Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 169
volume linkBern 1983
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E14#1000/39#8* | |
Old classification | CH-BAR E 14(-)1000/39 2 | |
Dossier title | Korrespondenz über Einrichtung und Subventionierung eines permanenten Ausstellungskomitees mit ständigem Sekretär; erster Bericht der Schweizerischen Zentralstelle für Ausstellungswesen (1907–1910) |
dodis.ch/43024
Von den Vorständen des Schweizerischen Bauernverbandes, des Schweizerischen Gewerbevereins, des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins und einem Vertreter verschiedener Initianten wird mit beiliegender Kollektiveingabe vom 30. vor. Mts. an den Bundesrat die Anfrage gerichtet, ob er grundsätzlich geneigt wäre, ein von den genannten Verbänden einzusetzendes permanentes Ausstellungskomitee mit einem ständigen Sekretär zu subventionieren.
In der Eingabe wird ausgeführt, dass die in der schweizerischen Sektion der Mailänderausstellung zu Tage getretenen Mängel organisatorischer Natur zum Nachdenken darüber angeregt hätten, wie in Zukunft besseres geleistet und das Ausstellungswesen für die Schweiz überhaupt fruchtbringender gestaltet werden könnte. Als Ursachen der bisherigen Mängel seien hauptsächlich die Tatsachen anzusehen, dass bis jetzt die schweizerische Beteiligung an ausländischen Ausstellungen jeweilen nicht früh genug habe organisiert werden können, weil es an einem Organ gefehlt habe, das in der Initiative nicht durch offizielle Rücksichten gehemmt wurde, und dass anderseits die Persönlichkeiten, welche eine Ausstellung geleitet und dabei Erfahrungen gesammelt haben, bei spätem Unternehmungen in der Regel nicht mehr zur Verfügung standen.
Von verschiedenen Seiten sei nun die Idee geäussert worden, eine dauernde Organisation zu schaffen, deren Vertreter jeweilen, sobald in einem Lande eine internationale Ausstellung beschlossen worden ist, sich mit den Behörden derselben in’s Benehmen setzen, mit ihnen provisorisch über den geeigneten Platz unterhandeln und unsern Industriellen, Gewerbetreibenden und Landwirten möglichst rasch alle Erkundigungen beschaffen würde, die zu einer rechtzeitigen Entschliessung zur Beteiligung erforderlich sind. Das in Aussicht genommene Komitee und dessen Sekretär hätten also eine internationale Ausstellung jeweilen eventuell bis zu dem Momente vorzubereiten, wo eine offizielle schweizerische Beteiligung beschlossen und ein offizielles Kommissariat eingerichtet wird. In Fällen hingegen, wo von einer offiziellen Vertretung der Schweiz Umgang genommen wird, hätten sie die eigentliche Organisation und die Vertretung der schweizerischen Aussteller, auf Kosten der letzteren, durchzuführen. Dabei wird bemerkt, dass das eidgenössische Handelsdepartement im permanenten Komitee vertreten sein sollte, um eine beständige Fühlung zu ermöglichen.
Was das Finanzielle betrifft, so hätte der Bund die Kosten für die Besoldung des ständigen Sekretärs und für die Sitzungen des Komitees zu decken. Die Initiativverbände erklären, dass diese Kosten zwar «keineswegs erheblich» sein werden, dass sie aber immerhin nicht selbst dafür aufkommen könnten, ohne beim Bund eine entsprechende Erhöhung ihrer allgemeinen Subventionsbeiträge nachzusuchen. Da die geplante Einrichtung die Tätigkeit der Bundesbehörden teilweise ersetze und in vorteilhafter Weise ergänze, so rechtfertige es sich, dass der Bund ein finanzielles Opfer bringe.
Für den Fall einer principiell zustimmenden Antwort erbieten sich die drei Unterzeichneten Verbände, eine definitive Grundlage für die zu schaffende Organisation zu entwerfen und über die finanzielle Tragweite genauere Angaben zu machen. Sie fügen bei, dass ihnen zu diesem Zwecke die Mitwirkung eines Vertreters der Bundesbehörden «besonders willkommen» wäre.
Wir können uns über die vorliegende Eingabe in günstiger Weise aussprechen. Die schlechten Erfahrungen in Mailand und an verschiedenen ändern Ausstellungen machen Vorkehrungen zu einer gründlichen Verbesserung unseres bisherigen Systems geradezu zur Notwendigkeit, und die von den Initianten vorgeschlagene Organisation scheint uns wirklich das zu sein, was bisher in der Schweiz gemangelt hat. In Frankreich besteht schon seit 1885 eine Einrichtung dieser Art unter dem Namen «Comité français des expositions à l’étranger». Dieses im grossen Styl organisierte Unternehmen hat an allen Ausstellungen, namentlich in Chicago, St. Louis, Lüttich, Brüssel und zuletzt in Mailand hervorragendes geleistet und Anregung zur Schaffung ähnlicher Organe in Belgien, Holland, Italien, Deutschland etc. gegeben. Was die Initianten anstreben, ist also keineswegs neu; wir sind in diesem Punkte vielmehr hinter den meisten ändern Staaten zurückgeblieben, und wenn wir in Zukunft im internationalen Wettstreit hinsichtlich der Kunst, an Ausstellungen rechtzeitig fertig zu sein und ebenso praktisch als schön auszustellen, nicht gänzlich unterliegen wollen, so muss zweifelsohne eine gewaltige Anstrengung gemacht werden.
Die sogenannte «Ausstellungsmüdigkeit» ist kein Grund, uns hievon abhalten zu lassen. Die vor einigen Jahren noch vorherrschende Meinung, die Ausstellungen hätten sich überlebt, hat sich als ein Irrtum erwiesen; die Ausstellungen nehmen nicht ab, sondern zu, in Europa namentlich die kleineren allgemeinen und die grossen Spezial-Ausstellungen. In den überseeischen Ländern ist das Ausstellungswesen überhaupt erst in den Anfängen und kann noch ungeahnte Dimensionen annehmen. Tatsächlich vergeht kein Jahr, in welchem bald in unserm, bald in ändern Erdteilen nicht nur eine, sondern mehrere Ausstellungen stattfinden; für manche unserer Industrien sowie auch für das Kleingewerbe und die exportierende Landwirtschaft haben die meisten dieser Unternehmungen einen mehr oder weniger praktischen Wert. Sich denselben ständig fern zu halten, geht nicht. Wenn aber die Einzelnen ohne Plan und Organisation ausstellen, so sind sie der Ausbeutung durch gewissenlose Agenten ausgesetzt, und die Ausstellungsbehörden bezeichnen irgend eine Persönlichkeit anderer Nationalität als «Schweizerischer Kommissär» uns beauftragen sie mit der Bildung und Leitung einer sogenannten «Schweizerischen Abteilung», die dann das peinliche Bild einer kleinlichen Zersplitterung bietet, und deren Misserfolg den schweizerischen Ruf beeinträchtigt, obwohl die Beteiligung keine offizielle ist. Diese und andere Übelstände werden auch in verschiedenen, im Drucke sich befindlichen Berichten unserer Jurymitglieder über die Ausstellung in Mailand mit dem Verlangen nach Abhülfe hervorgehoben; durch ein richtig zusammengesetztes, ständiges Komitee, und mit Ftülfe eines tüchtigen, selbständigen Fachmannes könnte unzweifelhaft vieles gebessert werden, und wir sind daher der Ansicht, dass die gewünschte, principielle Zusicherung der moralischen und finanziellen Unterstützung des Projektes durch den Bund gerechtfertigt wäre.
Die Bemerkung in der Eingabe, dass die Kosten keineswegs bedeutend sein werden, ist allerdings mit Sorgfalt aufzunehmen. Um einen geeigneten ständigen Sekretär zu gewinnen und festzuhalten, wird eine beträchtliche Besoldung ausgesetzt werden müssen; dazu kommen die Büreaukosten und die jeweiligen Ausgaben während dem ersten Vorbereitungsstadium einer Ausstellung für Reisen des Sekretärs etc. Wenn aber der Zweck der Organisation erreicht wird, so werden sich diese regelmässigen Aufwendungen rechtfertigen. Auch werden durch die vorbereitende Tätigkeit des Komitees und des Sekretärs, besonders durch die frühzeitige Organisierung der Anmeldungen, die Vorarbeiten des für grössere Ausstellungen mit offizieller Beteiligung einzusetzenden amtlichen Kommissariats zweifelsohne wesentlich abgekürzt werden, was nicht nur für das Gelingen der Ausstellungen, sondern auch finanziell von Vorteil sein wird.
Gestützt auf diese Erwägungen beantragen wir:
Es sei auf die Eingabe zu erwidern, dass der Bundesrat unter dem Vorbehalt der Prüfung des von den Initiativverbänden vorzulegenden Organisationsentwurfes und Kostenvorschlages, sowie vorbehältlich der Zustimmung der Bundesversammlung, zu der gewünschten moralischen und finanziellen Unterstützung des Projektes geneigt sei2.
- 1
- E 14/1. Permanentes Ausstellungskomitee mit ständigem Sekretär.↩
- 2
- In Abänderung dieses Antrages beschloss der Bundesrat am 16. April 1907, den Verbänden zu antworten: Der Bundesrat erkläre sich bereit, das von ihnen angeregte Projekt zu prüfen; er kann sich aber über die gewünschte moralische und finanzielle Unterstützung desselben erst aussprechen, wenn von den Initiativverbänden ein Organisationsentwurf und Kostenvoranschlag vorgelegt worden ist. Überdies muss die Frage Vorbehalten werden, ob nicht ein solches Sekretariat und eventuell ein permanentes Komitee von Amtes wegen einzurichten sei. Es wäre dem Bundesrat erwünscht, wenn sich die Initiativverbände auch über diese Frage gutachtlich äussern wollten (E 1004 1/228). In der Folge kam der Handels- und Industrieverein namens der ändern Initiativverbände dieser Aufforderung nach, lehnte aber ein amtliches Komitee mit ständigem Sekretär ab. Vgl. Botschaft des Bundesrates an das Parlament vom 19. November 1907 in: BBl 1907, V, S. 56 ff. Mit Bundesbeschluss vom 9. April 1908 wurde die Subventionierung eines privatwirtschaftlichen Komitees mit ständigem Sekretär genehmigt (AS 1908, NF 24, S. 559 f).↩