Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 6, doc. 191
volume linkBern 1981
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2200.41-02#1000/1671#8683* |
Old classification | CH-BAR E 2200 Paris 1 1475 |
Dossier title | Correspondances politique et diplomatique, Teil 1 (1916–1918) |
File reference archive | 1/1-100 |
dodis.ch/43466 Le Ministre de Suisse à Rome, A. von Planta, au Chef du Département politique, A. Hoffmann1
Ich bestätige meinen gestrigen Bericht2 über meine Unterredung mit Herren Manzoni betreffend die deutsche Note wegen der Lieferung von Kompensationsware.
Anlässlich einer Besprechung, die ich nach Abfassung jenes Berichtes mit Herrn Minister de Martino hatte, brachte der letztere selbst die Sprache auf das sog. deutsche Ultimatum3 und frug mich, ob ich es für wahrscheinlich halte, dass gegebenen Falles militärische Massnahmen folgen würden, sofern die Schweiz nicht in der Lage sei, der deutschen Forderung zu entsprechen. Ich verneinte diese Frage natürlich mit aller Entschiedenheit und betonte, dass Deutschland nur Gegenmassregeln in der Form der Rückhaltung von Ausfuhrartikeln nach der Schweiz androhe. Ich fügte auch bei, dass die Situation, die sich aus dieser deutschen Note ergebe, in erster Linie für die Schweiz bedenklich sei, und ersuchte de Martino, sich selbst Rechenschaft zu geben über die Konsequenzen, die sich für die Schweiz ergeben würden aus einer Verwirklichung der deutschen Drohung. Er antwortete mir: «Dann werden eben Frankreich und England Ihnen das Notwendige liefern müssen, das Ihnen Deutschland verweigert!» Ich habe ihm darauf nur geantwortet: «Glauben Sie wirklich, dass uns England Kohlen liefern könnte, und denken Sie im Ernste daran, dass unsere Industrie imstande wäre, die Wucherpreise für Kohle zu ertragen, die man in Italien vorläufig noch erträgt?»
Ich bin eigentlich erschrocken über die Mentalität, welche dieser Bemerkung zugrunde lag und welche mir beweist, wie wenig ernst diese Fragen bisher erwogen worden sind. Ich bin auch deshalb erschrocken, weil ich den Eindruck hatte, als rechne man in Ententekreisen mit einem Bruch zwischen Deutschland und der Schweiz, welcher durch dieses «Ultimatum» veranlasst werden könnte. An die umgekehrte Möglichkeit scheint man gar nicht zu denken, und ich durfte natürlich eine solche nicht einmal andeuten, weil es nicht in meiner Stellung liegt, den Entschliessungen des Bundesrates vorzugreifen.
Selbstverständlich habe ich mich eindringlich bemüht, Herrn de Martino klarzumachen, dass wir die in Frage kommenden Artikel überhaupt nur von Deutschland bekommen können und dass eine Verweigerung der Kompensationsmöglichkeit uns dem wirtschaftlichen Ruin aussetzen würde.
Herr de Martino brach das Gespräch mit der Bemerkung ab: «Wir haben uns sofort mit unseren Verbündeten ins Vernehmen gesetzt», und ich antwortete darauf: «Die Schweiz erwartet von Italien eine rückhaltlose Unterstützung, für welche nicht nur der Verstand, sondern vor allem das Herz sprechen sollte.»
Ich möchte diesem Gespräch keine grosse Bedeutung beimessen, weil ich doch den Eindruck hatte, dass es sich um eine rein persönliche Meinungsäusserung eines Uneingeweihten handelt, der die Frage nur sehr oberflächlich erwogen hat. Aber ich kann doch nicht verkennen, dass im Kopfe de Martinos die Hoffnung spukt, die Schweiz von Deutschland abzutreiben. Solange diese Hoffnung besteht, liegt die Gefahr sehr nahe, dass man aus Erwägungen der allgemeinen internationalen Lage Öl ins Feuer gegen die Zentralmächte giessen will. Ich habe mich bemüht, diese Hoffnung zu zerstören, freilich durfte ich dabei nicht so weit gehen, als ich gegangen wäre, wenn ich nach meinem Empfinden hätte handeln dürfen.
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