dodis.ch/43305
Le Chef de l'Etat-Major Général de l’Armée suisse, Th.
vonSprecher, au Chef du Département politique,
A. Hoffmann1
Nachdem ich dem General meine Anschauung über die gegenwärtige militärpolitische Lage der Schweiz dargelegt habe, halte ich es für geboten, Sie von der Auffassung des Armeekommandos in Kenntnis zu setzen. Es ist zweifellos, dass in Italien eine teilweise Mobilmachung durch Einberufung Einzelner und ganzer Jahresklassen im Gange ist. Ebenso sicher erscheint, dass Italien wegen der Volksstimmung es nicht wagen darf, an die Seite Österreichs zu treten. Nicht zu erkennen vermögen wir, ob das gemeldete Zusammenziehen italienischer Streitkräfte den Zweck hat, gegen Albanien oder direkt gegen Österreich vorzugehen, oder ob es einstweilen nur dazu dienen soll, die öffentliche Meinung zu befriedigen. Jedenfalls ist eine italienische Unternehmung gegen Trient und Triest nicht ausgeschlossen, zumal wenn der deutsch-französische Zusammenstoss nicht zu einem Erfolg der deutschen Kräfte führt.
Wir müssen eine solche Gestaltung der Dinge klar und ohne Scheu ins Auge fassen und uns fragen, welche Lage der Schweiz dadurch bereitet wird. Bei der gegenwärtigen Kräfteverteilung des österreich-ungarischen Heeres kann es leicht geschehen, dass Italien sich in Besitz der italienischen Landesteile des Kaiserstaates setzt, und wenn das geschehen ist, werden sie nicht mehr an Österreich zurückfallen. Das nächste Ziel des italienischen Nationalismus ist alsdann das Tessin mit den italienischen Teilen Graubünden s. Hat ÖsterreichSüdtirol und Triest an Italien verloren, so haben wir von Österreichkeine Hilfe mehr zu erwarten, wenn Italien zur Eroberung unserer Südtäler schreitet. Unsere Interessen sind in der Hinsicht zweifellos eng mit denen Österreichs verbunden.
Wir begnügen uns heute den Gedanken auszusprechen und den Herrn Bundespräsidenten als den Leiter der eidgenössischen auswärtigen Politik zu bitten, dieser Lage seine Aufmerksamkeit schenken zu wollen und der Armeeleitung Gelegenheit zu weiterer mündlicher Aussprache zu geben.