dodis.ch/43743
La Légation de Suisse à
Berlin à la Division des Affaires étrangères du Département politique
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Berlin, , 8. November 1918 (Ankunft: 9. November 1918)
Im Nachgang zu unserem Telegramm von heute vormittag melde ich Ihnen, dass seit gestern nun auch im Zentrum, linke Gruppe um Groeber und Erzberger, eine Spaltung eingetreten ist, wo die Abdankung des Kaisers nun auch verlangt wird. Eine analoge Schwenkung kann auch bei den Freisinnigen beobachtet werden. Zwecks Verhandlungen über die in 7 Punkten aufgestellten Forderungen traf gestern im Reichstag eine Deputation des Matrosen-Sowjets aus Kiel ein. Der von der Regierung dem Reichskanzler gegebene Auftrag, nach dem Hauptquartier zu reisen, um dem Kaiser das Ultimatum betreffend Abdankung zu überreichen, wurde von Prinz Max von Baden angenommen. Es wird von der Sozialdemokratie beabsichtigt, für den Fall, dass der Kaiser nicht abdanken würde, den Reichstag aufzulösen und die Nationalversammlung einzuberufen bzw. Neuwahlen anzuordnen. Alle preussischen Minister haben gestern auf Grund des Ultimatums ihre Portefeuilles zur Verfügung gestellt. Gegenwärtig sind Verhandlungen im Gange betreffend Neubildung des preussischen Ministeriums durch Fried(en)berg, wobei Stresemanns Eintritt wahrscheinlich ist. Ein Matrose, der Prinz Heinrich die Kokarde abreissen wollte, wurde von demselben erschossen. Um besonders die Hamburg er Sowjets durch Unterbruch in der Lebensmittelzufuhr zur Kapitulation zu bringen, hat die Regierung angeordnet, dass die Eisenbahnschienen nach den Zentren, wo Aufruhr herrscht, auf einige Kilometer aufgerissen werden. Man versichert mir, dass sich das Zentralkomitee der bolschewistischen Spartakusgruppe, das über grosse Mittel verfüge, sich in der Schweiz befinde, doch kann man mir diesbezüglich keine tatsächlichen Beweise erbringen.