Language: German
15.2.1913 (Saturday)
Der schweizerische Gesandte in London, G. Carlin, an den Vorsteher des Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartementes, E. Schulthess
Letter (L)
England wünscht, dass die Kündigungsmöglichkeit auf die Artikel IX und X des Vertrages von 1855 beschränkt wird. Die Dominions hätten anfangs auf der Kündigungsmöglichkeit des ganzen Vertrages bestanden, um die Niederlassung von Ausländern in ihren Gebieten zu beschränken.

Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. BILATERALE BEZIEHUNGEN
9. Grossbritannien
9.1. Handel mit Kanada
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Printed in

Herbert Lüthy, Georg Kreis (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 356

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Bern 1983

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Cover of DDS, 5

Repository

dodis.ch/43211
Der schweizerische Gesandte in London, G. Carlin, an den Vorsteher des Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartementes, E. Schulthess1

[...]2 1

Sie werden diesen Aktenstücken entnehmen, dass die Britische Regierung, unter Vorbehalt der Zustimmung der «Dominions», sich nun doch auf mein erneuertes Drängen entschlossen hat, zu einer nur teilweisen Kündigungsmöglichkeit des Vertrages von 1855 ihre Zustimmung zu geben. Sie wünscht sogar, dass diese Möglichkeit auf die Art. IX und X beschränkt werde, was uns natürlich nur recht sein kann. In der Note vom 5. Okt. 19123 hatte das Auswärtige Amt, (wie es nun behauptet, irriger Weise) neben den Artikeln IX und X auch von Artikel VII gesprochen. In einer Unterredung erklärte mir der zuständige Referent später, dass nicht Artikel VII, sondern Artikel VIII gemeint sei, was Sinn gehabt hätte. Jetzt aber wird gesagt, dass die Kündigungsmöglichkeit sich weder auf Artikel VII, noch auf Artikel VIII zu beziehen habe, sondern einzig auf Artikel IX und X.

Die Annahme unseres Wunsches durch die Britische Regierung ist aber, wie bemerkt, von der Bedingung abhängig gemacht, dass die nach Eintreffen unserer zusagenden Antwort zu befragenden «Dominions» hiezu ihre Zustimmung geben. Wie ich gestern Abend von Herrn Law erfuhr, nimmt er an, dass von den «Dominions» keine Schwierigkeiten zu erwarten seien. Sie hätten allerdings anfangs auf die Kündigungs-Möglichkeit des ganzen Vertrages bestanden und, wie endlich heraus kam, deshalb, um in der Lage zu sein, die Niederlassung von Ausländern in ihren Gebieten zu beschränken. Es sei dabei hauptsächlich an die japanische und chinesische Einwanderung gedacht worden. Da aber eine Einwanderung aus der Schweiz eher als wünschenswert zu betrachten sei, so meint Herr Law, dass uns gegenüber keine Schwierigkeiten entstehen werden.

Der Note Sir Edward Grey’s liegt ein auf dieser neuen Grundlage verfasster Protokoll-Entwurf bei. Was in demselben unsern Wünschen nicht entspricht, ist, dass von der Verabredung einer provisorischen Fortdauer des gegenwärtigen Zustands auch nach Ablauf der 12-monatlichen Kündigungsfrist abgesehen wird. Sie werden ermessen, ob wir in Anbetracht des erreichten Resultats einer nur teilweisen Kündigungsmöglichkeit, und, um die Verhandlungen endlich zu einem Abschluss zu bringen, auf diese Ihre Forderung verzichten können. Hiebei ist in Betracht zu ziehen, dass es möglich sein dürfte, im gegebenen Falle, wie es oft geschieht, eine Verlängerung zu vereinbaren, wenn die eingeleiteten Verhandlungen innerhalb der 12 Kündigungsmonate nicht zu einem Ergebnis geführt haben sollten. Für näherliegende «Dominions» wie Kanada dürfte es möglich sein, in 12 Monaten sich zu verständigen; für weiterliegende wie Australien und Neu-Seeland könnten allerdings die Unterhandlungen eine geraumere Zeit in Anspruch nehmen.

[...]4

1
Schreiben (Kopie): E 13 (B)/26.
2
Carlin übersendet Kopien der Note und des Protokollentwurfes von Sir Edward Grey.
3
Kopie in: E 13 (B)/26.
4
Es folgen Ausführungen zu Redaktionsfragen des britischen Protokollentwurfes. Am 11. April 1913 beschloss der Bundesrat auf Antrag des Handelsdepartementes vom 4. April 1913, den schweizerischen Gesandten in London zu ermächtigen, sich mit dem vorgelegten Entwurf einverstanden zu erklären (E 1004 1/252). Die Zusatzübereinkunft wurde am 30. März 1914 in London von G. Carlin und Sir E. Grey unterzeichnet. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend eine Zusatzübereinkunft zum Freundschafts-, Handels- und Niederlassungsvertrag mit Grossbritannien vom 6. September 1855, vom 21. Dezember 1914 in: BBl 914, IV, S. 833 ff. Bundesbeschluss vom 9. Juni 1915 und Text der Zusatzübereinkunft in: AS 1915, NF 31, S. 301 ff.