Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-I, doc. 198
volume linkBern 1979
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E7350#1000/1104#4* | |
Dossier title | Frankreich (1914–1918) | |
File reference archive | 1 |
dodis.ch/43943 Le Chef du Département de l’Economie publique, E. Schulthess, au Ministre de Suisse à Paris, A. Dunant, et aux Délégués du Conseil fédéral pour les Questions économiques et industrielles, H. Heer et H.Grobet-Roussy1
Von Ihrem Verhandlungsberichte Nummer 2 vom 19. Februar2 haben wir mit grossem Interesse Kenntnis genommen und Ihnen darauf bereits gestern dringend telegraphiert3.
Wir haben die Angelegenheit sofort der Delegation für auswärtige Angelegenheiten unterbreitet und was wir Ihnen in der Folge schreiben, wollen Sie als Ansicht der Delegation betrachten.
Der Zwischenfall ist ein sehr bedauerlicher, und wir fürchten, dass er für die Schweiz von grosser Bedeutung werden und sehr unangenehme Konsequenzen haben kann. Wir sind selbstverständlich mit Ihnen darüber einig, dass die Schweiz absolut korrekt gehandelt hat, indem sie mit Frankreich bezüglich des Kohlenbezuges aus der Saar verhandelte. Überhaupt hat Frankreich von sich aus zweimal, zunächst in Beziehung auf die 36’000 Tonnen und nachher in Beziehung auf die 60’000 Tonnen, Erklärungen abgegeben.
Dagegen haben wir Bedenken, dass Sie auf den Wunsch des Herrn Waterloo eingetreten sind. Unseres Erachtens hätte Herr Dunant zunächst mit dem englischen Botschafter sprechen sollen, um von ihm die Erlaubnis zu erwirken, die englische Mitteilung an Frankreich weiterzugeben, und evtl. hätte man sogar den Engländern erklären sollen, wir können von uns aus die Verhandlungen mit Frankreich, welches wir als den Beauftragten der Alliierten betrachtet hätten, nicht abbrechen.
Ganz speziell aber haben wir Bedenken deswegen, weil in dem Brief an Herrn Seydoux Bezug genommen wird auf eine deutsche Mitteilung, indem ja - wie sie wissen - die Alliierten, und ganz speziell Frankreich, furchtbar empfindlich sind, wenn man von Deutschland überhaupt nur spricht und man uns nun wohl vorwerfen wird, wir lassen uns sogar heute noch von Deutschland einschüchtern. Da Sie nun Herrn Seydoux mitteilten, Sie hätten eine bezügliche Instruktion Ihrer Regierung bekommen - was ja nicht zutrifft -, so fällt die Verantwortlichkeit von dem ganzen Akt auf uns und dürfte dem Bundesrat und der Schweiz, wenn auch durchaus mit Unrecht, als eine Unfreundlichkeit ausgelegt werden, die die Verhandlungen mit Frankreich beeinflussen wird. Ob es gelingt, diese Wirkung durch eine eventuelle aktive Unterstützung Englands und Amerikas zu paralysieren, bleibe dahingestellt.
Wir anerkennen sehr gerne, dass Sie sich in einer äusserst heiklen Lage befunden haben und sind Ihnen ja nur zu Dank verpflichtet, dass Sie in dieser Situation die Interessen der Schweiz so energisch und hingebungsvoll vertreten; allein wir können Ihnen nicht verhehlen, dass in der Kommission, speziell auch vom Herrn Bundespräsidenten, die Meinung geäussert wurde, Sie sollten Frankreich klipp und klar sagen, wie die Dinge seien und anerkennen, dass eine Instruktion nicht vorliegt, sondern dass Sie unter englischem Einfluss gehandelt hätten. Herr Ador meinte, Herr Dunant, der ja mit Herrn Seydoux speziell befreundet sei, dürfte sich in der Lage befinden, die Sache in Ordnung zu bringen und mit Herrn Seydoux mehr persönlich zu sprechen. Es ist für uns sehr schwierig, die Frage hier auf Distanz zu beurteilen und zu lösen, vorab weil wir nicht wissen, wie ein solches Vorgehen auf England wirken würde, und sodann, weil wir eine Desavouierung aus nahe liegenden Gründen vermeiden möchten. Deshalb haben wir Ihnen für einmal unsere Ansichten telegraphiert, um nun von Ihnen zu hören, wie Ihres Erachtens die Sache wieder ins Geleise gebracht werden könnte. Wenn nur die ganze Angelegenheit nicht zur Folge hat, dass der gute Wille Frankreichs für Lieferung von Kohle vernichtet wird und uns entweder keine Kohle mehr abgetreten wird, oder die Spedition durch Elsass-Lothringen leidet.
Wir nehmen die Rechtsverwahrung Deutschlands, die wir Ihnen bereits mitgeteilt, und über die wir uns, wenn wir nicht irren, auch hier schon äusserten, gar nicht tragisch. Die Franzosen nehmen jene Kohlen der Zeche eigentlich weg und schicken sie uns. Ein eventueller Streit müsste also zwischen Frankreich und Deutschland ausgemacht werden.
Der ganze Zwischenfall zeigt auch, dass offenbar die Beziehungen zwischen den Alliierten nicht sehr intime sind, denn eine Kohlensperre seitens Englands gegen Frankreich ist doch eine Massregel von eminenter Tragweite, auch wenn sie nur ganz kurze Zeit dauert, und wir fürchten, dass sie evtl. mit einer Einstellung der Saarlieferungen an die Schweiz beantwortet wird.
Ihren Wunsch, Frankreich nach und nach dazu zu bringen, seine Einschüchterungsversuche gegenüber uns einzustellen und uns überhaupt würdiger zu behandeln, teilen wir durchaus, aber wir fürchten, wie schon betont - und dafür spricht eigentlich auch Ihre Mitteilung -, dass der Brief die Franzosen wegen der Berufung auf Deutschland speziell sehr verletzt hat.
Wir hoffen, dass es Ihnen gelingen werde, die Angelegenheit zu einem guten Ende zu bringen und den Zwischenfall freundschaftlich zu erledigen. Sie wissen ja wohl, dass Sie trotz der Meinungsverschiedenheit über dieses Vorgehen unser ganzes Vertrauen besitzen, und es haben wohl auch noch Gründe bei Ihrer Entschliessung mitgewirkt, die wir hier nicht im vollen Umfange würdigen können. In Zukunft bitten wir Sie, in ähnlichen Situationen zunächst unsere Weisungen einzuholen.
- 1
- Lettre: EVD Zentrale no 1123. Englisch-französischer Zwischenfall betr. Kohle. Paraphe: KW.↩
- 2
- Cf. no 191.↩
- 3
- Ce télégramme modifié no 43 du 21 février 1919 indiquait en substance les mêmes directives que cette lettre-ci. Citons toutefois l’alinéa deux dudit télégramme: [...] Wir raten den Delegierten I Heer et Grobet-Roussy/, Versuch zu machen, Angelegenheit ins Gleis zu bringen und wären selbst mit der [Mitteilung]des wirklichen Sachverhalts an französische Regierung einverstanden. [...] ( E2200 Paris 1/1551).↩
Tags
Economic and financial negotiations with the Allies (World War I)