Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
13. France
13.4. Chemins de fer
13.4.2. Rachat de la ligne Genève-la Plaine
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 4, doc. 108
volume linkBern 1994
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E8001B-01#1000/1131#6* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 8001(B)-01/1000/1131 3 | |
Titre du dossier | Correspondance avec le PLM concernant le rachat de la ligne Genève - La Plaine, Verbindung Genf - Morez über den Faucille: Vorstudien und Projekt, concessions pour les voies d'accès au Simplon, préavis du DMF (1872–1909) | |
Référence archives | 009.15 |
dodis.ch/42518
Durch Verfügung vom 17. Dezember anhin2, überweisen Sie uns zum Bericht ein Schreiben des Post- und Eisenbahndepartements vom gleichen Tage3, worin eine Rückäusserung über die Frage gewünscht wird, ob die militärischen Interessen der Schweiz mit der Bahnstrecke La Plaine – Genf und speziell mit dem Bahnhof Genf verknüpft seien und welche Bedeutung diesen Interessen bei Behandlung der Frage der Erwerbung dieses Bahnstückes durch die Eidgenossenschaft beizumessen sei.
Wir beehren uns, Ihnen hierüber folgendes zu unterbreiten:
Die militärische Bedeutung der Eisenbahnen beruht im Allgemeinen auf folgenden Verwendungen:
Zur Zusammenführung der Wehrpflichtigen auf den Korpssammelplätzen im Mobilmachungsfalle.
Zur Zusammenführung der mobilisierten Truppenteile zum Armeeganzen beim Armeeaufmarsche.
Zu Truppentransporten während dem Kriege.
Zur Evakuation bedrohter Landesteile von Kriegsmitteln.
Zum Rück- und Nachschub der Armee.
Wir haben die Frage zu prüfen, ob diese Verwendungen der Eisenbahnen der schweizerischen Landesvertheidigung oder aber dem Feinde zu Gute kommen:
a) mit Bezug auf die Eisenbahnstrecke La Plaine–Genf,
b) mit Bezug auf den Bahnhof Genf, und ob diese eventuellen Vorteile oder Gefahren mit der Eigentumsfrage am Objekte in Verbindung stehen und inwieweit.
Was die Eisenbahnstrecke La Plaine–Genf anbelangt, so springt in die Augen, dass die militärischen Vorteile dieser Strecke für uns nur sehr unbedeutend sein können. Das Eintreffen der Wehrpflichtigen auf dem Korpssammelplatze Genf ist im Mobilmachungsfalle bei den kleinen Distanzen, um die es sich handelt, von einer Benützung der Eisenbahn ganz unabhängig. Für den Armeeaufmarsch kommt die Bahnstrecke nicht in Betracht, da eine Konzentration der schweizerischen Armee an der Westgrenze des Kantons Genf höchst unwahrscheinlich ist und da, auch wenn sie Vorkommen sollte, die Truppentransporte doch in Genf aufhören müssten, da die erforderlichen Debarkementsvorrichtungen auf der Strecke Genf–LaPlaine fehlen. Aus dem gleichen Grunde wird das Bahnstück auch für Transporte Schweiz. Truppen während dem Kriege kaum jemals in Betracht kommen, um so weniger als Operationen unserer Armee von Genf in der Richtung La Plaine und weiter durch das Fort de l’Ecluse Halt geboten würde. Eine Evakuation des Kantons Genf geht naturgemäss nur von Genf aus nach dem Landesinnern, berührt daher das Stück Genf–LaPlaine nicht. Ebensowenig der Rück- und Nachschubverkehr der Armee, da dafür immer nur Genf der Ausgangspunkt sein wird, sei es im Sinn der Anfangs- oder Endetappe.
Die Eisenbahnstrecke Genf–LaPlaine hat daher für die Schweiz. Landesverteidigung so gut wie keinen Werth und ist diesfalls auch die Eigentumsfrage irrelevant.
Schon anders stellt sich die Frage nach einem allfälligen Nutzen, den die gleiche Strecke der französischen Kriegsfühnmg bringen könnte für den Fall, als Frankreich mit der Schweiz sich im Kriegszustand befinden würde. Zwar wird auch in diesem Falle die Bahn für die Mobilmachung und den Armeeaufmarsch der Franzosen nicht dienen können, weil diese Operationen sich nicht auf feindlichem Gebiete abzuspielen pflegen, noch viel weniger kann selbstverständlich von einer Benützung zu französischen Evakuationszwecken gesprochen werden. Dagegen vermag die Bahnstrecke der französischen Armee allerdings sehr erhebliche Dienste zu leisten für Truppentransporte während dem Krieg, d.h. nach stattgehabter Occupation der Kantone Genf und Waadt und für den Rückund Nachschub einer weiter in das Innere der Schweiz vordringenden französischen Armee. Dabei fällt aber wiederum in Betracht, dass dieser Nutzen ein ganz geringer sein wird, wenn die französischen Truppen und Waren nicht mit den gleichen Zügen von Genf auf dem schweizerischen Bahnnetz bis Lausanne und weiter fahren können. Diese Weiterfahrt ist aber ganz davon abhängig, ob die schweizerische Armeeleitung es unterlassen hat, nach dem gezwungenen Rückzug der schweizerischen Truppen aus der Westschweiz, die Bahnlinie von Genf nach dem Innern der Schweiz zu zerstören. Da hiezu stets genügende Zeit vorhanden sein wird, so ist nicht anzunehmen, dass die schweizerische Armeeleitung diese naheliegende Massregel versäumen wird. Aber auch bezüglich des Stückes La Plaine–Genf steht ihr die gleiche Befugnis zu, denn sie ist ein Ausfluss der Souverainität und ein Mittel der Landesverteidigung wie jedes andere. Diese Zerstörung wäre wohl schon als Preventivmassregel gestattet, sobald der Kriegsfall mit Frankreich auch nur in naher Aussicht steht. In dieser Beziehung kommt namentlich der Eisenbahnviadukt über den Londonbach bei La Plaine in Betracht, der sich noch auf Genfergebiet, aber hart an der französischen Grenze befindet und dessen Zerstörung durch Anbringung von Minenkammern vorbereitet ist. Da es nun für die Befugnis zur Zerstörung dieses Viadukts ganz irrelevant ist, ob derselbe der Eidgenossenschaft, oder einer schweizerischen Gesellschaft oder der französischen Paris–Lyon–Méditerranée-Gesellschaft angehöre, so spielt die Frage nach dem Eigentümer der Eisenbahnstrecke Genf–LaPlaine mithin auch keine Rolle mit Bezug auf die feindliche d. h. französische Kriegsführung, d. h. die Franzosen werden die Strecke benützen, wenn sie nicht zerstört ist und an der Benützung gehindert sein, wenn sie zerstört ist, gleichgültig wer Eigentümer der Bahn sei.
Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass die Eidgenossenschaft an der Erwerbung der Strecke La Plaine–Genf, soweit nur die Frage der Landesverteidigung in Betracht kommt, kein namhaftes Interesse hat.
Wir prüfen nun den zweiten Punkt, nämlich die Frage, ob nicht die Verhältnisse, wie sie zur Zeit auf dem Bahnhofe Genf bestehen, eine ernstliche Gefahr für die schweizerische Landesverteidigung bilden, die durch den Übergang des Bahnhofes an die Eidgenossenschaft oder an eine schweizerische Bahngesellschaft gehoben werden könnten.
In dieser Beziehung ist es ohne Zweifel als ein schwerer Nachteil zu betrachten, dass sowohl der Chef de gare, als auch die überwiegende Mehrzahl der Angestellten des Bahnhofes Genf Franzosen sind, denn es ist anzunehmen, dass sie im Mobilmachungsfalle ihre Dienstgeschäfte ausschliesslich im Interesse und nach den Befehlen der französischen Regierung besorgen werden, und dass diese Besorgung den Interessen der schweizerischen Landesverteidigung direkt zuwiderläuft.
Folgendes kann geschehen:
1) dass sie Material und Dienstpersonal der Bahn von dem Bahnhofe Genf nach Frankreich wegziehen, das den Zwecken der schweizerischen Landesverteidigung zu dienen hat;
2) dass sie die Expedition von Zügen nach dem Innern der Schweiz hindern;
3) dass sie das Einfahren und den Auslad von französischen Truppenzügen auf dem Bahnhof Genf ermöglichen.
Ohne Zweifel würden diese Gefahren nicht vorliegen, wenn der Bahnhof Genf der Eidgenossenschaft oder einer schweizerischen Bahngesellschaft gehörte. Wir müssen daher in erster Linie den Wunsch aussprechen, dass dieses geschehe. Immerhin wollen wir nicht unterlassen, die angegebenen Gefahren auf das ihnen zukommende Mass zurückzuführen und die Mittel zu bezeichnen, durch welche ihnen grösstenteils begegnet werden könnte, falls der Ankauf des Bahnhofes nicht möglich sein sollte.
Die erste Massregel wird sein, dass man schon im Frieden einen Bahnhofkommandanten von Genf bezeichnet und demselben die erforderliche Truppenmacht zur Verfügung stellt, um im Mobilmachungsfalle den Dienstbetrieb auf dem Bahnhofe Genf unter direkten schweizerischen Befehl zu nehmen. Aufgabe dieses Kommandos wird es sein, alles zu verhindern, was der schweizerischen Landesverteidigung nachteilig sein kann. Gleichzeitig muss das schweizerische Bahnpersonal auf dem Bahnhofe Genf durch Heranziehung von solchen der Jura–Simplon-Bahn bedeutend vermehrt und der London-Viadukt geladen und bewacht werden. Durch diese Vorkehren werden die genannten drei Gefahren ohne Zweifel bedeutend abgeschwächt.
Was zunächst die Wegziehung von Bahnmaterial und Bahnpersonal vom Bahnhof Genf nach Frankreich anbelangt, so können wir dieselbe auf solange nicht hindern, als der Kriegsfall mit Frankreich noch nicht eingetreten ist. Wir können nur hindern, dass nicht gleichzeitig mit französischem Material auch schweizerisches Material weggezogen wird, was nicht schwierig sein sollte. Nachdem der Kriegszustand mit Frankreich eingetreten ist, werden wir auch den Abzug des französischen Materials verhindern, was durch die Sprengung des London-Viaduktes ohne weiteres geschieht.
Was den zweiten Punkt anbelangt, nämlich die Gefahr, dass das französische Bahnpersonal die Expedition von Zügen vom Bahnhof Genf nach dem Innern der Schweiz hindern könnte, so wird derselben wiederum am leichtesten durch Anwendung von Gewalt oder durch Verhaftung der Widersetzlichen begegnet. Übrigens fällt in Betracht, dass die schweizerische Militärverwaltung für die Evakuation der Kriegsmittel des Kantons Genf nach dem Landesinnern, oder für die Zurückziehung der Genfertruppen und ihre Vereinigung mit dem Gros der I Division im Waadtlande nicht nur auf die Eisenbahn angewiesen ist, sondern nebenbei auch noch das Mittel des Dampfschiffbetriebes hat, und dass endlich selbst der Landweg durch Savoyen beschritten werden kann, der uns vertragsgemäss freisteht.
Was endlich den dritten Punkt, die Gefahr des Einfahrens von französischen Militärzügen in Genf selbst anbelangt, so wäre ein solcher Versuch eines militärischen Überfalles per Eisenbahn als Art der Eroberung eines Landes doch wohl einzig in der Geschichte und nur möglich, wenn das Militärkommando im Kanton Genf und das Bahnhof- und Platzkommando von Genf sich vollständig passiv und impotent erzeigen würden.
Ist es uns aber auch bei der erforderlichen Vigilanz und Aktivität möglich, die genannten Gefahren tatsächlich abzuschwächen, so ist doch nicht zu bestreiten, dass die gegenwärtigen Zustände auf dem Bahnhof Genf im Falle einer Mobilmachung zu Friktionen führen werden, die eine grössere oder geringere Bedeutung erlangen können. Ob diese Friktionen freilich wichtig genug sind, um vom militärischen Gesichtspunkte aus den Ankauf des Bahnhofes als eine absolute Notwendigkeit zu bezeichnen, wagen wir nicht zu behaupten.
Wir haben uns begnügt, den Wunsch auszusprechen, dass es geschehen möchte. Kann der Ankauf aber nicht stattfinden, dann müssten wir im militärischen Interesse verlangen, dass schon im Frieden der Chef de Gare ein Schweizer sei, dass ein bedeutend grösserer Prozentsatz der Angestellten, womöglich mindestens die Hälfte, Schweizer seien und endlich, dass schon im Frieden die oberste eisenbahnliche Autorität auf dem Bahnhof nicht bei der Paris–Lyon– Méditerranée-Gesellschaft, sondern bei der Jura–Simplon Gesellschaft stehe.
Wir verhehlen uns nicht, dass die Frage des Ankaufes von Bahn und Bahnhof Genf auch noch eine wichtige politische Seite hat.4 Wir haben uns darauf beschränkt, die Gefahren und Nachteile zu bezeichnen, welche die gegenwärtigen Verhältnisse mit Bezug auf die schweizerische Landesverteidigung haben.
- 1
- Lettre (Copie): E 8001(B)3/3.↩
- 2
- Non reproduit.↩
- 3
- Non reproduit.↩
- 4
- Le directeur de la gare de Genève, Bernoud, avait été licencié par la P. L. M. pour avoir hissé le drapeau suisse, cf. RG 1892 (FF 1893, II, P. 792) et E 2/91. Voir aussi le Message du Conseil fédéral à l’Assemblée fédérale concernant le transfert de la concession de la ligne Genève– LaPlaine au canton de Genève et la ratification de la convention conclue entre ce dernier et la compagnie des chemins de fer de Paris à Lyon et à la Méditerranée, pour l’exploitation de la ligne Genève– LaPlaine, avec la compagnie des chemins de fer Jura– Simplon pour la gare de Genève (Cornavin). (Du 14 décembre 1893) (FF 1893, V, pp. 513–525). Les essais de racheter la gare n’aboutirent pas, cf. RG’s 1894 et 1895 (FF’s 1895, II, p. 4 et 1896, II, p. 653) ef E8001 (B) 3/2 et 3/3. La solution définitive ne fut trouvée qu’en 1909, cf. Message du Conseil fédéral concernant la ratification de la convention signée le 18 juin 1909 entre la Suisse et la France au sujet des voies d’accès au Simplon. (Du 19 novembre 1909) (FF 1909, VI, pp. 1 –28). Voir aussi Correspondances et conférences entre le Conseil d’Etat de Genève et le Conseil fédéral touchant les voies d’accès au Simplon et le rachat de la ligne Genève– LaPlaine 1897–1909, Epreuve du 9.7.1909. Strictement confidentiel. Imprimé comme manuscrit (E 8001 (B) 3/3) et DDS vol. 5, chap. II 8.4.↩