Da ich Gelegenheit habe, persönlich an Sie zu schreiben, will ich nicht unterlassen, zu bemerken, dass die Schwierigkeiten, denen wir hier betreffend Réexpédition von Waren, Erwirkung von Ausfuhrbewilligungen, Intradierung von Sendungen usw. begegnen, nicht auf die Schweiz beschränkt sind. Alle neutralen Staaten haben darunter zu leiden, vor allem die Niederlande, dann auch Schweden und Norwegen, denen man z.B. die Ausfuhr ihres Eisenerzes erschwert. Auch sind zahlreiche Zeitungsartikel erschienen, die den skandinavischen Ländern vorwerfen, sie führen viel grössere Quantitäten Getreide ein, als sie brauchen, und der Überschuss sei offenbar zum Einschmuggeln nach Deutschland bestimmt.
Ich habe keine Veranlassung zu glauben, dass die Schweiz von Grossbritannien schlechter behandelt wird als die anderen neutralen Staaten; der britische Vertreter in Bern, über den ich Ihnen gestern schrieb, dürfte daher kaum für ein besonderes Übelwollen uns gegenüber verantwortlich gemacht werden. Die britische Regierung, die nur über ein schwaches Landheer verfügt, glaubt Deutschland am besten ökonomisch beikommen zu können und bedient sich hiezu aller Mittel, ohne Rücksicht auf die wohlberechtigsten und oft vitalen Interessen der Neutralen. Ob die Regierung die Wirksamkeit dieser Waffe nicht überschätzt, ist eine Frage für sich; ich meine, sie tut es, und ich habe anlässlich der Besprechung unserer Getreideeinfuhr über Rotterdam eine Andeutung in diesem Sinne Sir E. Grey gemacht und ich weiss, dass andere meiner Kollegen in gleicher Weise sich geäussert haben.
Inzwischen ist die feindliche Gesinnung gegen Deutschland hier in starkem Steigen begriffen. In einer deutschen Fabrik auf einem strategischen Punkte nahe London wurden Terrassierungen entdeckt, die angeblich als Fundamente für die 42-cm-Geschütze dienen könnten, und Samstag abend kam es zur Zerstörung und Plünderung, durch den Mob, deutscher Kaufläden im Süden Londons.
In vereinzelten Fällen haben leider unter dieser Gesinnung auch unsere deutschsprechenden Landsleute in Folge von Entlassungen zu leiden, besonders im Kellnerberuf.
Die Furcht vor Zeppelin-Angriffen greift um sich; nachts ist London nur halb beleuchtet, Motorwagen dürfen nur mit schwachen Lichtern fahren usw.; alles, um feindlichen Luftschiffen die Orientierung zu erschweren. An vielen Punkten sind Scheinwerfer und Geschütze gegen Luftfahrzeuge aufgestellt.