Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 6, doc. 462
volume linkBern 1981
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E1005#1000/16#5* | |
Old classification | CH-BAR E 1005(-)1000/16 1 | |
Dossier title | Protokolle des Bundesrates, Geheimprotokolle (Minuten und Originale) 1918 (1918–1918) | |
File reference archive | 4.5 |
dodis.ch/43737
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 6 novembre 19181
Umtriebe der Bolschewiki
Procès-verbal de la séance du 6 novembre 19181
Dem Agenten der russischen Sowjetmission ist eröffnet worden, dass Salkind und Frau Balabanowa die Schweiz zu verlassen haben. Bezüglich des erstem werden keine weitern Schwierigkeiten gemacht, wohl aber bezüglich Frau Balabanowa. An der gestrigen Konferenz2 wurde durch den mitanwesenden Herrn Paravicini ein Protokoll aufgenommen. Es wurde erklärt seitens des Herrn Platten, dass Frau Balabanowa in der Schweiz sich aufhalte zum Zwecke der Organisation des internationalen sozialdemokratischen Kongresses; hievon wurde Vormerkung genommen. Gegen eine Ausweisung werde die sozialdemokratische Partei Protest erheben; das Verlangen der Abreise komme einer Ausweisung gleich. Jede Agitation seitens der Frau Balabanowa wurde in Abrede gestellt; sollte sie wirklich revolutionäre Agitation treiben, so könne allerdings das Recht zur Ausweisung nicht bestritten werden. Den Delegierten ist durch Herrn Vizepräsident Müller erklärt worden, dass sich der Bundesrat durch Drohungen nicht einschüchtern lasse und dass nächsten Freitag Beschluss gefasst werde. Herr Paravicini hat bemerkt, dass der im Passe angegebene Zweck des Aufenthaltes mit den heute vorgebrachten Erklärungen und mit der Wirklichkeit nicht übereinstimme, weshalb eine Ausweisung ohne weiteres gerechtfertigt sei.
Herr Vizepräsident Müller beantragt, heute bezüglich der Ausweisung Balabanowas noch keinen Beschluss zu fassen. Die Jungburschen warten nur einen günstigen Anlass ab, um loszuschlagen. Dieser Anlass - und als solcher würde die Ausweisung der Frau Balabanowa betrachtet - darf erst geboten werden, wenn die aufgebotenen Truppen, die genügenden Schutz leisten, eingerückt sind.
In diesem Sinne wird Beschluss gefasst.
Betreffend die hiesige Sowjetmission wird seitens des Herrn Bundespräsidenten Calonder bemerkt, dass Auftrag erteilt worden sei, den Kurier an der Grenze abzufangen, um ihn alsdann hier öffnen und untersuchen zu können. Diese Massregel ist angezeigt, weil in Berlin konstatiert worden ist, dass mit dem russischen Kurier massenhaft revolutionäre Flugblätter von Russland nach Deutschland spediert werden sollten, woraus ohne weiteres zu schliessen ist, dass die hiesige Sowjetmission die nämlichen Machinationen betreibt. In der Schweiz werden aufrührerische Schriften in russischer Sprache mit dem Vermerk «Moskau» verbreitet. Russisches Geld ist in Genfer und Zürcher Banken deponiert. Die sozialdemokratischen Blätter bringen Aufrufe, in welcher eine Feier des Geburtstages der Bolschewiki Regierung auf 7. oder 10. November angesagt wird. Darin liegen genügende Gründe, um gegen die Sowjetmission in der Schweiz vorzugehen, denn das Vorgehen der Bolschewiki in der Schweiz ist dahin zu verstehen, dass von hier aus die Revolution verbreitet und vorbereitet werden soll.
Herr Bundesrat Ador verlangt deshalb, dass jeder Verkehr mit der Sowjetmission aufgehoben werde, und beantragt, es sei zum Zwecke der Aufklärung des Volkes über das Truppenaufgebot folgendes «Mitgeteilt» an die Presse zu erlassen: «A la demande du Gouvernement de Zurich, le Conseil fédéral, fermement décidé à maintenir l’ordre public et la tranquillité en Suisse, a ordonné la mobilisation de différents corps de troupes. Il agira sans faiblesse contre tous les éléments étrangers qui participeraient d’une manière quelconque à des menées révolutionnaires ou anarchistes. Il ne permettra pas que la Suisse devienne le champ d’expériences des agitateurs bolcheviks. Il a en conséquence, signifié à la délégation du Soviet Russe qu’il rompait dès maintenant les relations inofficielles tolérées avec elle jusqu’à ce jour.»
In der einlässlichen Diskussion über diesen Antrag wird einerseits erklärt, dass hinreichende Gründe vorliegen, im gewünschten Sinne vorzugehen, da jedenfalls genügende Beweise für Umtriebe der Sowjetmission vorhanden seien. Wenn die russische Sowjetregierung den diplomatischen Kurier in Deutschland missbrauchte, was tatsächlich festgestellt ist, so müssen die Beziehungen mit ihr abgebrochen werden trotz der Nachteile, die aus einem solchen Vorgehen für die Schweizer in Russland erwachsen werden. Anderseits wird darauf hingewiesen, dass ein strikter Beweis für Umtriebe revolutionärer Art bei der Sowjetmission in der Schweiz nicht erbracht sei und dass die Sozialdemokratische Partei der Schweiz zweifellos für dieselbe eintreten werde. Es sollte, bevor in der vorgeschlagenen Weise vorgegangen werde, der vom Regierungsrat des Kantons Zürich einverlangte Bericht der Staatsanwaltschaft von Zürich abgewartet werden, da derselbe Beweis erbringen soll. Es müsse auch der Sowjetmission der Bruch des Verkehrs eröffnet werden, bevor dem Publikum darüber Mitteilungen gemacht werden. Überdies müsse die Wirkung des Truppenaufgebotes abgewartet werden und auch festgestellt werden, ob überall dem Aufgebote Folge geleistet werde.
Herr Bundesrat Ador erklärt sich mit der Verschiebung des «Mitgeteilt» bis Donnerstag einverstanden, sofern der Bundesrat grundsätzlich entschlossen ist, die Sowjetmission abzuberufen, was der Fall ist.
Der Herr General hat das Begehren gestellt, es möchten noch mehr Truppen aufgeboten werden, und zwar zwei Infanterieregimenter und zwei Kavalleriebrigaden mit den nötigen Korpstruppen. Da bei der gegenwärtigen Grippeepidemie ein Truppenaufgebot nach aussen begründet werden muss, wird auch hierüber eine Beschlussfassung verschoben, in der Meinung, es werde in der Sitzung vom Donnerstag, 7. November, ein Beschluss erfolgen einerseits über das Vorgehen gegen die Sowjetmission und anderseits über ein Truppenaufgebot, womit ein «Mitgeteilt» an die Presse und eine Proklamation an die Bevölkerung zu verbinden ist3.
- 1
- E 1005 2/1. Etaient absents: F. Calonder et G. Motta.↩
- 2
- Il s’agit d’une entrevue entre une délégation du parti socialiste suisse composée de F. Platten, O. Lang et R. Bloch et du Conseiller fédéral E.Müller, ainsi que du Chef de la Division des Affaires étrangères du Département politique, Ch. R. Paravicini. Ç/IJPD, BA, LGS 20.↩
- 3
- Le soir même, le Conseil fédéral se réunit à nouveau: Die Sitzung findet statt, weil nach den Mitteilungen von Herrn Bundesrat Decoppet der Be schluss über ein vermehrtes Truppenaufgebot nicht bis auf den 7. November verschoben werden kann, wenn die Truppen rechtzeitig einrücken sollen. Der Befehl zum Aufgebot eines Landsturmbataillons und von zwei weitern Kavalleriebrigaden ist bereits erteilt. Der Bundesrat beschliesst das Aufgebot der Infanterieregimenter 7 und 16 und von zwei fernem Kavalleriebrigaden mit den nötigen Korpstruppen. Ferner wird beschlossen, es sei das von Herrn Bundesrat Ador vorgeschlagene «Mitgeteilt» an die Presse zu erlassen unter Streichung des Wortes «étrangers» im zweiten Absatz und des letzten Satzes betreffend die Sowjetmission. Das «Mitgeteilt» ist sofort zu übersetzen und der Presse zu übergeben. Bezüglich des weitern Vorgehens wird eine Proklamation an die Bevölkerung und ein «Mitgeteilt» betreffend die Sowjetmission in Aussicht genommen. Der Sowjetmission wird durch das Politische Departement eröffnet, dass der Verkehr mit ihr abgebrochen werde. Mit Rücksicht auf den grundsätzlichen Beschluss, wonach der Verkehr mit der Sowjetmission abgebrochen wird, muss der am 5.d.M.gefasste Beschluss betreffend Ausweisschriften für Russen, Polen und Ukrainer [cf. E 1004 1/269, no 3232) rückgängig gemacht werden; die daherigen Akten gehen mit Verbal an das Justiz- und Polizeidepartement.↩
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