Classement thématique série 1848–1945:
II. LA SUISSE ET LA SOCIÉTÉ DES NATIONS
Également: Propositions de la délégation suisse (faites sous forme d’amendements au projet du 14.2.1919) à la conférence des neutres à Paris. Annexe de
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-I, doc. 306
volume linkBern 1979
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001B#1000/1508#12* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(B)1000/1508 3 | |
Dossier title | Négociations à Paris en février/juin 1919 (1919–1919) | |
File reference archive | B.56.41.01.04 |
dodis.ch/44051
Le Chef du Département politique, F. Calonder, au Conseil fédéral1
BERICHT ÜBER DIE TÄTIGKEIT DER SCHWEIZERISCHEN DELEGATION NACH PARIS ZUR TEILNAHME AN DER KONFERENZ ZUR BESPRECHUNG DES VÖLKERBUNDSPROJEKTES VOM 14. FEBRUAR 19192
1. Nachdem Anfang März bekannt geworden war, dass eine offiziöse Zusammenkunft des Völkerbundskomitees der Pariser Konferenz mit den Neutralen wahrscheinlich in nächster Zeit bevorstehe und von dem amerikanischen Gesandten der Wunsch geäussert worden war, dass die Schweiz ihre Begehren und Wünsche hinsichtlich des Völkerbundes äussere, wurden vom Politischen Departement eine Reihe von Postulaten formuliert, welche der Bundesrat in seiner Sitzung vom 10. März guthiess.
Diese Begehren wurden den Vertretern Frankreichs, Englands, der Vereinigten Staaten und Italiens in Paris offiziös mitgeteilt.
Da dem Politischen Departement mitgeteilt worden war, dass es sich empfehle, formulierte Anträge zu stellen, wurden solche auf Grund der vom Bundesrat angenommenen Postulate ausgearbeitet.
2. Der Bundesrat bezeichnete, nachdem die offiziöse Besprechung mit den Neutralen auf den 20. März 1919 angesagt war, als Vertreter:
Bundesrat Calonder, Chef des Politischen Departements,
Nationalrat A. Frey,
Professor W. E. Rappard,
Professor Max Huber, Rechtskonsulent des Politischen Departements.
Als Sekretär wurde bestimmt Dr. P. Logoz.
Die Delegation begab sich Montag den 17. März nach Paris, ausser Herrn Frey, der am 18. folgte. Herr Rappard befand sich bereits dort.
3. Mittwoch 19. März fanden unter der Leitung des Herrn Bundesrat Calonder zwei Sitzungen mit den Vertretern von Schweden, Norwegen, Dänemark, und Holland statt, an welcher die von der schweizerischen Delegation auf Grund des Bundesratsbeschlusses vom 10. März ausgearbeiteten Anträge besprochen wurden sowie eine Reihe von Anregungen, die von ändern Delegationen gemacht wurden. Es ergab sich eine weitgehende Übereinstimmung der Auffassungen, namentlich in Bezug auf zwei Hauptpunkte:
a. Einschränkung der Befugnisse des wesentlich nach politischen Gesichtspunkten zusammengesetzten Exekutivrates zu Gunsten von Vermittlungsämtern und Schiedsgerichten, die erhöhte Garantien der Unparteilichkeit bieten.
b. Beschränkung und genauere Präzisierung der den Nicht-Grossmächten aus dem Völkerbund im Falle von Bundesexekutionen erwachsenden Verpflichtungen.
Am Donnerstag den 19. [! besuchten die Vertreter von Spanien und Argentinien Herrn Bundesrat Calonder.
Die Sitzungen im Hotel Crillon, in denen den Neutralen in offiziöser Form Gelegenheit geboten war, dem vom Völkerbundskomitee bestellten Ausschuss (Lord Cecil, Col. House, Bourgeois, Hymans, Vesnitch, Venizelos) ihre Ansichten darzulegen und Anträge zu stellen, fanden am 20. und 21. März statt und dauerten jeweilen ca. drei Stunden. Den Vorsitz führte Lord Cecil. Dreizehn neutrale Staaten waren vertreten.
Die Anträge wurden in der Reihenfolge des Pariser Entwurfes vom 14. Februar 1919 behandelt und jeweilen kurz begründet. Obwohl eine eigentliche Diskussion nicht stattfand, gaben der Vorsitzende und zum Teil andere Mitglieder des Ausschusses doch eine Reihe von wichtigen Aufschlüssen über das Pariser Projekt.3
Die Art der Behandlung der Geschäfte hatte in keiner Weise etwas für die Neutralen Demütigendes; man hatte den Eindruck, dass von Seiten der Konferenz nicht bloss einer Formalität Genüge geleistet werden wollte. Andererseits gab der Vorsitzende zu erkennen, dass Vieles von dem, was den Gegenstand der Anregungen der Neutralen bildete, bereits eingehend in der Kommission besprochen worden war, und dass man nach reiflicher Überlegung davon absah, die betreffenden Materien in dem vorgeschlagenen Sinne zu regeln.
Die Aussicht, dass die neutralen Anträge in dem redividierten Entwurf Aufnahme finden, ist nicht gross, dagegen finden sie vielleicht später mehr Beachtung, da die Verfasser des Pariser-Projektes das Meiste vom Ausbau der nur in ihren Hauptlinien festgelegten Organisation erwarten.
5. [! Die gemäss den Desiderata des Bundesrates ausgearbeiteten Anträge der schweizerischen Delegation betrafen im Wesentlichen:
a). Präzisierung und Erweiterung der Befugnisse der Delegiertenversammlung, an welcher alle Staaten mit gleichem Stimmrecht beteiligt sind. (Art. 3).
b). Positive Feststellung der Voraussetzungen, unter denen neue Staaten zugelassen werden sollen. (Art. VII).
c.) Ausbau der friedlichen Streiterledigungsmittel im Sinne des schweizerischen Vor-Entwurfs, wonach an den Exekutivrat Streitigkeiten erst dann gelangen, wenn sie:
weder durch seitens der Parteien gebildete Vergleichskommissionen (Art. XII)
noch durch Schiedsgerichte oder sonstige internationale Gerichte beigelegt werden können. Über die Zulässigkeit des Gerichtsweges entscheidet ein Konfliktshof.
d.) Organisation eines Ständigen Internationalen Gerichtshofes unter Wahrung der Gleichheit der Staaten. (Art. XIV).
e.) Ausdrückliche Feststellung, dass der Völkerbund sich nicht in die inneren Angelegenheiten seiner Glieder einmischt. (Art. XVIII bis).
f.) Abklärung der Grenzen der Vertragsrevision und der Kündbarkeit. (Art. XXVI).
Die schweizerische Delegation war allein in der Lage, der Konferenz ihre Anträge gedruckt vorzulegen4, und es kann angenommen werden, dass ihre sorgfältige Vorbereitung einen günstigen Eindruck gemacht hat.
6. Die Frage der Neutralität wurde von der schweizerischen Delegation mit Rücksicht auf die Frage des Sitzes und in Anbetracht der bereits im Memorandum vom 8. Februar 19195 gegebenen Erklärung zunächst nicht berührt. Als aber die dänische Delegation das Problem zur Sprache brachte, präzisierte Herr Bundesrat Calonder den schweizerischen Standpunkt im Sinne des Bundesratsbeschlusses vom 10. März Ziff. 2.6
Die Erklärung, dass in den Völkerbundskriegen die Neutralität sich auf blosse Enthaltung von militärischen Massnahmen beschränken könnte, aber Solidarität mit dem Völkerbund in den wirtschaftlichen Massnahmen gestatte, schien bei den Mitgliedern des Ausschusses Eindruck zu machen und eine wesentliche Annäherung an den Standpunkt der Verfasser des Pariser-Entwurfs zu bedeuten.
Die Frage des Durchzuges (Art. XVI Abs. 3) wurde vom Ausschuss nicht abgeklärt; spätere Besprechungen mit den britischen, amerikanischen und französischen Vertretern ergaben, dass auf das Durchzugsrecht grosses Gewicht gelegt wird.
Eine wichtige Erklärung des Vorsitzenden war die, dass der Vertrag so auszulegen sei, dass kein Staat zur Teilnahme an militärischen Unternehmungen im Sinne von Art. XVI Abs. 2, gezwungen werden könne, der nicht im Exekutivrat oder in der Delegiertenversammlung für solche gestimmt hat. Es soll dies in der neuen Redaktion des Vertrages präzisiert werden.
7. Am Schluss der Sitzung erklärte der Vorsitzende, dass alle zu der Aussprache geladenen Neutralen sich ohne Weiteres dem Völkerbund anschliessen können, d. h. zu dem nach Art. VII in dem Zusatzprotokoll zu erwähnenden Staaten gehören. Der Anschluss der Neutralen wird nach den Worten Lord Cecils gewünscht; das Fernbleiben von dem Friedenswerk, das durch den Völkerbund begründet werden soll, würde als Gleichgültigkeit gegenüber den von den Begründern des Bundes verfolgten Friedenstendenzen gedeutet.
Die in Art. XX-XXIII vorgesehenen wirtschaftlichen Abkommen sind für die Staaten des Völkerbundes gedacht und die dem letztem fernbleibenden Länder würden sich nach unserer Meinung der mit diesem Abkommen verbundenen Vorteile berauben, jedenfalls keinen rechtlichen Anspruch auf Anschluss an diese Abkommen haben.
Aus der von den Neutralen in der Kommission eingenommenen Haltung und namentlich auch aus mit neutralen Delegierten gepflogenen Besprechungen ging hervor, dass diese Staaten fast ausnahmslos geneigt sind, sich dem Völkerbund anzuschliessen.
8. Die Sitzfrage wurde in den Besprechungen mit den Neutralen und in der Konferenz mit keinem Wort berührt.
Nachdem bekannt geworden, dass Belgien und Holland förmliche Anerbieten gemacht, richtete Herr Bundesrat Calonder in seiner Eigenschaft als Chef des Politischen Departements unterm 22. März identische Noten an Clemenceau, Präsidenten der Friedenskonferenz, Vorsitzenden des Völkerbundskomitees7, in denen er den Wunsch der Schweiz, den Sitz des Völkerbundes zu beherbergen, zum Ausdruck brachte. Die Frage der Neutralität wurde in der Note nicht berührt.
Es ist möglich, dass die Frage der Unverletzlichkeit des Gebietes speziell im Zusammenhang mit der Sitzfrage geprüft werden wird. Der Sitz hätte deshalb für die Schweiz auch unter dem Gesichtspunkt der Neutralität ein besonderes Interesse.
9. Was speziell die schweizerische Neutralität im Völkerbunde anbelangt, so erscheint es sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, das Institut der Neutralität im Völkerbunde für alle Fälle auf Grund einer allgemeinen Bestimmung zur Anerkennung zu bringen. Wenn eine grössere Zahl von Staaten Exemption von allen militärischen Massnahmen verlangen könnte, so wäre zu fürchten, dass die Widerstandskraft des Bundes gegen einen fehlbaren Staat zu gering wäre. Eher möglich ist die Einräumung einer Sonderstellung zu Gunsten der Schweiz mit Rücksicht auf ihre ganz besondere militärische Lage oder wegen des Roten Kreuzes oder gegebenenfalls, wenn sie den Sitz des Bundes erhält.
In erster Linie ist zu betonen, dass die mit der Neutralität schwer oder nicht zu vereinbarenden Pflichten, welche der Völkerbund seinen Gliedern auferlegen will, nur in denjenigen Kriegen zur Geltung kommen sollen, welche der Völkerbund gegen solche Staaten führt, die unter Verletzung von Art. XII zu den Waffen greifen. (Angriffskriege ohne Beachtung der Mittel friedlicher Schlichtung und der bezüglichen Fristen; Kriege im Widerspruch zu einstimmigen Vorschlägen des Völkerbundes). In diesen Fällen handelt es sich im Grunde weniger um einen Krieg unter gleichwertigen Parteien als um eine gemeinschaftliche polizeiliche Abwehr eines internationalen Verbrechers. Wo aber diese Voraussetzungen nicht zutreffen, gilt das bisherige Völkerrecht und damit auch die bisherige Neutralität; es besteht dann eben keine Solidarität der Staaten des Völkerbundes gegenüber der einen Kriegspartei. Im Hinblick auf solche Kriege können reine Defensivallianzen als mit dem Völkerbund vereinbar erscheinen; der normale Zustand wäre aber vielmehr für die unbeteiligten Staaten gerade prinzipielle Neutralität. Zu den vom Völkerbund tolerierten Kriegen gehören auch die Kriege mit Nicht-Gliedstaaten oder unter solchen, sofern nicht die nach Art. XVII vom Völkerbund diesen Nicht-Gliedstaaten auferlegten Pflichten des Art. XII verletzt werden. In letzterem Falle hat der Ungehorsam ebenfalls die gemeinsame Repression zur Folge. Gegen Staaten, welche die Bundespflichten von Art. XII verletzten, werden folgende Massnahmen in Betracht gezogen:
a. wirtschaftliche Sperre, die automatisch eintritt. Darüber, dass sich die Glieder des Bundes der Teilnahme an dieser Massregel nicht entziehen können, scheint keine Meinungsverschiedenheit zu bestehen. Es geht auch aus Art. XVI hervor, dass der Boycott auch auf solche Staaten ausgedehnt würde, welche als Neutrale den Verkehr mit dem Rechtsbrecher aufrechterhalten wollen.
Wirtschaftliche Absperrung bedeutet nicht Aufgabe der Neutralität, da diese wesentlich ein militärisches Verhältnis ist und wirtschaftliche Repressalien auch ohne Krieg möglich sind.
b. Eventuell militärische Massnahmen, sofern diese zur Abwehr oder zur Bezwingung des Rechtsbrechers nötig sind. Da die Teilnahme an solchen militärischen Unternehmungen keinem Staat vorgeschrieben werden können, berühren sie die Neutralität nicht. Immerhin erhöht die Mitwirkung bei der wirtschaftlichen Absperrung auch für militärisch neutrale Staaten die Gefahr in den Krieg hineingezogen zu werden.
c. Gegenseitige Hilfe der Völkerbundsstaaten. Diese ist, soweit sie die wirtschaftliche Aushilfe im Wirtschaftskriege betrifft, mit Neutralität wohl vereinbar, dagegen ist die Einräumung eines Durchzugsrechtes zu Gunsten der Truppen der Bundesglieder nicht möglich bei Behauptung militärischer Neutralität. Die blosse Wahrscheinlichkeit, dass von einem solchen Recht Gebrauch gemacht werden könnte, würde den Staat, der es zu gewähren hätte, der Invasion aussetzen. Je nach der strategischen Lage eines Staates ist die Gewährung des Durchzuges unbedenklich oder höchst gefährlich. Da, wo der Durchzug durch die Schweiz von Wichtigkeit wäre, würde er auch die Schweiz fast unvermeidlich zum Kriegsschauplatz machen. Die Befreiung der Schweiz von diesen Rechten des Völkerbundes ist deshalb von kapitaler Bedeutung; die Einräumung des Rechts käme praktisch und rechtlich auf Preisgabe der Neutralität hinaus.
Es soll um die Beseitigung dieser gefährlichen Verpflichtung für die Schweiz zu erreichen, ein strategisches Gutachten ausgearbeitet werden zum Nachweis, dass auch in den Völkerbundskriegen das 1815 bejahte allgemeine Interesse an der Aufrechterhaltung der immerwährenden Neutralität besteht. Dieser Standpunkt wäre gegebenenfalls durch eine besondere Militärmission zu vertreten.
10. Die Frage ob der Völkerbundsvertrag durch einen Verfassungsartikel zu ratifizieren ist, hängt wesentlich von dessen Inhalt ab. Sofern mit dem Beitritt zum Völkerbund die Aufgabe der Neutralität verbunden ist, handelt es sich um einen Schritt von derartiger Tragweite - wegen der damit verbundenen Änderung unserer auswärtigen Politik -, dass dem Volke Gelegenheit gegeben werden sollte, sich auszusprechen.
Sofern ein Kündigungsrecht nicht eingeräumt wird, würde die Möglichkeit der Vertragsrevision durch eine qualifizierte Mehrheit (Art. XXVI) eine dauernde Beschränkung der Souveränität der im Exekutivrat nicht ständig vertretenen Staaten zur Folge haben. Eine Verfassungsabstimmung wäre in diesem Falle unvermeidlich.
Die Verfassungsbestimmungen über die Wehrpflicht würden zunächst von dem Völkerbundsvertrag (Art. VIII) nicht berührt, da jeder Staat darüber zu entscheiden hat, ob er die ihm vom Exekutivrat vorzuschlagende Maximierung seiner Rüstungen definitiv annehmen will.
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