Classement thématique série 1848–1945:
I. SITUATION INTERNATIONALE
1. Alliances et relations entre puissances
1.2. Triple-alliance
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 4, doc. 359
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#886* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 392 | |
Dossier title | Rom, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 10 (1900–1901) |
dodis.ch/42769
Am 30. März hat die hiesige Deputiertenkammer die Osterferien angetreten. Am 30. April wird sie wieder zusammentreten. In der letzten Sitzung wurde die seit mehreren Tagen dauernde Genraldiscussion über das Kriegsbudget 1901/ 1902 abgeschlossen. Die Kammer hat sich mit 235 gegen 51 Stimmen im Prinzip damit einverstanden erklärt, dass die Ausgaben für das Landheer für die nächsten sechs Jahre auf jährlich 239 Millionen Lire, exclusive die Militärpensionen, festgestellt werden (vgl. meine Depesche vom 28. März).2 Gleichzeitig hat sie aber eine von der Regierung angenommene Tagesordnung votiert, wonach die weitere Zunahme der Militärpensionen verhindert und dieselben in das zu normierende Kriegsbudget inbegriffen werden sollen. Der Regierung wird zur Pflicht gemacht, einen diesbezüglichen Gesetzesentwurf im Laufe dieses Monats April vorzulegen.
Den Schluss der Generaldiscussion bildete eine parlamentarisch sehr geschickte Rede Zanardellis, in welcher hauptsächlich der Passus bemerkenswert ist, in dem der Ministerpräsident «in der bestimmtesten und bündigsten Weise versichert, dass die internationalen Bündnisse dem Königreiche betreffend seine Kriegsmacht und seine Militärorganisation vollständige Freiheit und Unabhängigkeit lassen und dass Italien in dieser Beziehung keinerlei Verpflichtungen irgendwelcher Art eingegangen habe». Dies als Antwort auf die in jüngster Zeit in vielen Zeitungen reeditierte Behauptung, Italien sei infolge seines Beitritts zum Dreibund zu einem gewissen militärischen Minimum auch in Friedenszeiten verpflichtet.
Die Erklärungen Prinettis an den hiesigen bayrischen Gesandten (s. meinen Brief v. 20. Februar)3 haben zu unzähligen Discussionen über die Stellung Italiens zum Dreibund Veranlassung gegeben. Und doch hat sich seit dem Rücktritt Visconti-Venostas in der auswärtigen Politik Italiens nichts geändert. Die Beziehungen Italiens zu Frankreich sind ganz andere, freundliche, geworden, aber schon seit Jahren: seit Crispi nicht mehr am Ruder ist und seitdem eine Handelsverständigung erzielt wurde. Damit ist nicht gesagt, dass Italien dem Dreibund untreu werden soll; im Gegenteil, der deutsche Botschafter kann nicht genug wiederholen, wie man in Berlin das correcte Verhalten Frankreichs zu schätzen weiss und sich freut, dass die Beziehungen zwischen der Republik und Italien so viel besser geworden seien und immer freundlicher sich zu gestalten scheinen. Italien seinerseits ruft als bescheidenes Gegenstück zum baldigen Flottenbesuch in Toulon die vorgestrige Zusammenkunft Zanardellis und Bülows in Verona hervor.
Man sieht hier sehr wohl ein, dass die Stellung Italiens bei allfälligen künftigen Verhandlungen zur Erneuerung des Dreibunds stärker ist, wenn man mit Frankreich gut steht, als wenn man den westlichen Nachbarn zum Feinde hat. Diese Situation sucht Italien sich zu erhalten und allseitig auszunützen, auch für die bevorstehenden Handelsvertragsunterhandlungen, namentlich weil auf eine Beibehaltung der österreichisch-ungarischen Weinklausel nicht gehofft werden darf und die agrarischen Tendenzen des Reichskanzlers von Bülow hier nicht gerade angenehm berühren.
Übrigens ist nicht zu vergessen, dass bei dem raschen Ministerwechsel in Italien voraussichtlich im kritischen Moment ganz andere Männer an der Regierung sein werden als heute.
Über die Situation in Chinahatte ich gestern eine interessante Unterredung mit ‹dem hiesigen russischen Botschafter Nelidow›. Er sagte mir des bestimmtesten, Russland würde, selbst auf die Gefahr eines Krieges hin, nie und nimmer in der Manschurei nachgeben. Russland wolle die Manschurei schon deshalb nicht annexieren, weil schliesslich, als viel bevölkerteres Land, umgekehrt die Manschurei Sibirien annexieren würde; aber seine Eisenbahn wolle es in Ausführung der geschlossenen Verträge durch das Land legen und daselbe so lang militärisch besetzen bis die heimische Civilverwaltung die nötige Gewähr biete: nach dem Vorgang der Engländer in Ägypten. Die Einsprache Japans hält mein Gewährsmann für ernst und gefahrdrohend. Er frägt sich, ob die japanische Regierung die sehr aufgeregte, auf einen Krieg mit Russland dringende öffentliche Meinung werde zurückhalten können. Zweifellos sei im äussersten Osten gegenwärtig Japan auf der See Russland überlegen. Die japanische Flotte könnte voraussichtlich nicht verhindert werden, die dortigen russischen Häfen zu bombardieren; eine Landung würde aber nicht viel nützen, denn wenn selbst die Japaner auch auf dem Lande anfänglich Erfolge davon trügen, so könnten sie sich auf die Länge den nachrückenden russischen Truppen gegenüber nicht halten. «Übrigens müssen sich», fuhr mein Gewährsmann fort, «die Japaner sagen, dass die Russen, auch wenn sie jetzt zurückweichen müssten, in zehn Jahren wieder kämen: die russische Politik ist zielbewusst und zäh».
Die Japaner werden durch England ins Vordertreffen gedrängt, während, wie mein Gewährsmann hervorhob, Deutschland sich sehr correct und Frankreich sympathisch Russland gegenüber verhält. England sei wegen den Verwicklungen in Süd-Afrika nicht zu fürchten. Italien und Österreich-Ungarn seien von China gar nicht angerufen worden.
Was Korea anbelange, brauche Japan ein Land zur Aufnahme seiner überschüssigen Bevölkerung. Russland verstehe das, verlange jedoch von Japan, dass es den mit Russland geschlossenen Vertrag, wonach beide Länder sich eine Besitznahme dieses Landes verbieten, beobachte; gegen eine blosse Einwanderung japanischer Privatpersonen habe es nichts einzuwenden.
Ein Conflikt zwischen Russland und Japan wäre für die ändern Mächte in dem Sinne bedenklich, als letztere allein China kaum zu bezähmen vermöchten. Die Russen und die Japaner seien in China am meisten gefürchtet; käme es zu einem Krieg zwischen diesen beiden, so würden die Chinesen die fremdländische Vormundschaft abzuschütteln versuchen und die chinesische Frage wäre schwerer zu lösen als je.
Tags
Alliances and Relations with other States (1893–1903)