Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
2. Allemagne
2.1. Traité de commerce
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 4, doc. 431
volume linkBern 1994
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E13#1000/38#64* | |
Old classification | CH-BAR E 13(-)1000/38 14 | |
Dossier title | T. 1 Korrespondenz des Handelsdepartements und Anträge an den Bundesrat betr. Revision des Handelsvertrages; Eröffnung der Vertragsverhandlungen; Bundesratsbeschlüsse; Schweizer Anträge betr. die Vertragsrevision (1900–1903) |
dodis.ch/42841
Im Entwurf eines Zusatzvertrages zum Handelsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz vom 10. Dezember 1891, welchen der deutsche Gesandte dem Bundespräsidenten am 14. Juli2 überreicht hat, figurieren einige Forderungen grundsätzlicher Natur, die uns als unannehmbar erscheinen und daher nach unserer Ansicht von vorneherein, d.h. vor dem Beginn der mündlichen Unterhandlungen, abgelehnt werden sollten. Es betrifft dies:
1. die im Text des genannten Entwurfes enthaltenen Bestimmungen über eine Art von Zollkartell3;
2. die Übernahme einer Verpflichtung, der sog. internationalen Zuckerkonvention beizutreten;
3. die uns gestellte Wahl, entweder zu erklären, dass die Schweiz den Patentschutz auf Erfindungen ausdehnen werde, welche durch Modelle nicht darstellbar sind, oder aber in eine Bestimmung einzuwilligen, durch welche die Einfuhr von Artikeln verboten werden kann, deren Herstellung im Einfuhrlande den Gegenstand eines Erfindungspatentes genannter Art bildet.
Ausserdem gibt auch die Forderung betreffend Bindung der schweizerischen Tarazuschläge für Waren, die ihrer handelsüblichen Verpackung entledigt worden sind, sowie die äussere Form des von Deutschland vorgelegten Entwurfs zu Vorbehalten Veranlassung.
Laut mündlicher Mitteilung des deutschen Gesandten an den Chef des Handelsdepartements hat auch die deutsche Regierung verschiedene präliminarische Vorbehalte und Erklärungen formuliert und Hrn. von Bülow beauftragt, dieselben hierseits gegen die Erklärungen, welche der schweizerische Bundesrat allenfalls abzugeben wünsche, demnächst auszuwechseln.
Indem wir auf die beiliegenden Mitberichte des Zolldepartements4 und des Justizdepartements5 verweisen, bemerken wir zu den einzelnen Punkten folgendes:
I. Zollkartell
Nach dem Entwurf, Art. 2 würden im Wesentlichen folgende Verpflichtungen übernommen:
«Jeder der Vertragsschliessenden Teile wird die Zuwiderhandlungen verfolgen, welche in seinem Gebiete bei den daselbst befindlichen Zollstellen des anderen Teiles oder auf den als Zoll- und Übergangsstrassen des Zollgebietes des anderen Teiles geltenden Bahnstrecken gegen die Zollgesetze des letzteren begangen werden. Jeder Teil verpflichtet sich zu diesem Zwecke, die bezeichneten Zuwiderhandlungen gegen die Zollgesetze des anderen Teiles mit den in den folgenden beiden Paragraphen bezeichneten Geld- und Vermögensstrafen zu bedrohen, auch dieselben in den gleichen Formen und durch die gleichen Behörden untersuchen und bestrafen zu lassen, wie Zuwiderhandlungen gegen die eigenen Zollgesetze. Die Untersuchung wird nur auf Ersuchen der zuständigen Behörde desjenigen Teiles, dessen Zollgesetze verletzt sind, eingeleitet. Das Ersuchen kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Sache mit der Wirkung zurückgezogen werden, dass das Verfahren einzustellen ist.
Das Recht desjenigen Teiles, dessen Zollgesetze verletzt sind, die Zuwiderhandlungen selbst zu verfolgen, bleibt unberührt.
Die Behörden desjenigen Teiles, in dessen Gebiet die genannten Zollstellen oder Bahnstrecken gelegen sind, werden von den zu ihrer Kenntnis gelangenden, bei diesen Zollstellen oder auf diesen Bahnstrecken begangenen Zuwiderhandlungen gegen die Zollgesetze des anderen Teiles der zuständigen Behörde des letzteren alsbald Mitteilung machen.»
Unsere Stellungnahme zu dieser Forderung ist eine gegebene. So oft anlässlich früherer Handelsvertragsunterhandlungen an die Schweiz das Ansinnen gerichtet wurde, ein Zollkartell einzugehen, was namentlich von seiten Italiens wiederholt geschah, hat der Bundesrat dasselbe grundsätzlich und kategorisch abgelehnt. Der Grund liegt, abgesehen von Bedenken staatsrechtlicher und politischer Natur, darin, dass die Schweiz vermöge ihres liberaleren Zollsystems nicht in dem Masse wie die Nachbarstaaten gegen den Schleichhandel anzukämpfen hat und daher die Lasten eines Zollkartells zu tragen hätte, ohne daraus ihrerseits einen nennenswerten Nutzen zu ziehen. Die im deutschen Entwurf vorgeschlagenen Bestimmungen gehen zwar hinsichtlich der Mithülfe bei der Verfolgung und Bestrafung von Schleichhändlern auf unserem Gebiete nicht so weit, wie die Ansprüche, die Italien seinerzeit erhoben hat. Es handelt sich aber um einen Grundsatz; auch ist vorauszusehen, dass die Forderungen mit der Zeit gesteigert würden, und was wir einmal Deutschland zugestanden hätten, könnten wir auch den ändern Nachbarstaaten nicht verweigern. So weit ein Zusammenwirken der beidseitigen Zollbehörden auf Anschluss-Stationen wünschenswert und tunlich ist, geschieht es bereits auf Grund einer Reihe von Spezialabkommen, die im Mitbericht des Zolldepartements aufgeführt sind. Von diesem letztem wird bemerkt, dass die schweizerische Zollverwaltung weder den Wunsch noch das Bedürfnis habe, weiter zu gehen; das bisherige Verfahren habe noch nie zu Anständen Anlass gegeben und es wäre nach seiner Ansicht auch mit den Institutionen unseres Landes nicht vereinbar, dass schweizerische Behörden die Jurisdiktion über Fiskaldelikte des Auslandes ausüben und umgekehrt.
Wir sprechen uns aus den angegebenen Günden für eine entschiedene Ablehnung der deutschen Forderung aus.
II. Patentschutz
Art. 2 des Entwurfs enthält folgenden neuen Absatz:
«Die Bestimmung in Artikel 1, Absatz 3 schliesst nicht aus, dass im wechselseitigen Verkehre der vertragschliessenden Teile der eine Teil die Einfuhr von Gegenständen verbietet, wenn und solange in seinem Gebiete für diese oder für ein Verfahren zu ihrer Herstellung ein Erfindungspatent besteht, in dem Gebiete des anderen Teiles aber Gegenstände solcher Art oder Verfahren zu ihrer Herstellung auch bei Neuheit der Erfindung nicht patentierbar sind.»
Die Aufnahme dieses Zusatzes wird, laut einer Anmerkung im Entwürfe, für den Fall gefordert, dass die Schweiz nicht in der Lage sein sollte, eine Verpflichtung wegen Ausdehnung des schweizerischen Patentschutzes auf durch Modelle nicht darstellbare Erfindungen zu übernehmen.
Das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement erklärt in seinem Mitbericht, demnächst im Falle zu sein, dem Bundesrat einen Gesetzentwurf zu unterbreiten, nach welchem der Patentschutz auch auf Erfindungen, die nicht durch Modelle darstellbar sind, Anwendung fände. Bei der Ungewissheit des Erfolgs dieser Vorlage, deren Annahme eine Verfassungsänderung (Art. 64) voraussetzt, hält das genannte Departement dafür, dass von der Abgabe einer bindenden Erklärung an Deutschland keine Rede sein könnte, dass wir aber eine Konzession werden machen müssen, um zu einem günstigen neuen Vertrag zu gelangen. Für diesen Fall macht das Departement darauf aufmerksam, dass die deutscherseits gewünschte Bestimmung jedenfalls eingeschränkt werden müsste, da sonst die Einfuhr auch in denjenigen Fällen verboten werden könnte, wo der schweizerische Exporteur Inhaber eines deutschen Patentes ist.
Wir sind mit dem Justizdepartement der Ansicht, dass eine bindende Erklärung über die Ausdehnung des Patentschutzes unmöglich sei, halten aber auch das Ansinnen, Deutschland in irgend einer Form das Recht zu einem Einfuhrverbote einzuräumen, selbst mit der vom Justizdepartement verlangten Beschränkung, für unannehmbar. Wie die Erfahrung beweist, ist es oft schon schwierig, auf dem Wege des gerichtlichen Prozessverfahrens mit Sicherheit festzustellen, ob eine Ware nach einem patentierten oder nach einem ändern Verfahren hergestellt ist: nach der fraglichen Bestimmung sollen wir aber der deutschen Regierung freie Hand lassen, die Einfuhr nach eigenem Ermessen zu verbieten. Unsere Exporteure, worunter besonders die Basler Farbenfabrikanten, die jährlich für ca. 2 Millionen Fr. Waren nach Deutschland exportieren, wären also völlig der deutschen Willkür preisgegeben und der Gefahr ausgesetzt, auch Waren die nach eigenem Verfahren hergestellt sind, nicht mehr nach Deutschland exportieren zu können. Der Grund warum wir hinsichtlich des Patentschutzes hinter ändern Staaten noch zurückstehen, liegt nicht in einem Mangel an Rechtsgefühl sondern in den eigenartigen Schwierigkeiten, mit welchen der Schutz von technischen Verfahren verbunden ist und in der darauf gegründeten Befürchtung, in vielen Fällen Rechte zu verletzen anstatt dieselben zu schützen. Nachdem wir nun aber laut der Mitteilung des Justizdepartements trotzdem im Begriffe stehen, an die Lösung des Problems eines Patentschutzes für technische Verfahren heranzutreten, wird Deutschland um so weniger Grund haben, auf seiner Forderung zu bestehen. Wir halten daher dafür, dass auf dieselbe in keiner Weise einzutreten sei.
III. Beitritt zur internationalen Zucker-Konvention
Nach Art. 3 des deutschen Entwurfs, verpflichtet sich die Schweiz, «tunlichst bald und längstens binnen eines Jahres nach Inkrafttreten des Zusatzvertrages ihren Beitritt zu dem am 5. März 1902 zu Brüssel geschlossenen internationalen Vertrag über die Behandlung des Zuckers zu erklären.»
Wir bemerken zunächst, dass die Konvention den ihr beigetragenen Staaten in der Hauptsache folgende Verpflichtungen auferlegt:
1. Aufhebung der bestehenden Produktions- und Ausfuhrprämien für Zucker und gezuckerte Fabrikate und Verpflichtung, keine neuen Prämien einzuführen;
2. Überwachung der betreffenden Fabriken;
3. Für Zucker keinen höheren Zoll als Fr. 6.–, bezw. Fr. 5.50 zu erheben;
4. Für Zucker aus den, der Konvention angehörenden Staaten die jeweilen niedrigsten Zölle zu erheben und hingegen Zucker, der im Produktionsland prämiert worden ist, mit einem entsprechenden Zuschlagszolle zu belegen.
Der Konvention gehören ausser Belgien, Deutschland, Frankreich, Österreich-Ungarn, den Niederlanden und Grossbritannien auch Schweden, Spanien und Italien an. Für so lange, als diese drei letztgenannten Länder keinen Zucker exportieren, sind sie durch die Konvention ausdrücklich von den genannten Verpflichtungen befreit, mit Ausnahme der unter Ziffer 4 hievor genannten, betreffend die Differenzierung von Zucker aus Ländern, die der Konvention nicht beigetreten sind und noch Prämien gewähren. Es ist anzunehmen, dass die Schweiz, weil sie keinen Zucker exportiert, von den genannten Bestimmungen ebenfalls entbunden würde. Aber selbst dann wäre der Beitritt zur Konvention für sie noch bedenklich genug, weil wir wahrscheinlich allermindestens die Verpflichtung übernehen müssten, Zucker aus Nichtkonventionsländern, wie namentlich Russland und die Vereinigten Staaten, mit Zollzuschlägen zu belegen. Wir liefen dadurch die Gefahr, uns Repressalien seitens dieser Länder zuzuziehen und so durch die Konvention geschädigt zu werden, während von irgend einem Nutzen der Letztem für uns gar nicht die Rede sein könnte. Vor allem wird es nötig sein, von der deutschen Regierung Aufklärung darüber zu verlangen, welche Pflichten der Schweiz durch die Aufforderung zum Beitritt zur Konvention Überbunden werden wollen.
IV Tarazuschläge
Im deutschen Entwürfe, Artikel 2, Ziffer III, wird auch die Forderung aufgestellt, dass die von der schweizerischen Oberzolldirektion am 4. August 1902 aufgestellten Tarazuschläge für Waren, die ihrer handelsüblichen Verpackung entledigt sind, während der Dauer des Vertrages «aufrecht erhalten bleiben sollen.»
Das Zolldepartement erklärt diese Forderung für unannehmbar, weil man sich freie Hand behalten müsse, um der Umgehung der Bruttoverzollung entgegenzutreten. Mit ändern Worten soll damit offenbar gesagt werden, dass die «handelsübliche Verpackung» mit der Zeit wechseln kann und dass daher auch die Möglichkeit gewahrt werden müsse, die amtlichen Tarazuschläge zu ändern. Die Richtigkeit dieser Einrede ist nicht zu bestreiten und wenn die deutsche Regierung wirklich nur die einseitige Bindung der schweizerischen Tarasätze beabsichtigen sollte, teilen wir die Ansicht des Zolldepartements, dass die Forderung abzulehnen wäre. Wir halten es aber für selbstverständlich, dass Deutschland Gegenrecht gewähren müsste, indem es die Taraabzüge, welche es infolge seines Systems der Nettoverzollung festgesetzt hat, für die Dauer des Vertrages ebenfalls binden würde. Es wäre dies unstreitig von erheblichem Vorteile für unsern Handel, indem dieser dadurch gegen willkürliche und plötzliche Verminderung der deutschen Taraabzüge geschützt würde.
Dieser Vorteil scheint uns grösser zu sein als der vom Zolldepartement im übrigen mit Recht betonte Nachteil, der mit einer allfälligen Bewilligung der deutschen Forderung möglicherweise verbunden sein könnte. Wir glauben daher, dass die Bindung unserer Tarazuschläge nicht ohne weiteres verweigert, sondern nur an die Bedingung der Gegenseitigkeit geknüpft werden sollte.
V Form des Vertrages
Was die äussere Form des Vertrages betrifft, so zeigt der deutsche Entwurf, dass die Übersichtlichkeit des Ganzen durch die Vereinbarung blosser Zusätze zum Vertrage von 1891 ausserordentlich beeinträchtigt würde. Da diese Vertragsform von der deutschen Regierung aus triftigen parlamentarischen Gründen vorgeschlagen worden ist, so wird dieselbe nicht ganz umgangen werden können, doch ist eine wesentliche Verbesserung denkbar und erachten wir dafür, dass ein Vorbehalt über diesen nicht ganz unwichtigen Punkt von Nutzen sein könnte. Wir denken z.B. an die Eventualität, dass dem Zusatzvertrag ein Artikel des Inhalts beigefügt würde, die Vertragsteile seien übereingekommen, die vorausgehenden Zusatzartikel mit den inhaltlich unverändert gebliebenen Bestimmungen des alten Vertrages zu einem einheitlichen neuen, auch redaktionell verbesserten und vereinfachten Vertragstext zu vereinigen, der dem Zusatzverträge als integrierender Bestandteil beigefügt und in allen Fällen als massgebend zu betrachten sei. Auf diese Weise könnte der schweizerische Entwurf für den neuen Text als Grundlage dienen.
Gestützt auf die vorstehenden Auseinandersetzungen
beantragen wir:
Es seien dieselben zum Gegenstände einer Verbalnote nach beiliegendem Entwurf zu machen und es sei diese Note dem deutschen Gesandten im Austausche gegen die von ihm angekündigte Note seiner Regierung zu überreichen.6
- 1
- Propositon: E 13 (B)/158.↩
- 2
- Non reproduit.↩
- 3
- Cf. aussi DDS vol. 3, no 380, dodis.ch/42359 note 7.↩
- 4
- Cf. le rapport du DFFD au DF CIA du 12 août 1903.↩
- 5
- Non retrouvé.↩
- 6
- Cette proposition a été acceptée par décision du Conseil fédéral du 15 septembre 1903; à cette séance étaient absents, Müller et Brenner, cf. E 1004 1/214, no 402. La note verbale en annexe de cette proposition n’est pas reproduite. Les instructions définitives seront adoptées par le Conseil fédéral le 29 septembre 1903, cf. (E 1004 1/214, no 4201).↩
Tags