dodis.ch/44164
La Légation de Suisse à
Berlin à la Division des Affaires étrangères du Département politique
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Berlin, 20. Mai 1919 (.Ankunft: 21. Mai)
Dienstag abends. Zunehmende Demonstrationen gegen Unterzeichnung Friedens im ganzen Reich, wobei freilich trotz kommandierter Trauerwoche von durchgreifendem Volksenthusiasmus kaum etwas zu merken ist. Unabhängige Sozialisten machen rege Propaganda gegen? Unterzeichnung mit Begründung, Nichtunterzeichnung würde in einigen Wochen Unterzeichnung mit wahrscheinlich viel härteren Bedingungen unausbleiblich zur Folge haben. Unterzeichnung bedeute nicht Einverständnis mit grausamen Bedingungen, sie erfolge einzig um Aufbau Wirtschaftslebens überhaupt einmal beginnen zu können. Kuriere mit deutschen Gegenvorschlägen gestern nach Versailles abgereist, wo sie Alliierten voraussichtlich Donnerstag überreicht werden sollen. Graf Oberndorff, Mitglied der Waffenstillstandkommission, soeben von Versailles zurückkehrend, erklärte mir, dass «Verhandlungen» Versailles äusserst mühsam und bei Gegenseite lässig und systemlos und uninteressiert seien, und dass man in Versailles und in Berlin mit der Möglichkeit rechne, dass die Alliierten die deutschen Gegenvorschläge ablehnen und kurze Frist zur Unterzeichnung verlangen. In diesem Falle soll Unterzeichnung nach Beschluss Reichsministeriums verweigert werden. Graf Oberndorff hofft dennoch auf Verhandlungen mit mündlichen Aussprachen, was in Anbetracht umfangreichen Materials Unterzeichnung Vorfriedens freilich hinausschieben würde.