Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 6, doc. 290
volume linkBern 1981
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E27#1000/721#13561* | |
Old classification | CH-BAR E 27(-)1000/721 2807 | |
Dossier title | Zusammenarbeit zwischen der schweizerischen und französischen Armee bei einem deutschen Angriff auf die Schweiz (1916–1918) | |
File reference archive | 06.H.3.e.2 |
dodis.ch/43565 Le Chef de l’Etat-Major Général de l’Armée suisse, Th. von Sprecher, au Chef du Département politique, A. Hoffmann1
Ich habe die Ehre, Sie davon in Kenntnis zu setzen, dass ich gestern und vorgestern, den 5. und 6. ds.Mts., im Einverständnis des Generals, mit den vom französischen Oberkommando dazu abgeordneten Offizieren mich neuerdings besprochen habe über die Art des Zusammenwirkens der schweizerischen und der französischen Armee im Falle einer deutschen Invasion in die Schweiz. Bei den Besprechungen war Herr Oberstlt. i. Gst. von Goumoëns zugegen. Von französischer Seite nahmen daran teil General Weygand, Generalstabschef des Generals Foch, Commandant du groupe d’armées de droite, Oberstlt. i. Gst. Hellé von der Operationssektion der Armee, und Commandant Guittry vom Eisenbahndienst; anwesend war zugleich der französische Militärattache, General Morier.
Ich habe zur Eröffnung unserer Besprechungen zunächst wieder wie das letzte Mal betont, dass wir einstweilen keinen Grund und namentlich keinerlei Anhaltspunkte hätten, um eine deutsche Invasion befürchten zu müssen, dass wir aber ersuchten, uns darüber Mitteilung zukommen zu lassen, wenn der französische Nachrichtendienst über Anhaltspunkte im Sinne einer Bedrohung unseres Gebietes von deutscher Seite verfügte.
Sodann erklärte ich den Herren, die ganze Besprechung finde unsererseits wie früher allein unter der Voraussetzung statt, dass ein Betreten schweizerischen Gebietes durch französische Truppen nur erfolge auf Grund eines an die französische Regierung zu richtenden förmlichen Begehrens des Schweizerischen Bundesrates um Hilfeleistung. Gestützt auf dieses Begehren und die entsprechende Zusage würde alsdann, abgesehen von einem zwischen den Regierungen abzuschliessenden allfälligen Bündnisverträge, eine Militärkonvention zwischen den beiden Armee-Oberkommandos über die gemeinsamen Operationen zu vereinbaren sein.
Ich hob insbesondere hervor, dass wir uns Vorbehalten, Grenzverletzungen durch Truppen der Zentralmächte, wenn es sich nicht um eine allgemeine, übermächtige Invasion handle, mit unsern alleinigen Kräften abzuweisen, ohne Anspruch auf Hilfeleistung bei Frankreich zu erheben.
Bei der Besprechung dieses Punktes zeigte es sich, dass das französische Kommando die Befürchtung hegt, es könnte aus einer untergeordneten Grenzverletzung sich beinahe unvermittelt ein bedeutender Einbruch entwickeln und unser Hilferuf so zu spät erfolgen. Ich suchte die Herrn darüber zu beruhigen, indem ich ihnen erklärte, es liege ja vor allem in unserm eigenen Interesse, den Zuzug rechtzeitig herbeizurufen und nicht erst nachdem unsere Armee im Kampfe mit einem übermächtigen Gegner starke Krafteinbusse erlitten hätte. Übrigens wird ein beabsichtigter Durchbruch durch die Schweiz sich stets auf einer viel grössern Frontausdehnung fühlbar machen, als es bei einem bloss taktischen Übergriff am Südflügel der beiden jetzt sich gegenüberstehenden Armeen der Fall wäre.
Ich sprach gegenüber den französischen Vertretern dann noch den bestimmten Wunsch aus, dass nur französische und allfällig englische Truppen zur Verwendung in der Schweiz kommen sollten, nicht aber italienische oder Kolonialtruppen.
Besprochen wurden im weitern sodann insbesondere noch folgende Punkte: die Stärke der Hilfsarmee; die Verhältnisse des schweizerischen Oberkommandos in seinen Beziehungen zum französischen Grossen Hauptquartier; die Vorbereitungen einer verstärkten Deckungsfront, hinter welcher der Aufmarsch der verbündeten Kräfte erfolgen könnte; der Antransport und Anmarsch der Hilfskräfte; die Ergänzung unserer Ausrüstung an schwerer Artillerie, an Munition, Handgranaten, Sprengstoffen; an Flugzeugen, an Telegraphenmaterial usw.; die Verpflegungsverhältnisse der eignen und der Hilfsarmee; die Beziehungen zur inländischen politischen Verwaltung, wobei festgestellt wurde, dass innert unserm Gebiete schweizerische Gesetze und Vorschriften für die Hilfsarmee wir für unsere Truppen zu gelten hätten, dass alle Amtsstellen und -personen in ihren Funktionen zu erhalten und zu schützen seien usw. Über all dieses und ein Mehreres hätten die abzuschliessenden Verträge, Militärkonvention usw. zu bestimmen.
Irgendwelche schriftliche Abmachungen sind nicht getroffen worden; jede Partei hat ihre Notizen im Laufe der Besprechungen gemacht. General Weygand hat am zweiten Tage uns eine kurze Rekapitulation der besprochenen Punkte vorgelesen, zu der wir diese und jene Bemerkung, Berichtigung oder Ergänzung anbrachten, im allgemeinen ergab sich vollständiges Einverständnis beiderseits; insbesondere auch bezüglich der Bedingung, dass die Hilfeleistung nur auf das Begehren unserer Regierung einzutreten habe.
Zum Schlüsse erlaube ich mir vorzuschlagen, dass für den Fall des kriegerischen Zusammengehens, sei es mit Frankreich, sei es mit Deutschland, vorbereitet werden:
a) der Entwurf eines Bündnisvertrages, in dem die politischen, administrativen und ökonomischen Beziehungen der verbündeten Länder festgestellt werden;
b) eine Militärkonvention zur Feststellung der Beziehungen der kooperierenden Armeen untereinander.
Ob das Verhältnis zwischen fremder Armee und unserm Lande in dem Entwurf nach a) oder nach b) zu behandeln sei, lasse ich einstweilen dahingestellt.
Ich gewärtige gern Mitteilung Ihrer Entschliessung in bezug auf Punkt a), da die Art der Abfassung der Militärkonvention von dem abhängt, was in dem Bündnisvertrag Aufnahme findet.
- 1
- Rapport: E 27, Archiv-Nr. 13561.↩
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