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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 6, doc. 182
volume linkBern 1981
Plus… |▼▶Emplacement
Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E27#1000/721#13561* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 27(-)1000/721 2807 | |
Titre du dossier | Zusammenarbeit zwischen der schweizerischen und französischen Armee bei einem deutschen Angriff auf die Schweiz (1916–1918) | |
Référence archives | 06.H.3.e.2 |
dodis.ch/43457
In Bestätigung meiner gestern erstatteten mündlichen Meldung beehre ich mich, folgendes zu berichten:
Nachdem in der letzten Zeit wiederholt Gerüchte über einen von der deutschen Heeresleitung beabsichtigten Durchbruch durch die Schweiz gegen Frankreich mir zugekommen waren, sagte mir gestern Herr Minister Dunant, Oberstlt. Pageot, der französische Militârattaché, sei dieser Tage bei ihm gewesen und hätte ihm von derselben Absicht wie folgt gesprochen: Die Deutschen sähen ein, dass sie bei Verdun unmöglich obsiegen könnten; sie träfen deshalb bereits Vorkehrungen, um womöglich bei Beifort hinter die französische Verteidigungsfront zu gelangen. Eine solche Unternehmung werde entschieden eine erhebliche deutsche Gefahr für uns bringen und wir möchten auf der Hut sein.
Auch die Italiener beschäftigt bekanntlich der Gedanke an einen deutschen Durchbruch durch die Schweiz, hat ihre Regierung doch vor kurzem durch den Gesandten selbst dem Schweizerischen Politischen Departement durch Verbalnote ankündigen lassen, die italienische Heeresleitung werde längs der ganzen italienisch-schweizerischen Grenze vom Ossola-Tal bis an den Comersee und im Veltlin Verteidigungsanlagen erstellen und Batterien errichten lassen. In den letzten Tagen sind denn auch in der Tat bereits Meldungen über den Beginn dieser Arbeiten eingetroffen. Sowohl diese Anlagen (wenn man dahinter nicht Angriffsabsichten vermuten will) als die an der Grenze des Eisgaus getroffenen französischen Sperrmassnahmen beweisen, dass die Entente-Mächte den deutschen Durchbruch durch die Schweiz für möglich halten und ihn nicht nur vorspiegeln, um uns zu einer Verstärkung des Truppenaufgebotes zu bewegen.
Um mich über die französische Auffassung näher zu orientieren (die italienische ist mir aus öftern Mitteilungen des Obersten Bucalo bekannt), habe ich gestern Herrn Oberstlt. Pageot zu mir gebeten und ihn darüber befragt. Nach seinen Äusserungen scheint wirklich die französische Heeresleitung Nachrichten zu besitzen («de nombreuses sources indépendantes l’une de l’autre», sagte Herr Pageot) über erhebliche Verstärkung der deutschen Kräfte im Obereisass, und sie folgert daraus, es sei damit ein Durchbruch bei Beifort beabsichtigt.
Wenn schon wir in den uns direkt zugekommenen Nachrichten keine Bestätigung finden können der von Italien und Frankreich bei Deutschland vermuteten Absicht, hielt ich es doch für richtig, die Mitteilung des Herrn Oberstlt. Pageot nicht unbeachtet zu lassen, sondern ihr eine praktische Folge zu geben, auch aus dem Grunde, um nicht den Glauben zu nähren, als wollten wir gegenüber Deutschland überhaupt keine ernstlichen Abwehrmassnahmen treffen. Es ist in dieser Hinsicht zu beachten, dass, nach Berichten von der Nordwestfront, in französischer Armeekreisen wirklich die Vermutung besteht, wir würden nicht nur einem deutschen Einbruch uns nicht widersetzen, sondern uns ihm gar noch anschliessen. Dieser Glaube, hiess es, stütze sich darauf, dass schweizerische (allerdings nur welsche) Zeitungen selbst sich in diesem Sinne geäussert hätten. Angesichts dieser Stimmung und der quasi offiziellen Mitteilung des Herrn Pageot Hess ich mich mit ihm in eine Besprechung der Lage ein, in die Frankreich und die Schweiz durch einen deutschen Einbruch sich versetzt sähen, und ersuchte ihn, die in solchem Fall alsbald entstehende Frage einer Kooperation sich zu überlegen. Er ging anscheinend sehr gern darauf ein, erklärte, die Absicht zu haben, seine Regierung von meinen Mitteilungen in Kenntnis zu setzen; er zweifle auch nicht daran, dass es vollständig in deren Sinn läge, wenn er mit dem schweizerischen Oberkommando über das allfällig einzunehmende beidseitige Verhalten zu einer Verständigung gelange. Wie schon vor dem 1. August 1914, konnte ich ihm übrigens auch jetzt wieder die Versicherung geben, dass wir jedem Angriffe gegenüber mit ganzer Macht und ohne Hintergedanken uns widersetzen würden. Ich stellte Herr Oberstlt. Pageot schliesslich in Aussicht, demnächst, behufs genauerer Erörterung eines allfälligen Zusammenwirkens, eine weitere Besprechung anzusetzen. Zuvor aber möchte ich die Mitteilung der Antwort abwarten, die der Attaché bei seiner Regierung nachgesucht hat.
Herrn Bundesrat Hoffmann als dem Chef des Schweizerischen Politischen und des Schweizerischen Militärdepartements habe ich mündlich vom Gegenstände der Unterredung mit Oberstlt. Pageot Kenntnis gegeben.2
- 1
- Rapport: E 27, Archiv-Nr. 13561.↩
- 2
- 1.Sur l'origine et le développement des contacts militaires avec la France, voir: Hans Rudolf Ehrbar, «Schweizerische Militärpolitik im Ersten Weltkrieg», Bern, 1976, p. 87-144.↩
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