Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 374
volume linkBern 1983
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001A#1000/45#1231* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(A)1000/45 198 | |
Dossier title | Konsulat, Personal (1896–1913) | |
File reference archive | C.321-23-08 |
dodis.ch/43229
Es ist eine nachgerade überall zu beobachtende Erscheinung, dass ein Teil des Handels seine Förderung - abgesehen von der Zollpolitik - mehr und mehr vom Staat und von seinen Vertretungen im Ausland erwartet, und dass vielfach geglaubt und verlangt wird, diese staatlichen Vertretungen müssten inskünftig vorwiegend unter Berücksichtigung solcher Auffassungen und Aufgaben geschaffen und geleitet werden. Einer sagt es dem Ändern nach, und immer sind etwa Beispiele von anderswoher zur Hand, die ungeprüft als beweiskräftig hingenommen werden. Und doch ist da gut zu unterscheiden und wohl zuzusehen, welche Bewandtnis es mit einer solchen Förderungsmöglichkeit hat. Ein allzu grosses Entgegenkommen auf diesem Gebiete könnte nämlich, ohne den erhofften bleibenden Nutzen zu bringen, leicht recht weit führen und in der natürlichen Zuteilung der Rollen eine Verkehrung bedeuten, die man erst hintendrein und zu spät als solche erkennen würde. Auch hier spielt mächtig die Mode mit, und es wird zur Pflicht, sich nicht ohne Weiteres in ihren Bann zwingen zu lassen.
Wenn auch nicht in Abrede gestellt werden soll, dass der Staat zur Förderung des Auslandhandels beitragen kann und muss, so ist doch von vorneherein zu betonen, dass das mögliche Mass dieser Beihilfe sehr verschieden sein wird, und dass es auch die anzuwendenden Mittel sein müssen. Sich bei diesem Anlass hierüber in den beliebten geistreichen Ausführungen neuzeitiger Wirtschaftler ergehen zu wollen, hätte keinen Zweck. Das in Betracht kommende und zu beurteilende Feld ist bis auf Weiteres die Erde, und sie ist nicht so unermesslich gross, dass sich nicht sozusagen für jedes Land die Besonderheiten seines staatlichen Verhaltens beim Wettbewerb in den verschiedenen Absatzgebieten würde feststellen lassen.
Ein kleines und nicht einmal über eine Flotte verfügendes Land kann als Staat offenbar nicht in gleicher Weise mittun wie grosse Völker mit all ihren ihnen zur Verfügung stehenden Einflussnahmen. Die beste stehende Diplomatie eines kleinen Staates kann da nicht viel ausrichten. Die Ausnützung sich bietender günstiger Umstände ist aber auch auf anderem Wege möglich. Als einziges Beispiel aus der Vergangenheit mag Japan dienen; als solches aus der Gegenwart Australien. Bei richtiger Behandlung liesse sich bei letzterem sicherlich mancherlei auswirken. Ohne do ut des ist freilich nirgends etwas zu finden. So ist es z. B. undenkbar, dass die Schweiz einen Vertrag mit einem ändern Staate, auch mit dem kleinsten der Erde, zustande bringe mit der Bedingung, dass dieser andere Teil sich verpflichte, diese oder jene Bestellungen nur in die Schweiz zu vergeben. Die Schweiz kann kein anderes Land derart unter ihre finanzielle oder politische Botmässigkeit bringen, dass es genötigt wäre, sich einem solchen Ansinnen zu unterwerfen. Die diplomatischen Mittel der Schweiz sind mithin in solchen Fällen erschöpft, wo die der Grossen erst recht einsetzen und wirksam zu werden anfangen.
Die Schweiz muss die Förderung ihres Auslandsabsatzes zunächst suchen durch das Mittel einer einsichtigen innern Wirtschaftsgesetzgebung, sodann bei den Ländern, wo es erreichbar ist, durch das Mittel zollmindernder und sonst die Meistbegünstigung in allen Beziehungen sichernder Verträge, und daneben durch das Mittel besonders zu diesem Zwecke zu schaffender Einrichtungen mit brauchbaren leitenden Persönlichkeiten.
Die eigentliche ständige diplomatische Vertretung hilft dabei wenig. Das Hesse sich nachweisen sowohl bei einer genauen Musterung der Dienste der schweizerischen Vertretungen im Auslande als bei einer solchen der Dienste der ausländischen Vertretungen in der Schweiz. Eine ständige diplomatische Vertretung nützt dem in Rede stehenden Zwecke um so weniger, je geringer die Einschätzung des Wertes der Schweiz im betreffenden Fremdstaate an sich ist und sein kann. In diesen Feststellungen liegt nicht die leiseste Herabsetzung der Dienste der schweizerischen Vertretungen, soweit sie überhaupt geleistet werden können. Aber sie waren und sind unumgänglich, wenn versucht wird, die Notwendigkeit oder auch nur die Wünschbarkeit neuer diplomatischer Vertretungen, eben hauptsächlich mit dem Hinweis auf die mögliche wesentliche Hebung des schweizerischen Auslandshandels darzutun.
Wenn nicht andere gewichtige Gründe für die Errichtung weiterer schweizerischer Gesandtschaften sprechen, so ist sie aus sogenannten wirtschaftlichen nur mit äusserster Vorsicht vorzunehmen. Es ist der einzelne Fall sorgsamst zu prüfen. Denn gerade eine Gesandtschaft ist an sich weniger geeignet zur Anbahnung und Hebung des Verkehrs als eine nicht in diesem hohen Rang stehende Stelle ohne diplomatischen Charakter. Und wenn letztere versagen sollte, weil die Verhältnisse nicht günstig sind, so kann sie jederzeit ohne Rücksicht wieder aufgehoben werden; eine Gesandtschaft aber nicht. Die Richtigkeit dieser Ausführungen ergibt sich übrigens auch aus der Tatsache, dass die grossen Staaten ihren diplomatischen Vertretungen überall besondere wirtschaftliche Kräfte oder Einrichtungen in irgend einer Form beigeben, wo es die Umstände als angezeigt erscheinen lassen. Und mehr und mehr kommt man mit gutem Grunde dazu, diese wirtschaftlichen Vertretungen von den diplomatischen im engern Sinne des Wortes abzulösen, weil die einen die ändern in ihrer Tätigkeit eher hemmen.
Weil nun aber diplomatische Vertretungen ein schönes Stück Geld kosten und da, wo wirtschaftliche Vertretungen sich nahelegen, diese doch nicht überflüssig machen, und weil diplomatische Vertretungen sehr schwer wieder rückgängig gemacht werden können, muss die Frage nach ihrer Nützlichkeit aus ändern als wirtschaftlichen Gründen unbedingt bejaht werden können, ehe neue geschaffen werden. Auch wäre zu untersuchen, ob mit einem verhältnismässig bescheidenen Teil des ersparten Geldes sich nicht Organisationen im Lande selbst einrichten Hessen, die in kürzerer Zeit in die Lage kämen, dem Auslandshandel in jeder Hinsicht bleibende und beste Dienste zu leisten. Organisationen, für die schon vor zwei Jahrzehnten die Mitwirkung des Bundes nachgesucht worden ist, für die damals an leitender Stelle aber das erforderliche Verständnis noch fehlte.
Wir gestatten uns zu wiederholen: allgemein gültige Regeln lassen sich da nicht aufstellen. Es sind auch Kombinationen der verschiedensten Art denkbar und je nachdem sehr nützlich. Die vorgebrachten Gedanken sollen auch nur Andeutungen sein, die auf Wunsch in greifbarere Form gebracht und die vielleicht gelegentlich Gegenstand eingehenderer Erörterungen in zuständigen Kreisen werden könnten, wobei sich für eine nähere Zukunft Richtlinien würden festlegen lassen. Es sei erlaubt, nur noch eine grundsätzliche Erwägung anzuschliessen. Je mehr die Schweiz davon abgeht, diplomatische Vertretungen nur da zu halten, wo die Verhältnisse es unbedingt erfordern (und sie ist schon über diese Grenze hinausgegangen), desto schwerer wird es sein, stets neu auftauchenden Verlangen von innen oder von aussen zu widerstehen. Die Schweiz verfügt jedoch nicht über das dann nötig werdende Geld und sie verfügt namentlich auch nicht, und das ist noch ungleich viel wichtiger, über die geeigneten Persönlichkeiten. Und wenn sie solche in der unerlässlichen Qualität doch aufbrächte, so wäre es erst recht jammerschade, deren Dienste auf möglichst wenig Beschäftigung und Befriedigung bietenden Posten irgendwo Übersee oder sonstwo der Heimat verloren gehen zu lassen.
Diese Betrachtungen haben wir der Beantwortung Ihrer Anfrage vom 19. Juni d. J.3 vorausschicken wollen, ob nicht das Generalkonsulat in Madrid zu einer Gesandtschaft erhoben und ob nicht Herr Generalkonsul und Geschäftsträger A. Mengotti mit deren Leitung betraut werden sollte.
Die Frage war schon einmal gestellt, im Jahre 1910, in der weitern Fassung, ob nicht das damalige Generalkonsulat in einen Posten mit diplomatischem Charakter umzuwandeln sei. Der Bundesrat hat dann diese Frage bejaht und Herrn Generalkonsul Mengotti unterm 22. November 1910 als Geschäftsträger bestellt. Es war damals schon mit Sicherheit vorauszusehen, dass das Begehren nach einer Gesandtschaft nicht lange werde auf sich warten lassen. Wir wissen denn auch aus einem uns von dritter Seite zugestellten Brief eines der Unterzeichner (C. Bloch) der mit keinem Datum versehenen Eingabe, die Ihr Departement seinem Schreiben vom 19. Juni d.J.4 beilegte, dass eine wörtlich gleichlautende Eingabe schon unmittelbar nach der Ernennung des Herrn Mengotti zum Geschäftsträger verfasst und dann nur auf dessen Wunsch nicht sofort an den Bundesrat übermittelt worden ist. Diese frühere Eingabe unterscheidet sich von der nunmehrigen einzig dadurch, dass auf letzterer der Name Alfred Jequier nur einmal statt zweimal erscheint, und dass vier Namen Mengotti (von denen ebenfalls zwei gleich lauteten) weggelassen worden sind. Nur nebenbei sei bemerkt, dass von den 97 Namen der Eingabe 8 auf Matossi, 7 auf Lardelli bezw. Lardely und 5 auf Jequier entfallen. Etwas eigentümlich berührt auch, dass Alfred Jequier und die Firmen Matossi & Cie, sowie Matossi, Fanconi & Cie. je zweimal als Unterzeichnende erscheinen. Ferner enthält die Liste Namen, deren Träger, wie uns bekannt ist, seit einiger Zeit nicht mehr in Spanien wohnen.
Als hauptsächlichster Grund für die Notwendigkeit einer Rangerhöhung des Postens in Madrid werden die erfreuliche Steigerung des Absatzes schweizerischer Waren in Spanien und der Anteil geltend gemacht, den der staatliche Vertreter daran habe. Nichts liegt uns ferner, als misskennen oder unterschätzen zu wollen, dass Herr Mengotti sein Bestes tut, um dem schweizerischen Handel in Spanien Vorschub zu leisten. Allein dies kann uns nicht daran hindern zweierlei festzustellen: erstens, dass der schweizerische Export nach Spanien innert zehn Jahren im Verhältnis zur Gesamtausfuhr leider gar keinen Fortschritt hat machen können, und zweitens, dass die tatsächliche Vermehrung dem günstigen Handelsvertrag von 1905 und dem Umstand zuzuschreiben ist, dass Spanien kaufkräftiger wurde und dass andere Absatzgebiete schwieriger geworden sind.
Dass es nicht in der Macht eines schweizerischen diplomatischen Vertreters steht, auf die Förderung oder Erhaltung des Absatzes heimatlicher Waren irgendwie entscheidend ein wirken zu können, soweit es sich nicht um die glückliche Beseitigung von Zollanständen handelt, beweist wohl am deutlichsten die schweizerische Vertretung in Paris, die es trotz ihrer vorbildlich ausgezeichneten Führung nicht hat verhüten können, dass der schweizerische Absatz nach Frankreich mehr und mehr verkümmerte. Es wird gut sein, sich vor Trugschlüssen zu hüten, und wir haben die Überzeugung, dass ein umsichtig und unausgesetzt für die Mehrung des schweizerischen Exports nach Spanien tätiger und besorgter Mann nach dieser Richtung als Generalkonsul mehr leisten kann als ein Herr Gesandter. Jeden Berufskonsul aber, der seine Pflicht ganz zu erfüllen bestrebt ist, deswegen zum bevollmächtigten Minister zu machen, schiene uns eine gewagte und, wie wir oben dargetan, unter Umständen sehr weit führende Angelegenheit.
Da die Beteiligten stets bereit sind, jede Vergrösserung oder Erweiterung staatlicher Vertretungen als Gewähr für eine entsprechend erwartete Mehrleistung für sie zu betrachten, und da sie sich dabei um die Folgen in ihrer Gesamtheit wenig kümmern, so ist nicht unwahrscheinlich, dass der schweizerische Handel in seiner Mehrheit gegen die Errichtung einer Gesandtschaft in Madrid kaum etwas einwenden würde. Allein wir halten dafür, die Frage verdiene eine gründliche Prüfung unter allen in Betracht fallenden Gesichtspunkten, und im Zusammenhang mit ändern ähnlich oder gar gleichliegenden Fällen.
Deshalb möchten wir uns gestatten, anzuregen, es sei mit der Errichtung einer Gesandtschaft in Madrid noch zuzuwarten, und es sei die nächste übliche Herbstzusammenkunft der schweizerischen diplomatischen Vertreter zu benützen, um in einem Meinungsaustausch die Frage der schweizerischen diplomatischen und wirtschaftlichen Vertretung einer grundsätzlichen Erörterung und einer die nähere Zukunft bestimmenden Besprechung zu unterstellen. Es würden dabei mit Nutzen wohl auch das Eidgenössische Handelsdepartement, das Auswanderungsamt und vielleicht einige Vertreter des Handels beigezogen.
- 1
- Unterzeichner: Der Vizepräsident, Alfred Frey; der 1. Sekretär, Hans Schuler.↩
- 2
- Schreiben: E 2001 (A), Archiv-Nr. 1240.↩
- 3
- E 2001 (A), Archiv-Nr. 1240.↩
- 4
- E 2001 (A), Archiv-Nr. 1240.↩