Classement thématique série 1848–1945:
I. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ÉTATS
I.8 ITALIE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 6, doc. 109
volume linkBern 1981
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2200.19-01#1000/1704#2* | |
Old classification | CH-BAR E 2200.19-01(-)1000/1704 1 | |
Dossier title | Rapports politiques, sorties (1915–1915) | |
File reference archive | I.B |
dodis.ch/43384
Ich hatte meinen Bericht von heute vormittag schon abgefasst, als sich mir die unerwartete Gelegenheit bot, den Generalsekretär des Ministeriums des Auswärtigen, de Martino, zu besuchen und ihn zu interpellieren über die starken Truppenverschiebungen, die in den allerletzten Tagen nach zuverlässigen Berichten in der Richtung der Lombardei stattgefunden haben. Herr de Martino bestritt die Tatsache einer bedeutenden Ansammlung von Truppen in der Lombardei durchaus nicht, fügte aber bei, dass diese Massnahme natürlich nicht gegen die Schweiz gerichtet sei.
Überhaupt, sagte er mir, ist es uns unverständlich, weshalb man in der Schweiz immer noch die Meinung hat, dass Italien irgendwie daran denke, die zugesicherte Neutralität zu verletzen. Diejenigen, so fügte er wörtlich bei, welche solche Meinungen verbreiten, begehen ein förmliches Verbrechen an beiden Ländern; ich glaube deshalb nicht, dass die Gerüchte von Angehörigen dieser Länder ausgehen, sondern habe allen Grund anzunehmen, dass Agenten der kriegführenden Staaten die Urheber aller dieser Kundgebungen seien. Wir, so fuhr de Martino fort, beobachten diese Tatsache täglich in Rom. Wenn irgendein Gerücht auftaucht, welches geeignet ist, die Haltung Italiens in ein schiefes Licht zu bringen, gehen wir dem Ursprünge genau nach und konstatieren regelmässig, dass der Ausgangspunkt eine Botschaft einer der kriegführenden Mächte ist. Rom ist eben die einzige Grossstadt, in welcher alle Staaten noch vertreten sind, und da erklärt es sich ganz leicht, dass der Krieg, den auswärts die Heere führen, hier geführt wird durch die Diplomaten und in der Form der Beeinflussung der Presse, der öffentlichen Meinung und der Gesellschaft. Ich bitte Sie dringend, sagte mir de Martino, versichern Sie Ihrer Regierung neuerdings, dass Italien sich der offiziellen Erklärungen bewusst ist und bleiben wird, welche es freiwillig abgegeben hat, und durch welche einerseits die Neutralität der Schweiz garantiert und anderseits die Zusicherung gegeben wird, dass auch im Falle des Eingreifens Italiens in den Krieg die Versorgung der Schweiz mit Lebensmitteln nicht erschwert werden soll. Vor einer direkten Verletzung der Neutralität zu reden ist überhaupt ein Nonsens.
Ich hatte wirklich den Eindruck, dass es de Martino ernst war mit dieser beinahe leidenschaftlich abgegebenen Erklärung, und dass er sehr wünsche, dass der Bundesrat Kenntnis erhalte von diesen Erklärungen.
Auf meine Frage, ob Italien überhaupt in den Krieg eingreifen werde, antwortete er nur: Wir halten an unserer Formel fest, dass Italien an seiner Neutralität solange festhalten wird, als seine Interessen nicht verletzt werden. Ob und wann dieser Fall eintritt, lässt sich nicht Voraussagen, es kann von einem Tag auf den ändern geschehen und deshalb müssen wir vollständig gerüstet und schlagfertig sein. Über die Interessen Italiens, welche in Betracht fallen, kann niemand im Zweifel sein. Die Antwort auf die Frage, ob sie verletzt oder gefährdet werden, ergibt sich voraussichtlich aus den kriegerischen Erfolgen der Staaten, die jetzt im Kriege stehen.
Sie sehen, dass auch diese Unterredung mich nicht mehr aufgeklärt hat über die Entscheidung, die man täglich erwartet. Immerhin war mir das offene Geständnis interessant, dass die Haltung Italiens bedingt sei durch die Erfolge auf dem Kriegsschauplatz. Ich schliesse daraus, dass nicht der Verlauf der im Gange befindlichen Unterhandlungen wegen des Trentin die letzte Entscheidung bringen wird, sondern dass diese Letztere abhängt von dem Erfolg oder Misserfolg Österreichs auf dem Kriegsschauplätze.
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- Rapport politique (Copie): E 2200 Rom 4,1.B.↩