Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 6, doc. 225
volume linkBern 1981
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001B#1000/1501#587* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(B)1000/1501 17 | |
Dossier title | Kriegsaufschubvertrag mit Amerika (1913–1918) | |
File reference archive | B.14.271.P.2.2 • Additional component: Amerika |
dodis.ch/43500
Präsident Wilson empfing mich heute um 2.15 im Weissen Haus. Ich brachte ihm den Inhalt des Kabels2 zur Kenntnis. Er war über dasselbe erfreut und sagte, dass er zur Zeit eifrig bemüht sei, Informationen zu sammeln und sammeln zu lassen darüber, wie die Volksstimmung in den kriegsführenden Ländern für den Frieden sei. Es sei dies ungemein schwierig, da überall die Presse verhindert werde, das Friedensthema zu behandeln.
Wilson führte aus, dass er daher sehr dankbar wäre, wenn die neutralen Länder ihm ihre Eindrücke, die sie in Europa erhalten, stetsfort zur Kenntnis bringen möchten, damit er auch dadurch besser zu schätzen vermöge, wann der Moment zum handeln für ihn gekommen sei. Es brauche dies nicht offiziell und umständlich zu geschehen, sondern wie ein Freund zum Freund und ohne Formalität. Es bestehe überhaupt viel zuviel Zeremoniell zwischen den Regierungen.
Auf meinen Einwurf, dass ich bis jetzt auf dem Staatsdepartement stets die Auskunft erhalten habe, dass, wenn der Präsident in Friedenssachen einen Schritt tue, er dies allein und ohne Mithilfe anderer Neutraler zu tun gedenke und auf meine Frage, ob dies immer noch der Fall sei, antwortete Herr Wilson, dass die Lage einzelner Neutraler (er zitierte speziell Holland) so schwierig sei, dass von ihnen nicht erwartet werden könne, dass sie normal handeln würden (not to act normally). Ich möchte allein handeln, sagte er, um niemand in Verlegenheit zu setzen oder gar gegen jemand diskriminieren zu müssen. (I wish to embarrass no one and not to discriminate [against]anyone.) Der Präsident fuhr fort:
«Mein Plan ist noch nicht gefasst, aber es können sich unter den nächsten Nachrichten, die ich erwarte, solche befinden, welche mich zu einem Handeln veranlassen möchten.
Spanien hat mir ein ähnliches Ansinnen gestellt wie die schweizerische Regierung, allerdings nicht ein gleichlautendes. Ich hätte also eventuell auch auf Spanien Rücksicht zu nehmen.»
Ich warf ein, dass das heutige Kabel meiner Regierung nicht darauf hinziele, über die Pläne des Präsidenten informiert zu werden, damit die Schweiz bei einer gemeinsamen Handlung Neutraler auch sicher mitmachen könne, denn diesen Auftrag habe ich schon früher erhalten und mich damals dementsprechend beim Staatsdepartement erkundigt und dort negative Auskünfte erhalten. Das heutige Kabel rede von ins Vertrauen-gezogen-Werden und von der Ehre eventueller Kooperation seitens der Schweiz mit den Vereinigten Staaten.
«Haben Sie denn Kenntnis, was sich Ihre Regierung darunter vorstellt?» fragte Herr Wilson.
Ich antwortete verneinend und sagte auf seine Anfrage, was ich mir denn dabei denke, dass ich, ganz persönlich und unverbindlich denke, dass, wenn der Präsident der Vereinigten Staaten z.B. einen Vertrauensmann nach Europa senden würde, es für diesen vielleicht leichter wäre, unter Mithilfe meiner Regierung, seine Berichterstattung über die Meere nach dem Weissen Hause zu senden, sei doch der schweizerische Bundesrat, durch die vielsprachige Bevölkerung, die ihm untersteht, besser als irgend jemand in der Lage, das Seelenleben der uns umgebenden Kriegsführenden zu beurteilen.
Der Präsident bat mich hierauf, dem Bundesrate warm zu danken und ihn anzufragen, ob ihm bei der Abfassung des Kabels ein Plan vorgeschwebt habe, welchen er als dienliche Suggestion nutzbringend verwerten könnte (if they have some special method of action in mind, that would serve me with a serviceable suggestion).
Er erkundigte sich über die Zustände in der Schweiz, drückte seine Bewunderung aus und erzählte zum Schlüsse, wie gerne er sich der Vorlesungen, die er bei dem schweizerischen Professor Guyot an der Universität Princeton seinerzeit gehört habe, erinnere.
Wir kamen auch auf die Tauchbootfrage zu reden, und ich gewann den Eindruck, dass ein Bruch zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland, von dem jetzt wieder so viel geredet wird, nicht zu befürchten ist.