Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 6, doc. 43
volume linkBern 1981
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2200.19-01#1000/1703#2* | |
Old classification | CH-BAR E 2200.19-01(-)1000/1703 1 | |
Dossier title | Rapports politiques, sorties (1914–1914) | |
File reference archive | I.B |
dodis.ch/43318
Aus Ihren Berichten2, aus den Mitteilungen des Herrn Paulucci, aus einem Rapporte des Herrn Lardy aus Paris, aus der Presse müssen wir entnehmen, dass in Italien noch immer gewaltiges Misstrauen gegen die Schweiz besteht, als würde diese in einem austro-italienischen Kriege die Pflichten der Neutralität gegenüber Italien nicht erfüllen, sondern dem österreichischen Heere freien Durchmarsch ins Veltlin gewähren, vielleicht nachdem sie pro forma sich an der Grenze aufgestellt haben würde. Die förmliche Allianz mit Österreich kann ja vernünftigerweise nicht mehr behauptet werden, namentlich nachdem die dafür gehende Secolo-Meldung erst kürzlich wieder dementiert wurde, dagegen hat das Truggebilde der «Allianz» nunmehr demjenigen der «Pro-forma-Neutralität» Platz gemacht. Auf der ändern Seite kennen Sie das Misstrauen, das in breitesten Schichten unseres Volkes gegen Italien besteht; dieses Misstrauen hat in letzter Zeit zufolge der Rüstungen Italiens und der Truppenhäufungen in Norditalien insbesondere auch an unserer Grenze gewaltig zugenommen. Diese gegenseitige Mentalität betrachte ich als gefährlich und ich habe mich daher bemüht, nach einem Mittel zu suchen, das auf beiden Seiten beruhigend wirken könnte. Nachdem ich vorgestern und gestern in Sachen Vortrag gehalten und die Zustimmung des Bundesrates zu meinem Vorgehen erwirkt hatte, habe ich heute Herrn Paulucci den Vorschlag zu einem Notenwechsel gemacht. Auszugehen wäre dabei von unserer Neutralitätserklärung vom 5. August3, man würde die Empfangsbestätigung vom 19. August4 ersetzen durch eine Erklärung, zufolge welcher Italien die Grundsätze der Neutralitäts-Anerkennungsakte von 1815 zu den seinigen macht, wogegen wir mit der Empfangsbestätigung für diese Erklärung den Ausdruck unseres besten Willens verbinden würden, unsere Neutralität gegen jeden Angreifer zu verteidigen. Das Letztere mag ja vielleicht als eine überflüssige Erklärung erscheinen, angesichts unserer Notifikation vom 5. August, aber sie erfüllt den Zweck, der Missdeutung unserer Neutralitätserklärung als einer solchen von lediglich formellen Charakter entgegenzutreten. Ich habe Herrn Paulucci folgenden Notenwechsel vorgeschlagen.
Italienische Note (unter Rückgabe derjenigen vom 19. August):
«Par note du 5 août courant la Légation de Suisse a bien voulu porter à la connaissance du Gouvernement de S. M. le Roi d’Italie le texte de la déclaration de neutralité faite par la Confédération Helvétique en raison de la guerre éclatée entre plusieurs puissances européennes.
«Quoique l’Italie ne soit pas une des signataires de l’Acte du 20 novembre 1815, portant reconnaissance et garantie de la neutralité perpétuelle de la Suisse et de l’inviolabilité de son territoire, le Gouvernement du Roi s’est toujours inspiré des principes consacrés par cet Acte et est fermement résolu à observer cette attitude à l’avenir.»
Schweizerische Note:
«Par note du... courant le Gouvernement de S.M. le Roi d’Italie a bien voulu porter à la connaissance de la Légation de Suisse que, tout en n’étant pas une des puissances signataires de l’Acte du 20 novembre 1815, portant reconnaissance et garantie de la neutralité perpétuelle de la Suisse et de l’inviolabilité de son territoire, l’Italie s’est toujours inspirée des principes consacrés par cet Acte et que le Gouvernement du Roi est fermement résolu à observer cette attitude à l’avenir.
«Le Conseil fédéral remercie le Gouvernement de S.M. le Roi d’Italie de cette déclaration à laquelle il est d’autant plus sensible que, se basant sur une politique conforme aux traditions et à la volonté du peuple suisse et résolu de défendre l’intégrité de son territoire contre tout agresseur, il continuera à observer une neutralité absolue à l’égard de qui que ce soit.»
Herr Paulucci schien mit diesem Vorschlag sehr einverstanden und wird ihn seiner Regierung voraussichtlich persönlich überbringen. Sie werden daher Gelegenheit haben, mündlich mit ihm und wahrscheinlich mit dem Auswärtigen Amte zu verhandeln; ich bitte Sie indessen, in keine Verschärfung der Texte einzuwilligen, denn wir müssen damit rechnen, dass die italienische Regierung den Text unserer Erklärung publik machen wird, und dass das in Österreich einen gewissen Eindruck machen dürfte, welchen Eindruck wir nicht verschärfen möchten, da wir gewillt sind, eine völlig unparteiische Mittellinie einzuhalten. Wir unsererseits werden die italienische Erklärung jedenfalls nicht im Wortlaut veröffentlichen, sondern höchstens in Verbindung mit einer Mitteilung, dass Frankreich, Deutschland und Österreich nur neuerdings die Erklärung abgegeben haben, dass sie unsere Neutralität strikte respektieren werden. Am liebsten wäre es uns natürlich, wenn möglichst wenig in die Öffentlichkeit dringt, weil wir, wie gesagt, die Empfindlichkeit Österreichs schonen möchten.
Sie brauchen Herrn Paulucci nicht mitzuteilen, dass Sie Instruktionen erhalten haben.
Der Generalstab hat am 29. August Nachricht erhalten, dass die Grenzpostierungen in den letzten Tagen zwischen dem Jorio und Camoghé auf das Fünffache ihres Normalbestandes gebracht worden seien und dass bisher unbeobachtete kleinere Übergänge jetzt bewacht werden. In Folge dessen ist unsererseits Befehl gegeben worden, die Schutzhütten am Jorio mit Truppen zu belegen.
Ich lege den Meldungen keine übergrosse Bedeutung bei; es sind Massnahmen gegen wirkliche oder vermeintliche (österreichische) Spione.
Wenn die Sprache auf unsere Truppenbelegung gebracht werden sollte, so bitte ich sie als rein vorsorgliche Gegenmassnahmen zu bezeichnen und als im Grund mehr, um durch den vorgeschlagenen Notenwechsel das beidseitige Misstrauen zu verscheuchen.
Indem ich gerne Ihren Mitteilungen über die Erledigung der Frage entgegensehe, ...
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