Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-I, doc. 329
volume linkBern 1979
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001B#1000/1503#183* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(B)1000/1503 11 | |
Dossier title | Vorarlberg. Anschlussbestrebungen. Concerne la Departement de l'Economie Publique. (1919–1919) | |
File reference archive | B.14.211.P.21.2 |
dodis.ch/44074
CONSEIL FÉDÉRAL
Proposition du Chef du Département de l’Economie publique1
Proposition du Chef du Département de l’Economie publique1
Wir geben im Nachstehenden eine kurze Begründung der Anträge, die wir in dieser Angelegenheit in der letzten Sitzung des Bundesrates vertreten haben.2
1) Unseres Erachtens ist es nicht angängig, dass der Bundesrat dem Vorarlberg heute mitteilt, er könne die Frage der Vereinigung erst dann prüfen, wenn das Vorarlberg durch eine Volksabstimmung sich ausgesprochen habe. Damit wird dieses Land, wenn es nicht von vornherein auf eine Vereinigung mit der Schweiz verzichten will, veranlasst, eine solche Abstimmung zu provozieren und die Schweiz bringt die dortige Bevölkerung, wenn sie in der Folge zu einem verneinenden Entscheide käme, in eine sehr unangenehme Lage. Noch wichtiger ist aber, dass der Bundesrat tatsächlich die Frage nicht gerade präjudizieren, aber doch seine absolute Freiheit der Entscheidung - keineswegs formell, aber doch tatsächlich - beschränken würde.
2) Nach unserer Auffassung soll der Bundesrat an Hand des ihm bekannten und heute schon zugänglichen Materials zuerst die politischen und wirtschaftlichen Punkte prüfen, die für die Entscheidung der Frage massgebend sind. Gelangt er intern zu einer vorläufigen Bejahung, so mag dem Vorarlberg eine Eröffnung gemacht werden, wie sie oben erwähnt wurde. Gelangt aber der Bundesrat von vornherein zur Verneinung, so sind dann wenigstens keine Hoffnungen erweckt und werden weder hüben noch drüben Enttäuschungen bereitet.
Unter die Fragen, die der Bundesrat unseres Erachtens heute schon überlegen muss und kann, gehören die folgenden:
a) Innerpolitische und ausserpolitische Erwägungen; politische Folgen einer Vereinigung insbesondere auch im Hinblick auf weitere ähnliche Begehren; wahrscheinliche Stellungnahme der romanischen Schweiz in Hinsicht auf eine Vermehrung der deutsch sprechenden Bevölkerung.
b) Militärische Erwägungen; Grenzgestaltung.
c) Schuldenübernahme. Käme der Grundsatz der Staaten-Sukzession zur Anwendung? Würde das Vorarlberg gleichsam belastet mit einem proportionalen Anteil der österreichischen Staatsschuld, der von uns übernommen werden müsste? Wie hoch ist die letztere? Wie würde ein solcher Anteil vermutlich berechnet werden? Wie hoch käme er zu stehen? Könnte er vom Vorarlberg getragen werden? Müsste dieses an die Gläubiger Österreichs eine Abfindungssumme bezahlen? Wie wäre diese aufzubringen, durch Vorarlberg allein oder durch die ganze Schweiz? Wie und unter welchen Bedingungen wäre die Änderung der Valuta zu vollziehen? Müsste den Bewohnern vom Vorarlberg ein Kronenkurs garantiert werden?
d) Hat Vorarlberg als Provinz Österreichs eigene Verpflichtungen? Wenn ja, in welcher Höhe?
e) Wem gehört das Eisenbahnnetz? Welches ist sein Anlagewert? Welches sein Ertrag? Welches sind die verkehrs-politischen Vorteile und Nachteile der Erwägung? Welche Summe könnte für den Loskauf der österreichischen Staatsbahnen in Betracht kommen? Welche anderen staatlichen Einrichtungen bestehen im Vorarlberg, die eventuell zurückgekauft werden müssten?
0 Welches sind die natürlichen Hülfsquellen des Vorarlbergs? Welche Wasserkräfte kommen in Betracht? Wie weit sind sie ausgebeutet?
g) Welches ist die Industrie des Vorarlberg? Ist die Vereinigung vom industriellen und handels-politischen Gesichtspunkte aus wünschenswert? Welches sind die Folgen? Welches ist die Bedeutung der landwirtschaftlichen Produktion?
h) Wie würde sich die Anwendung der in unserer Verfassung niedergelegten kirchenpolitischen Artikel auf Vorarlberg gestalten? Welches ist das dortige Kirchenrecht? Liesse sich eine Einpassung auch in dieser Beziehung in die schweizerischen Verhältnisse und unter Anerkennung unserer verfassungsmässigen Grundsätze leicht ermöglichen?
Man wird uns vielleicht einwenden wollen, man dürfe die Frage der Einverleibung des Vorarlberg nicht allzu realistisch betrachten. Wir sind der Ansicht, dass nur dann die Vereinigung eine glückliche Aktion wäre und von erfreulichen Folgen begleitet sein könnte, wenn die Voraussetzungen für ein erspriessliches Zusammenarbeiten und Zusammenleben, sowohl in ideeller wie in wirtschaftlicher Beziehung, geboten sind. Insbesondere darf die Bedeutung der finanziellen Frage nicht gering eingeschätzt werden. Wir sind der Ansicht, dass man wohl prüfe, bevor man gleichsam eine Verlobung einleitet.
Aus diesen Erwägungen gelangen wir für heute zum Schlüsse:
1) Es sei dem Vorarlberg für einmal mitzuteilen, dass der Bundesrat die Frage der Vereinigung mit der Schweiz prüfe, aber heute noch nicht im Falle sei, sich auszusprechen.
2) Es sei eine vorläufige Prüfung der oben erwähnten Punkte durch die beteiligten Departemente einzuleiten.
Der Rat hat dann in der letzten Sitzung beschlossen, die weitere Behandlung des Traktandums zu verschieben. Wir glauben, eine gewisse Abklärung verschiedener Fragen könnte in relativ kurzer Zeit erreicht werden.
Tags
The Vorarlberg question (1919)