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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 7-I, doc. 191
volume linkBern 1979
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
Cote d'archives | CH-BAR#E7350#1000/1104#4* | |
Titre du dossier | Frankreich (1914–1918) | |
Référence archives | 1 |
dodis.ch/43936
Les Délégués du Conseil fédéral pour les Questions économiques et industrielles, H. Heer et H. Grobet-Roussy, au Chef du Département de l’Economie publique, E. Schulthess1
Seit Abgang des Berichtes No. 1 vom 17. Febr.2 ist die Waffenstillstandsverlängerung beidseitig unterzeichnet worden, ohne dass die Besetzung des Ruhrgebietes in Frage gekommen wäre. Selbstverständlich werden wir nun diese Frage überhaupt nicht aufwerfen. Dagegen hat das Kohlenabkommen mit Frankreich zu Weiterungen geführt, welche gegenwärtig zu einer akuten Meinungsverschiedenheit sich ausgewachsen haben. Wir haben darüber folgendes zu berichten:
Montag, 17. crt. erhielt Herr Grobet die schriftliche Aufforderung von M. Waterloo, auf der englischen Botschaft eine Mitteilung entgegenzunehmen. M. Waterloo teilte Herrn Grobet mit, dass die englische Regierung erstaunt sei über die Verhandlungen, welche die Schweiz ohne Begrüssung der Alliierten mit Frankreich allein führe hinsichtlich der Kohlenversorgung. Ferner wiederholte er die mir s. Z. von Craigie gemachte Bemerkung, dass, wenn Frankreich von uns neue Kredite erhalte, England selbstverständlich sich auch wieder melden müsse.
Bezüglich der Kohlenfrage nehme England den Standpunkt ein, dass, weil dieselben nicht aus Elsass-Lothringen, sondern aus dem von den Alliierten besetzten linksrheinischen Gebiet, wozu auch die Saar gehöre, herstamme, England und Amerika verlangen müssen, dass die Verhandlungen mit allen Alliierten zusammen geführt werden.
Wir antworteten folgendes: Die Einzelverhandlungen mit Frankreich sind das Ergebnis des Washingtoner Agreements vom 22. Januar. Artikel IX, X & XII verpflichten die Schweiz, innerhalb 30 Tagen nach Unterzeichnung des Agreements mit Frankreich in Paris Abmachungen zu treffen bezüglich neuer Kredite (Art. IX) und Lieferung von Vieh (Art.X). (Wir konnten uns vorgestern beim Ministerium für Auswärtiges Frankreichs eine Copie des am 22. Januar Unterzeichneten definitiven Agreements verschaffen.)
M. Waterloo konnten wir eine Copie der betreffenden Artikel überreichen, worauf er zugab, dieses Agreement noch nicht zu Gesicht bekommen zu haben. Er anerkannte auch sofort, dass die Schweiz absolut korrekt vorgegangen sei und insistierte nicht mehr auf die Frage der Kredite.
Bezüglich der Kohle erklärten wir ihm, dass, als wir mit Frankreich uns vor 14 Tagen an den Tisch setzten, die französische Regierung die Kohlenfrage in aller erster Linie behandelt wissen wollte und uns ihre Vorschläge in allen Einzelheiten zur Kenntnis brachte. Die Schweizer Delegierten hätten daher annehmen müssen,
dass Frankreich seine Vorschläge vorher mit den Alliierten ins Reine gebracht habe, weshalb auch in dieser Angelegenheit die bona ßdes und die Korrektheit des
M. Waterloo erklärte sodann, dass er unbedingt verlangen müsse, gemäss den
Instruktionen seiner Regierung, dass wir die Verhandlungen mit Frankreich hinsichtlich der Kohle nur in Gegenwart der Delegierten der Alliierten fortsetzen.
Wir baten M. Waterloo hierauf, uns zu gestatten, das Gespräch mit ihm M. Seydoux, Direktor des Blocus, mitzuteilen, weil wir sofort nach unserer Rückkehr aus Bern M. Seydoux mitgeteilt hätten, wir seien nun zu weitern Verhandlungen bereit, so dass wir gezwungen seien, einen Grund für unser verändertes Auftreten anzugeben. M. Waterloo bestand aber darauf, dass wir den von ihm geäusserten
Grund nicht verwenden dürften, sondern selbst einen eigenen Ausweg finden
müssen, um zum Ziele zu gelangen. Er sei aber damit einverstanden, dass wir gemäss dem Washingtoner Agreement über die Einfuhrkontingente, weil sie mit der Kreditfrage im Zusammenhang seien, sowie über die Vieheinfuhr allein mit
Frankreich weiter verhandeln. Wir hätten also nur für die Kohle und evtl. für
Eisen und Stahl Lostrennung von Einzelabkommen zu verlangen. Damit endigte diese Besprechung. - Nach eingehender Prüfung der Lage kamen wir dahin überein, die deutsche Note (Aide-mémoire vom 4. Febr.)3 betreffend die Kohlenzahlungen dazu zu benutzen, um diese Frage aus den Einzelverhandlungen mit
Frankreich heraus vor das Forum der Alliierten zu bringen.
Unsere Situation vis-à-vis von Frankreich hatte sich seit Sonntag wie folgt entwickelt:
Nachdem wir am Samstag das schweizerische Projekt für ein Abkommen mit Frankreich an Hand der in Bern eingeholten Instruktionen ausgearbeitet hatten, sandten wir Sonntag Abend Herrn Seydoux einen Brief, worin wir ihm unsere Rückkehr anzeigten und den Wunsch ausdrückten, die Conversationen wieder aufzunehmen. M. Seydoux scheint ungeduldig unsere Rückkehr erwartet zu haben, denn Montag Vormittag schon erhielten wir telephonischen Bericht, dass am Nachmittag einer seiner Chefs zu uns kommen werde, um weitere Abmachungen bezüglich der notwendigen Besprechungen zu treffen. Wir mussten diesen Herrn, welcher 2 Stunden nach unserer Besprechung mit M. Waterloo eintraf, mit dem Bescheid entlassen, dass wir infolge von Nachrichten, welche wir am Vormittag erhalten hätten, gezwungen seien, noch um eine kurze Überlegungsfrist bezüglich unseres weitern Verhaltens zu bitten. Er war natürlich etwas erstaunt, weshalb wir ihm versprachen, bis spätestens Dienstag Abend das Rätsel aufzuklären.
Wir hatten dann noch eine zweite Besprechung mit M. Waterloo, weil wir nichts unversucht lassen wollten, um England selbst dazu zu bringen, die Verhandlungen mit den Alliierten anzuregen. M. Waterloo erklärte uns aber klipp und klar, dass England deswegen nichts tun könne, weil schon seit 10 Tagen eine Note der britischen Regierung beim französischen Ministerium des Auswärtigen in eben dieser Frage hängig sei, ohne dass bis jetzt eine Antwort erfolgt sei. Die englische Botschaft könne daher vorläufig keinen neuen Schritt unternehmen. Zu unserer Überraschung teilte er uns dann noch mit (confidentiell), dass er soeben von seiner Regierung die Mitteilung erhalten habe, dass England gegenüber Frankreich vom 18. ab eine Kohlensperre erlassen werde, bis Frankreich in den Wunsch Englands eingewilligt haben werde, die Kohlenverhandlungen mit der Schweiz vor das Forum der Alliierten zu bringen!!!
Daraufhin entschlossen wir uns nun, nachfolgendes Schreiben abgehen zu lassen:
Schreiben an M. Seydoux:
Monsieur le Directeur,
«Faisant suite à notre lettre du 16 et. et à la visite que M. Alicot a bien voulu nous faire hier après-midi, nous vous serions très reconnaissants de bien vouloir nous préparer des entrevues avec les Ministères intéressés aux questions suivantes: finances, bétail, contingents d’importation en France, au sujet desquelles nous sommes prêts à continuer la conversation commencée avant notre départ pour Berne.
En ce qui concerne les charbons, auxquels s’ajouteront très probablement le fer et l’acier venant du bassin rhénan, il nous serait très agréable que les négociations à ce sujet aient lieu avec les Alliés ensemble et non pas avec la France seule, ceci par le fait de la situation nouvelle créée par une note remise par l’Allemagne au Conseil fédéral et dont vous trouverez ci-joint une traduction.
Tout le bassin Rhénan étant occupé par les différents corps de troupes alliés, notre Gouvernement nous donne comme instruction de vous présenter la demande de discuter cette question en présence des délégués alliés.
Vous nous obligeriez infiniment en faisant le nécessaire pour que les négociations concernant l’accord général avec les Alliés puissent commencer sans retard afin qu’elles soient terminées assez tôt pour nous permettre de signer l’accord spécial franco-suisse.
Nous vous remercions pour votre grande obligeance et vous présentons...»
Zu vorstehendem Briefe machen wir noch folgende Bemerkung: Im französischen Projekt ist bezüglich der Saarkohlen vorgesehen, dass dieselben an den Service financier de l’Ambassade de Berne zu zahlen seien, offenbar in der Meinung, dass das Saargebiet seitens Frankreich in ein anderes Verhältnis hinsichtlich der Besetzung gebracht werden sollte als das übrige linksrheinische Gebiet. Diese Auffassung scheint aber von den übrigen Alliierten nicht geteilt zu werden. Sollte daher später Deutschland seine Rechtsansprüche hinsichtlich der Zahlung bei der Schweiz anhängig machen, so wären die übrigen Alliierten im Stande, die Schweiz sitzen zu lassen, unter Hinweis darauf, dass sie die Frage, welche die deutsche Note aufwirft, nicht allen Alliierten vorgelegt habe. Das Vorgehen Englands zeigte zwingend, dass die Schweiz ihre Interessen nur wahren könne, wenn sie sich von sämtlichen Alliierten hinsichtlich der Zahlungen an Frankreich die nötige Rückendeckung beschaffe. Herr Minister Dunant, Herr Grobet und ich waren sofort darüber einig, dass nur in dieser Form dem Wunsche Englands seitens der Schweiz in einwandfreier Weise Vorschub geleistet werden könne.
Nun scheint aber die französische Regierung damit gerechnet zu haben, die Verhandlungen mit uns möglichst rasch zu Ende zu führen, um die Alliierten vor ein fait accompli zu stellen. Es geht dies aus verschiedenen Anzeichen, welche wir konstatieren konnten, deutlich hervor. Anderseits hat uns das Vorgehen Frankreichs im letzten Dezember vorsichtig gemacht. Ich verweise auch auf meinen letzten Brief, wo ich bereits andeutete, dass wir auf alle Fälle von Frankreich Rückendeckung verlangen müssten. Die neue Form dieser letztem schien uns diese Sicherheit einwandfrei zu verschaffen.
Offenbar war nun aber das Blockade-Ministerium bereits inzwischen auch von England begrüsst worden, so dass unser Brief ein recht unliebsames Aufsehen erregte. Die Antwort des Herrn Seydoux bestand darin, dass er uns mitteilte, dass unsere Anregung geprüft werden solle, dass aber inzwischen jegliches Entgegenkommen Frankreichs auf ändern Gebieten sistiert werde und auch darauf verzichtet werden müsse, hinsichtlich der Einfuhr- und Finanzfragen und des Zuchtviehs weiter zu verhandeln, bis die Kohlenfrage neuerdings seitens Frankreich geprüft worden sei. Man merkte dieser Antwort an, dass sie in grossem Ärger geschrieben worden war, immerhin zeigten wir deren Empfang in der Form an, dass wir Herrn Seydoux baten, uns Gelegenheit zu geben, die Sache auch noch mündlich mit ihm zu behandeln. Wir gewärtigen nun seine Antwort.
Inzwischen hatten wir heute morgen eine dritte Besprechung mit M. Waterloo,
anlässlich welcher er uns mitteilte, dass er heute dem französischen Ministerium des Auswärtigen die Nachricht habe zugehen lassen, dass die englische Regierung die Kohlenausfuhr nach Frankreich sistiert habe, bis die Zustimmung Frankreichs zur Diskussion der Schweizerkohlenfrage mit sämtlichen Alliierten erfolgt
M. Waterloo versprach uns nun, heute Nachmittag mit M. Seydoux zusammen zu kommen und dabei die Möglichkeit für uns zu schaffen, den Faden wieder aufzunehmen. Später am Abend wird Herr Minister Dunant ebenfalls bei M. Seydoux vorsprechen und bei dieser Gelegenheit die Wiederanknüpfung der Verhandlungen in die Wege zu leiten suchen.
Das sind die Ereignisse, welche sich seit Montag abgespielt haben und welche wir, wie wir hoffen, in einer Weise begleitet haben, welche Ihre Zustimmung finden dürfte. Herr Grobet sowohl, als ich, sind durchaus der Ansicht, dass wir in ruhiger und würdiger Weise nun auch Frankreich nach und nach dazu bringen sollten, seine Einschüchterungspolitik uns gegenüber einzustellen. Ein Vorgehen wie dasjenige vom letzten Dezember dürfen wir uns nicht mehr gefallen lassen.
Wir wollen gerne die äusserst schwierige Situation Frankreichs berücksichtigen und keine unvernünftigen Forderungen aufstellen, aber anderseits muss man auch hier verstehen lernen, dass ein Vorgehen, welches man während des Krieges hinnehmen zu müssen glaubte, nun wieder den während des Friedens üblichen Formen internationalen Verkehrs sich anpassen muss. Wir sind fest überzeugt, dass wir, wenn auch die übrigen Alliierten mit uns einmal an den Verhandlungstisch sitzen, gewisse Fragen eher zu einer für die Schweiz günstigen Erledigung kommen werden, als wenn wir sie durch Einzelverhandlungen mit Frankreich präjudizieren. Es ist daher im wohlverstandenen Interesse der Schweiz, den Wunsch Englands zu unterstützen, und wir werden daher ohne Gegenbericht Ihrerseits darauf bestehen, dass unserm Vorschlag vom 18. crt. an Herrn Seydoux Nachachtung verschafft wird.
(Bern) P.S. Da wir befürchten mussten, dass die französische Botschaft von hier aus beauftragt werden könnte, einen Einschüchterungsversuch auch in Bern zu machen, telegraphierten wir Ihnen heute Vormittag von der Gesandtschaft aus dahingehend, dass ein wichtiger Bericht für Herrn Bundesrat Schulthess von hier abgehen werde und dass wir dringend bitten müssten, bis zu dessen Erhalt mit der franz. Botschaft in Bern nicht in Conversation über die Kohlenfrage einzutreten.
Der angekündigte Bericht ist der obenstehende Brief.
Tags
Négociations économiques et financières avec les Alliés (Première Guerre mondiale)
Énergie et matières premières Charbon