kann.
Im Auswärtigen Amte konnte ich in der letzten Zeit nicht viel Neues erfahren; man scheint dort häufig nicht gut orientiert zu sein oder dann nicht aus der Schule schwatzen zu wollen.
Leider fesselte mich die Arbeit derart stark an das Bureau, dass es mir nicht möglich war, durch Besuchsreisen hintenherum Renseignements einzuholen.
Ihrem Aufträge gemäss habe ich versucht, über das Verhältnis des französischen Professors Haguenin zu den hiesigen Kreisen und speziell zur hiesigen Regierung etwas Näheres in Erfahrung zu bringen. Den Eindruck, den ich erhalten habe, kann ich wie folgt zusammenfassen:
Die Mission Haguenin ist eine der vielen Ententemissionen, die Deutschland auskundschaften und über seine internen Verhältnisse berichten sollen. Herr Haguenin gibt seiner Mission persönlich gerne einen halb-diplomatischen Charakter. Nach dem, was ich auf dem Auswärtigen Amte hörte, scheint mir das aber eher etwas übertrieben zu sein.3
- 1
- E 2300 Berlin, Archiv-Nr. 20/1.↩
- 2
- Suit une indication de caractère administratif.↩
- 3
- Remarque manuscrite de F. Calonder en marge de ces deux derniers paragraphes: Confidentiel!.↩