Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
I. INTERNATIONALE LAGE
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 5, doc. 348
volume linkBern 1983
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2001A#1000/45#687* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2001(A)1000/45 87 | |
Titolo dossier | Nr. 665. Allgemeines, insbesondere Berichte der schweizerischen Auslandvertretungen. Schweizerische Neutralitätserklärung. Mitteilungen der Kriegsparteien (1912–1912) | |
Riferimento archivio | B.267 |
dodis.ch/43203
Ich habe von Ihrem Schreiben v. 4. 1. Mts. mit lebhaftem Interesse Kenntniss genommen. Da sie am Schluss desselben sagen, die Mitteilungen des russischen Gesandten in Bern seien Ihnen offenbar gemacht worden, «damit wir sie weitergeben», so telephonierte ich heute Morgen Sir E. Grey, um ihn, wenn möglich, heute noch zu sprechen. Er empfing mich um 4 Uhr und ich brachte ihm den Inhalt der Eröffnungen des Herrn Bacheracht zur Kenntnis2. Er dankte mir für meine Mitteilungen und bemerkte, er sei etwas darüber erstaunt, dass man in Petersburg sich an dem bekannten Passus der Rede des deutschen Reichskanzlers stosse. Es seien ihm hierüber von Russland keinerlei Bemerkungen gemacht worden. Ich will gleich hier beifügen, dass der hiesige Russische Botschafter, den ich unmittelbar nach meiner Besprechung mit Sir E. Grey zu sehen Gelegenheit hatte, bestätigte, es sei dies ganz richtig, aber er wisse nicht, ob die russische Regierung vielleicht in Berlin Vorstellungen gemacht, indessen, um die Angelegenheit nicht zu verschärfen, es unterlassen habe, die anderen Regierungen der Grossmächte aufmerksam zu machen. Es würde dies den über Bern gewählten Umweg erklären.
Natürlich benutzte ich die Gelegenheit, um Sir E. Grey zu fragen, ob er die nunmehr pessimistische Anschauung des Herrn Bacheracht teile. Er antwortete, die Lage sei jedenfalls ernst, aber an eine unmittelbare Gefahr glaube er nicht. Er könne versichern, dass sowohl Österreich-Ungarn als Serbien damit einverstanden seien, dass ihre Interessendifferenzen nicht jetzt schon, sondern erst anlässlich der Prüfung, durch die Grossmächte, der zwischen den Verbündeten und der Türkei vereinbarten Friedensbedingungen, zum Austrage gebracht werden sollen. Inzwischen wolle Österreich-Ungarn, das bisher so viel Geduld gezeigt habe, sich jeder gewalttätigen Massnahme gegen Serbien enthalten und Serbien seinerseits habe versprochen, jeden Akt zu vermeiden, der als Provokation Österreich-Ungarns ausgelegt werden könnte. Wenn also kein unvorhergesehener Zwischenfall eintrete, so sei zu unmittelbaren Befürchtungen keine Veranlassung. Die Sache könnte sich allerdings später, bei der Erörterung der Friedensbedingungen, wieder zuspitzen. Der russische Botschafter teilt diese Meinung, fügt aber bei, dass auch dann Russland unmöglich Serbien im Stiche lassen könnte.
Der Tatsache, dass Griechenland den Waffenstillstand nicht mitunterzeichnet habe, legt Sir E. Grey keine grosse Bedeutung bei. Er denkt, dass Griechenland trotzdem an den vorläufigen Friedensunterhandlungen, die in der Tat am 13. 1. Mts. hier eröffnet werden sollen, teilnehmen werde. Hier mag als Curiosum bemerkt werden, dass, wie mir der russische Botschafter sagte, London als Versammlungsort der Delegierten der kriegsführenden Staaten bezeichnet wurde, ohne vorgängige Mitteilung an die britische Regierung.
Selbstverständlich hätte ich bei diesem Anlasse gerne erfahren, welche Stellung Grossbritannien einzunehmen gedenke, wenn es, was mir immer noch unwahrscheinlich erscheint, zu kriegerischen Konflikten kommen sollte, in die, neben Russland und Österreich-Ungarn, auch Deutschland und Frankreich hineingezogen würden. Ich scheute mich nicht, Sir E. Grey diese Frage zu stellen. Aber, wie mir schon der russische und der französische Botschafter gesagt hatten, war die Antwort ausweichend. Sie konnte kaum anders lauten, da ein britischer Minister nicht in der Lage ist, bindende Zusagen zu machen, ohne Einwilligung des Cabinets und des Parlaments. Dies sind wenigstens die Gründe, die mir schon früher der französische Botschafter anführte. Immerhin bemerkte Sir E. Grey, das Verhalten Englands würde von den Umständen und auch von der Anzahl der an dem Conflikt beteiligten Staaten abhängen. Daraus geht hervor, dass Grossbritannien, wenigstens nach der persönlichen Ansicht Sir E. Grey’s, nicht neutral bleiben würde, wenn der allfällig ausbrechende Krieg nicht auf Russland und Österreich-Ungarn allein beschränkt bliebe.
Zum Schluss will ich noch beifügen, dass mir der russische Botschafter sagte, sowohl sein türkischer Kollege als der bulgarische Gesandte hätten ihm den Text des Waffenstillstands-Abkommens mitgeteilt und er habe mit grosser Überraschung festgestellt, dass die Texte nicht übereinstimmen! Graf Benckendorff kann sich die Sache nicht erklären; er meint aber, dass dadurch die Friedensverhandlungen zwischen den kriegsführenden Parteien nicht erleichtert werden dürften.
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Situazione internazionale (fino al 1914)