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Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 7-I, Dok. 204
volume linkBern 1979
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
Signatur | CH-BAR#E7350#1000/1104#4* | |
Dossiertitel | Frankreich (1914–1918) | |
Aktenzeichen Archiv | 1 |
dodis.ch/43949 Le Chef du Département de l'Economie publique, E. Schulthess, aux Délégués du Conseil fédéral pour les Questions économiques et industrielles, H. Heer et H. Grobet-Roussy1
Wie wir Ihnen soeben telegraphierten,2 hatte der Unterzeichnete heute mit Botschafter Dutasta, der sich zum Besuche anmeldete, eine kurze, aber sehr befriedigend verlaufene Besprechung. Herr Datasta hatte offenbar von Ihrem Briefe Kenntnis erhalten, da er vor seiner Abreise Seydoux noch gesehen zu haben scheint. Er hatte die Idee - und wahrscheinlich auch Herr Seydoux - dass Sie sich an die Engländer gewendet hätten, um eine Reduktion des Kohlenpreises zu erreichen. Ich erklärte ihm, dass dies vollständig unrichtig sei. Wir hätten mit den Engländern nur über Kohle gesprochen, die wir aus dem Königreich zu beziehen wünschen. Herr Dutasta scheint aber entweder zu ahnen oder zu wissen, wahrscheinlich aber zu wissen, dass hinter Ihrer Mitteilung die Engländer stehen, und ich habe ihm das dann schliesslich zugegeben und beigefügt, dass Sie sich in einer sehr schwierigen Situation befunden hätten. Er erklärte mir, dass er die Lage durchaus begreife und den besten Willen habe zu helfen, und dass wegen dieser Angelegenheit weder für den Herrn Minister noch für einen der beiden ändern Delegierten irgend eine Unannehmlichkeit sich ergebe. Er kenne ja die Gefühle und Sympathien der Herren sehr genau, finde aber, sie hätten nicht gerade ganz glücklich operiert. Diese Angelegenheit gehöre nun aber der Vergangenheit an und es werde gar nichts davon Zurückbleiben. Herr Dutasta versprach mir, er werde sofort für die Wiederaufnahme der Verhandlungen sorgen und mit Herrn Seydoux Rücksprache nehmen. Es wird jedenfalls gut sein, wenn Sie Herrn Dutasta, der Dienstag von hier wieder verreist, so rasch wie möglich in Paris aufsuchen.
Was die S.S.S.-Erleichterungen betrifft, so glaubt Herr Dutasta, bis spätestens Mitte März werden die neuen definitiven Waffenstillstandsbedingungen, die im wesentlichen auf die vollständige Entwaffnung Deutschlands hinausgingen, akzeptiert sein, und dann bestehe seines Erachtens kein Grund mehr, um nicht den Blockus zu lockern und die S.S.S.-Bestimmungen zu mildern. Er fügte auch bei, dass die Alliierten für die Ernährung Deutschlands sorgen werden.Was die Kohle betrifft, so sei noch beigefügt, dass Herr Dutasta geltend macht, die Engländer erklärten, man dürfe der Schweiz die Kohle nicht billiger liefern als sie den Norwegern abgegeben werde, so dass der Preis evtl. eine Erhöhung erleiden würde. Als ich ihm von tschecho-slowakischen Kohlebezügen sprach, meinte er: «Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, kaufen Sie Kohle so rasch und so viel Sie können; denn die Kohlenversorgung ist sehr schwierig und würde noch schwieriger, wenn beispielsweise in England die Kohlengruben ihren Betrieb 4-6 Wochen einstellen müssten.»
Herr Prof. Rappard schreibt uns, dass er mit McCormick über die Erwerbung der deutschen Baumwolle gesprochen habe, und dass die Amerikaner sich wohl mit der Erwerbung der Baumwolle, nicht aber mit der Verwendung des Zahlungspreises zur Deckung deutscher Schulden in der Schweiz einverstanden erklären. Wir haben auch hierüber mit dem Botschafter gesprochen, der bestätigte, dass Frankreich und England auch bezüglich Verwendung des Kaufpreises keine Schwierigkeiten gemacht hätten. Er versprach mir, sich auch dieser Angelegenheit anzunehmen, und wir bitten auch Sie, doch von neuem auch mit den Amerikanern Rücksprache zu nehmen, denn wie Herr Dutasta, so können auch wir nicht verstehen, dass die Amerikaner nunmehr uns zumuten würden, den Kaufpreis für in der Schweiz liegende Baumwolle zu Händen der Alliierten zu deponieren, während Deutschland einverstanden ist, dass diese Summe für die Bezahlung deutscher Schulden in der Schweiz verwendet werde. Dabei ist immer zu beachten, dass der Hauptteil dieser Baumwolle deutschen Privaten gehört, und dass auch die Guthaben an Deutschland nicht solche des schweizerischen Staates, noch Verpflichtungen des deutschen Staates sind, sondern dass es sich um Guthaben schweizerischer Finanzgruppen an deutsche finanzielle und industrielle Organisationen resp. Firmen handelt. Die Alliierten können nun doch offenbar nicht auf das Privatvermögen von Deutschen in der Schweiz greifen wollen, indem sie uns hindern, auf Grund freier Übereinkunft mit Deutschland uns für unsere Guthaben zu decken.
Wir verdanken Ihnen noch Ihre soeben eingetroffenen Berichte vom 21. Februar, die uns zu weiteren Bemerkungen nicht Veranlassung geben.
Wir glauben, dass wir nun den Zwischenfall als erledigt betrachten können, und zweifellos wird die Sache auch diskret behandelt, so dass irgend eine Erörterung mit den Engländern über die ganze Angelegenheit nicht zu fürchten ist.
Wir bitten Sie sehr, sich durch Ihre grossen Schwierigkeiten nicht entmutigen zu lassen, und sind Ihnen für Ihre hingebungsvolle Arbeit und Ihre viele Mühe stets dankbar.
Tags
Wirtschafts- und Finanzverhandlungen mit den Alliierten (Erster Weltkrieg)