Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-I, doc. 102
volume linkBern 1979
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#1176* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 495 | |
Dossier title | Washington, Politische Berichte und Briefe, Militär- und Sozialberichte, Band 35 (1918–1920) |
dodis.ch/43847
Le Ministre de Suisse à Washington, H. Sulzer, à la Division des Affaires étrangères du Département politique1
Allgemein ist man in hiesigen Regierungs-Kreisen der Ansicht, dass Präsident Wilson an seiner Auffassung festhalten wird, gemäss welcher der neue Völkerbund nach der Friedens-Konferenz zu schliessen ist und dass sich mit demselben keine geheimen Sonderbündnisse einzelner Staaten vertragen. Die persönliche Politik Wilsons bringt es ferner mit sich, dass hier weder im Kongress noch im Staats-Departement kein einziger Mensch etwas Genaueres über die Auffassung und die Absichten des Präsidenten bezügl. Völkerbund kennt. Colonel House ist in Amerika die einzige Persönlichkeit, die das Vertrauen Wilsons geniesst. Sowohl Herrn Prof.Rappard als auch mir gegenüber hob der Präsident in seinen Unterredungen mit uns hervor, er versteife sich auf keine bestimmte Ansicht und es sei gerade der Zweck seiner Reise nach Europa, andere Meinungen zu hören und zu einem annehmbaren Kompromiss zu gelangen. Man bezeichnet hier dieses vorsichtige Abtasten der Verhältnisse allgemein als für die Politik des Präsidenten typisch. In den letzten Wochen kam es im Senat zu lebhaften Debatten wegen dieser vollständigen Unklarheit über die Absichten Wilsons, wo ihn die Führer der Republikaner, speziell Knox und Lodge, heftig angriffen. Die im nächsten Kongress entschiedene Mehrheit bildende Republikanische Partei droht damit, sie werde ihre Zustimmung zu jeder internationalen Abmachung, durch welche die Suveränität der V.S.A. in Frage gestellt werde und die Einmischung in Händel der alten Welt befürchten lasse, verweigern. Es wird ein rascher Friedensschluss verlangt und die Verschiebung der den Völkerbund betr. Verhandlungen auf einen späteren Zeitpunkt. In der Hauptsache sind diese Angriffe der Ausdruck der Missstimmung, welche ihren Grund in der Nichtberücksichtigung des Senates in der amerikanischen Abordnung zur Friedens-Konferenz hat, und im allgemeinen ein Protest gegen das persönliche Regiment Wilsons. Sie sind die Auslösung der längst bestehenden Spannung gegen die sozialisierende Tendenz der Verwaltung Wilsons /ïn/der innern und äussern Politik, die während des Krieges zurückgehalten wurde. Die zahlreichen Empfänge, welche der Präsident in Europa sozialistischen Delegationen gewährte, werden ebenfalls missbilligt. Diese Missstimmung ist auch in der demokratischen Partei sehr lebhaft vorhanden, was mir eine Unterredung mit massgebendem Führer derselben zeigte. Der Senat hat die Absicht, Wilson zu warnen, dass seinerseits nicht alles genehmigt werden wird, was ihm das Haupt der Executive vorsetze. Wenn in Regierungs-Kreisen diese Haltung des Senates auch mehr als ein Sturm im Wasserglas betrachtet wird, so muss sie notwendigerweise das Prestige Wilsons in starkem Masse erschüttern und eine Schwächung des Gewichtes seines Auftretens an der Friedens-Konferenz zur Folge haben. Im Zusammenhang mit den Äusserungen des Präsidenten und des Obersten House gegenüber Prof. Rappard und mir deuten diese Vorgänge darauf hin, dass die in Paris aufzustellenden Prinzipien betr. den Völkerbund kaum über eine moralische Bindung hinausgehen werden. Für die Liga zur zwangsweisen Auferlegung des Friedens führt aber der frühere Präsident Taft gegenwärtig grosse Propaganda. Es ist aus den neuesten Nachrichten zu schliessen, das der Zweck der erwarteten kurzen Rückkehr Wilsons die Berichterstattung an das amerikanische Volk über das Resultat des in Paris Erreichten sei, wofür die öffentliche Meinung gewonnen werden soll. Es wurde mir seitens einer angesehenen, in hoher Verwaltungsstelle befindlichen Persönlichkeit die feste Überzeugung ausgesprochen, es werde Wilson gelingen, die öffentliche Meinung vollständig hinter sich zu bringen, wodurch, wie gewohnt, die Opposition des Senates zum Verstummen gebracht werde. Bis jetzt sei es Wilson stets gelungen, in Konflikts-Fragen die öffentliche Meinung gegenüber Kongress auszuspielen. Dem Resultat der letzten Wahlen steht diese Auffassung aber allerdings entgegen. In hiesigen französ. Kreisen kann ich eine ausgesprochene Gereiztheit gegen die Art, mit welcher der Präsident in Europa auftritt, feststellen. Von dieser Seite aus wird jedenfalls alles getan, um die französ. Regierung zu veranlassen, Wilson Widerstand zu bieten. Die Rückkehr Wilsons wird auf jeden Fall sehr interessante Entwicklung bringen und wird auf den 18. Februar erwartet. Dies Antwort auf Ihr 6.
- 1
- (Copie de réception): E 2300 Washington, Archiv-Nr. 35.↩
Tags
United States of America (USA) (General)