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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 5, doc. 180
volume linkBern 1983
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2001A#1000/45#559* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2001(A)1000/45 47 | |
Titolo dossier | Nr. 479. Berichte der schweizerischen Delegation (1907–1907) | |
Riferimento archivio | B.231-2 |
dodis.ch/43035
[...]2
Schiedsgerichte. Zu diesem Thema liegen eine Reihe von Anträgen, von z. T. weittragender Bedeutung vor.
I. Als organisatorische Bestimmung kommt hauptsächlich in Betracht der Vorschlag der Vereinigten Staaten betr. die Bildung eines permanenten Schiedsgerichts. (No. 27) Darnach soll ein aus 15 Mitgliedern bestehender Gerichtshof, über dessen Besetzung indessen noch keine näheren Vorschläge gemacht worden sind, jährlich im Haag Zusammenkommen. Da nach dem amerikanischen Vorschlag dieses Gericht keine selbständige Jurisdiktion hat, so wird die unausbleibliche Folge die sein, dass der Gerichtshof, trotz seiner Permanenz, keine oder nur sehr wenig Arbeit haben wird und dadurch in eine etwas eigentümliche Lage kommt. Um dies zu vermeiden, werden dann sehr wahrscheinlich Bestrebungen hervortreten, diesem Gericht wenn möglich die unter die eventuelle obligatorische Schiedsrechtssprechung fallenden Streitigkeiten zuzuweisen. Dadurch würde der Permanente Gerichtshof, wie er durch die Konvention von 1899 geschaffen wurde, jede Lebensfähigkeit verlieren, und das Grundprincip der Schiedsgerichte, die freie Wahl der Richter durch die Parteien preisgegeben. Dass in einem aus 15 Mitgliedern bestehenden Gericht die Interessen der kleinen und mittleren Staaten besonders gewahrt würden, ist kaum anzunehmen. Es mag auch bemerkt werden, dass durch die Entstehung eines solchen Gerichts die Stellung der Schweiz in Bezug auf internationale Institutionen gefährdet werden könnte. Immerhin würden wir, wenn der amerikanische Antrag belieben sollte, uns durch Fernbleiben von der Konvention nur schaden.
Von geringerer Bedeutung ist der peruanische Antrag (No. 23), wonach ein Staat, der sich mit einem ändern nicht verständigen kann, durch das Medium des Internationalen Bureaus im Haag der Gegenpartei seine Geneigtheit zur Bestellung eines Schiedsgerichts und seinen Rechtsstandpunkt bekannt geben kann. Einen Vorteil können wir hierin kaum erblicken; im Gegenteil, es erinnert eine solche Notifikation an eine gerichtliche Zustellung und würde, wie uns scheint, wohl besser durch eine befreundete, neutrale Macht vermittelt3.
II. Nicht-obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit beantragt die Delegation von Haiti (No. 21), indem sie den Artikel 16 der Konvention von 1899 in der Weise erweitert, dass die Anrufung von Schiedsgerichten sich auch für Schadenersatzansprüche empfehle. Wir können diese Formulierung nicht unterstützen, da die internationalen Schiedsgerichte sich ihrer ganzen Natur nach nur eignen für Fälle, die nach internationalem Recht zu entscheiden sind u. sich nicht auf durch Landesrecht beherrschte Rechtsverhältnisse beziehen4.
III. Partiell obligatorische, d.h. nur für den Reklamanten verbindliche Schiedsgerichtsbarkeit wird von San Domingo (No. 30) beantragt. Dieser Antrag deckt sich wörtlich mit dem in unserem gestrigen Schreiben No. 2905 begutachteten amerikanischen Vorschlag, von dem er sich nur dadurch unterscheidet, dass die Anbietung eines Schiedsgerichts auch für Schadensersatzforderungen vorgeschrieben wird. Was gegen den Urantrag gesagt wurde, gilt gegen den erweiterten Antrag a fortiori6.
IV. Die obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit wird beantragt von Serbien (No. 22), Portugal (No. 26), den Vereinigten Staaten (No. 28) und Schweden (No. 29).
Der Vorschlag der Vereinigten Staaten enthält das Obligatorium in sehr bedingter Form. Einmal wird, wie im portugiesischen und schwedischen Antrag, die Interessenclausel aufgenommen und sodann bedarf es für jeden konkreten Fall noch eines Spezialkompromisses. Da, sofern nicht der von der deutschen Delegation gemachte Vorschlag betr. die mittelbare Abschliessung des Kompromisses (vgl. unsern Bericht No. 234)7 angenommen wird, keine Garantien für das Zustandekommen des Kompromisses und keine Bestimmungen für den Fall des Nichtzustandekommens vorgesehen sind, läuft der amerikanische Antrag tatsächlich auf das bereits 1899 normierte System hinaus, hat aber den Nachteil, dass im Fall des Nichtzustandekommens des vertraglich stipulierten Kompromisses jeder Teil dem ändern Vertragsbruch vorwerfen kann, wodurch die Situation jedenfalls nicht verbessert wird. Immerhin hat das Sepzialkompromiss den Vorteil, die Möglichkeit zu bieten, unannehmbare Konsequenzen der obligatorischen Schiedssprechung vor ergangenem Urteil in jedem konkreten Falle wegzubedingen. Auf diesen Punkt werden wir weiter unten noch zurückkommen8.
Das ausführlichste Projekt ist das portugiesische. Es unterwirft dem Obligatorium alle Streitigkeiten juristischer Natur sowie solche, welche die Interpretation von Staatsverträgen betreffen. Es wird sodann eine umfangreiche Liste von Fällen aufgestellt, in welchen die Erhebung der peremptorischen Einrede der sog. vitalen Interessen explicite ausgeschlossen wird, ohne dass in den übrigen Fällen deshalb eine Rechtspflicht zur Annahme des Schiedsgerichts der Substanz nach ausgeschlossen wäre9.
Principiell ganz gleich wie der portugiesische ist der schwedische Antrag; nur dass er die Interessenklausel bloss in drei Fällen ausschliesst, die sich alle auf Geldforderungen beziehen. Ziffer 3 von Art. 18 (No. 29) scheint uns aber ausserordentlich weit zu gehen und in dieser Form unannehmbar zu sein. Dadurch würden alle Forderungen aus Kriegsschäden, ungerechtfertigter Verhaftung Fremder etc. nicht dem Schiedsgericht entzogen werden können. Eine derartige Klausel wäre noch bedeutend schlimmer als der von San Domingo modifizierte Antrag der Vereinigten Staaten.
Der serbische Antrag endlich stellt das Obligatorium schlechthin auf für eine ganze Reihe von Verträgen und für alle Geld- und Schadensersatzforderungen zwischen Staaten und zwischen solchen und Fremden, vorausgesetzt allerdings, dass kein nationales Gericht kompetent ist, was allerdings kaum der Fall sein wird10.
Das obligatorische internationale Schiedsgericht kann u.E. jedenfalls nur unter weitgehenden Vorbehalten angenommen werden, wenn es nicht, wenigstens für kleinere Staaten, eine Quelle beständiger Verlegenheiten und Bedrükkungen werden soll.
Als Hauptvorbehalt ist zu betrachten, dass ein internationales Schiedsgericht nur ausschliesslich durch internationales Recht (Völkerrecht) beherrschte Rechtsverhältnisse, also nur Streitigkeiten von Staat zu Staat, nie aber Ansprüche von Privaten gegen einen Staat, für welche Landesrecht maassgebend ist, beurteilen kann. Es sei denn, dass ein Staat generell oder in einem besonderen Fall principiell nationale Jurisdiktion an ein internationales Gericht abtrete; eine solche Delegation ist aber jedenfalls nie zu vermuten und kann jedenfalls nur in ganz besimmten Grenzen je generell zugestanden Werden.
Wenn Private aus Staatsverträgeh unmittelbar Rechte ableiten können und, wie dies bei uns durch das BG. betr. die Bundesrechtspflege der Fall ist, nationale Gerichts- und Verwaltungsinstanzen anrufen können, sollte ebenfalls jede Weiterziehung der von den Landesbehörden definitiv gefällten Entscheide ausgeschlossen sein. Ein Schiedsgericht kann höchstens die Rechtslage für die Zukunft gestalten und den Vertrag authentisch interpretieren, aber nicht als Oberinstanz für einen von den Gerichten des einen Staates definitiv entschiedenen Streitfall funktionieren. Aus diesen Erwägungen und insbesondere aus naheliegenden politischen Gründen scheint für uns die Annahme von Art. 16 b Ziff. 1 (o) und (p), Verträge über Gerichtswesen und Auslieferung betreffend, des portugiesischen Antrages in der gegenwärtigen Form unannehmbar.
Im Übrigen dürfte die Annahme des Obligatoriums für ganze Klassen von Verträgen auch noch aus ändern Gründen nur mit Vorbehalt möglich sein, da schiedsrichterliche Urteile unter Umständen ganz unerwartete Einwirkungen auf das interne Recht haben können und bei zwischen mehreren Staaten abgeschlossenen Verträgen geeignet sind, diesen Verträgen ihre rechtliche Einheit zu nehmen, wenn zwischen verschiedenen Kontrahenten in der gleichen Rechtsfrage von verschiedenen "Schiedsgerichten ungleiche Urteile gefällt werden.
Es scheint uns deshalb, dass die Einführung des Obligatoriums eine sehr genaue, vorgängige Prüfung der Tragweite einer solchen Rechtssprechung für jede Kategorie von Verträgen erfordert. Diese Prüfung dürfte aber wohl hier während der Konferenz kaum möglich sein. Aus diesem Grunde wäre jedenfalls zu erwägen, ob nicht eine blosse Resolution ohne unmittelbar verbindlichen Charakter vorzuschlagen, bezw. zu unterstützen wäre, durch welche die Wünschbarkeit des Obligatoriums ausgesprochen, gleichzeitig aber Vorbehalten würde, die durch die Gesetzgebung jedes Staates bedingten Beschränkungen der internationalen Gerichtsbarkeit vorerst zu bestimmen, ehe eine Verbindlichkeit übernommen würde.
Sofern man jetzt schon dem Obligatorium für gewisse Klassen von Fällen zustimmen wollte, wäre jedenfalls nur der amerikanische Vorschlag annehmbar, nach welchem in jedem Anwendungsfall noch durch ein Kompromiss die «étendue des pouvoirs des arbitres» festzustellen wäre. Dadurch wäre wenigstens die äussere Form gewahrt, das Wesentliche des Obligatoriums, die einseitige Anrufung des Gerichts jedoch preisgegeben, und damit die Möglichkeit geboten, unvorhergesehene und unannehmbare Konsequenzen der Institution auszuschliessen.
- 1
- Schreiben: E 2001 (A), Archiv-Nr. 479. Nr. 298 I. Kommission I. Subkommission Schiedsgerichte etc.↩
- 2
- Der Bericht geht zu Beginn auf zwei Anträge Haitis betreffend Mediation und Enquêtekommission ein.↩
- 3
- Randbemerkung: Ablehnen.↩
- 4
- Randbemerkung: Ablehnen.↩
- 5
- Nr. 179.↩
- 6
- Randbemerkung: Ablehnen.↩
- 7
- E 2001 (A), Archiv-Nr. 471.↩
- 8
- Randbemerkung: Es entspricht den von der Schweiz abgeschlossenen Schiedsverträgen.↩
- 9
- Randbemerkung: Ablehnen.↩
- 10
- Randbemerkung: Ablehnen.↩
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Conferenze di pace all'Aia (1899 e 1907)