dodis.ch/44157
Le Ministre de Suisse à
Berlin, Ph.
Mercier, à la Division des Affaires étrangères du Département politique
1
Berlin, , 18. Mai 1919 (Ankunft: 19. Mai)
Nach Ansicht des schwedischen Gesandten wird Deutschland durch seine äusserste Notlage zur Unterzeichnung des Friedensvertrages geführt. Hierzu würde gegebenenfalls ein aus lauter Mehrheitssozialisten bestehendes Kabinett gebildet, eventuell ein unabhängiges Kabinett, auf welche Möglichkeiten die Parteien schon vorbereitet sind.
Meiner Ansicht nach ist folgendes wahrscheinlicher: Ich hatte soeben mit einem bedeutenden Mitglied der Friedenskommission eine längere Besprechung aus welcher ich den Eindruck gewann, Deutschland werde nächsten Mittwoch den Friedensvorschlag ablehnend beantworten. Man rechnet in Deutschland vorläufig damit, dass Entente-Truppen in Süd-Deutschland, im Ruhr gebiet und in Schlesien einmarschieren, eventuell auch Hamburg besetzen. Eine Besetzung der Kohlengebiete hätte zur Folge, dass der Bahn- und Schiffsverkehr und auch die Elektrizität vieler Wasserversorgungen ausser Betrieb gesetzt werden müssten. Aus Köln vernehme ich aus massgebender Quelle, dass die dort stehenden englischen Truppen auf ersten Befehl hin marschbereit seien. Man löst die lange im Dienst gestandenen kriegsmüden Truppen durch frische sehr schneide junge Leute ab, die gerne weiterhin dienen wollen. Heute soll Poincaré in Köln sein. Es geht die Rede von der Bildung eines Pufferstaates längs des Rheins durch die Entente für den Fall, dass Deutschland es ablehnen würde, den Frieden zu unterzeichnen.