Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. WIRTSCHAFTS-, HANDELS- UND WÄHRUNGSPOLITIK
1. Bilaterale Verhandlungen
1.4. Die Verhandlungen mit Österreich-Ungarn
1.4.1. Der Handelsvertrag
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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 3, doc. 383
volume linkBern 1986
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E13#1000/38#361* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 13(-)1000/38 83 | |
Titre du dossier | Korrespondenz des Handelsdepartements, u.a. mit der Schweizer Gesandtschaft in Wien; Korrespondenz des Departements des Auswärtigen (Handelsabteilung), der österreichisch-ungarischen Gesandtschaft in Bern, des schweiz. Handels- und Industrie-Vereins; Anträge der Departemente an den Bundesrat; Schweizer und österreichische Forderungen; Entwürfe; Bundesratsbeschlüsse; Notizen; Drucksachen; Berichte; Gutachten (1888–1889) |
dodis.ch/42362 Der Vorsteher des Departements des Auswärtigen, N. Droz, an die Handelsvertragsdelegierten C. Cramer-Frey und E. Blumer1
Ich beeile mich, Ihr Schreiben vom 15. ds.2, das mir soeben zugekommen ist, zu beantworten. Sie bemerken in demselben, in Folge der die letzten Tage im Nationalrath stattgehabten Discussion3 befinden sie sich im Momente nicht im Besitze der nöthigen Geistesruhe, um die dortseitigen Verhandlungen fortzusetzen. Sie seien auf die Anklagebank versetzt u. zum Theil auch darauf verblieben.
Es ist, hochgeachtete Herren, richtig, dass die Discussion eine ziemlich animirte war u. dass dabei manche Ausdrücke gefallen sind, die bei ruhiger Überlegung u. – ich darf wohl beifügen – auch bei gründlicherer Kenntniss der Sachlage u. der handelspolitischen Situation unterblieben wären. Diese Ausfälle waren indessen in erster Linie gegen den Bundesrath u. den Vorsteher des Departements, welches die Handelsvertragsunterhandlungen leitet, gerichtet.4 Im Bewusstsein, nach bestem Wissen u. Gewissen gehandelt zu haben, sind wir über die Ausfälle hinweggegangen; jedoch nicht, soweit sie sich auf unsere verehrten Bevollmächtigten beziehen.5 Die öffentlichen Blätter haben hierüber gar nicht oder unrichtig berichtet, mit Ausnahme der N[euenj Zfürcherj Zfeitung], die in N. 350 auszüglich mittheilt: «Auch nahm er (der Vorsteher des Dfepartement] s des Auswärtigen) die beiden Schweiz. Unterhändler in Schutz gegen die von der Opposition erhobenen Vorwürfe, als hätten sie einseitig die Interessen der Grossindustrie gewahrt u. stattete ihnen vor dem ganzen Rathe den Dank des Vaterlandes ab für die grossen Verdienste, die sie sich um das Vaterland erworben haben.»
Bei der Abstimmung hat der Nationalrath gegenüber einer verschwindend kleinen Minorität Ihre Arbeit & Ihr Werk sanktionirt u. damit jene Ausfälle zurückgewiesen. Im Abstimmungsresultate6 liegt meines Erachtens für Sie einerseits Satisfaktion, andrerseits eine Missbilligung der gedachten unmotivirten Bemerkungen der Opposition.
In den Parlamenten werden überhaupt in neuester Zeit Handelsverträge nicht immer mit derjenigen ruhigen Objektivität behandelt, die im Interesse der Sache liegen würde. Wo zu Angriffen zutreffende Motive fehlen, da wird Zuflucht zu oft leidenschaftlichen Ausfällen genommen.
Wollen Sie, hochverehrte Herren, daher den Muth nicht verlieren & Ihre Arbeiten, die Sie begannen, zum Wohle unseres Vaterlands fortsetzen u. zu Ende führen. Wenn Sie dabei auch nicht auf Anerkennung verlezten Ehrgeizes u. einseitiger Interessen zählen können, so ist Ihnen dagegen der Dank des Vaterlands & seiner obersten Exekutivbehörde sicher.
PS. Je voudrais avoir le temps de dicter de mémoire ce que j’ai dit au Conseil national pour vous défendre des attaques dirigées moins encore contre vous que contre moi. Vous pourriez vous convaincre que le beau rôle n’a pas été du côté de vos adversaires.
- 1
- Schreiben (Kopie): E 13 (B)/236. Am Kopf des Schreibens findet sich die Bemerkung.Henn Nationalrath Cramer-Frey für sich & zu Händen des Herrn Landamman Blumer. p.a. Schweiz. Gesantsch/a/f/ in Rom.↩
- 2
- Nicht abgedruckt.↩
- 3
- Vgl. die Nationalratsprotokolle vom 12. und 13.12.1888(E 1001 (C) d 1/97, Nrn. 351 und 354).↩
- 4
- In der Nationalratsdebatte vom 12.12.1888 stellte Beck-Leu den Antrag: [...] die vom Bundesrath nachgesuchte Ratifikation nicht auszusprechen [...] weil, wie schon aus dem Innern der Botschaft selbst erhelle, diese Verträge auf dem Rücken der landwirthschaftlichen Bevölkerung der Schweiz und zu deren Ungunsten abgeschlossen worden seien [...] . In der Diskussion wurde bemerkt: [...] Eines ins Andere gerechnet habe die Masse des Schweizervolkes von den vorliegenden Verträgen nur Nachteile, Vorteile habe einzig eine ganz kleine Zahl Grossindustrieller. Von diesem Gesichtspunkte aus sei allerdings zunächst der Vertrag mit Oesterreich zu verwerfen, während der Vertrag mit Deutschland weniger gefährlich sei. Es werde, damit der erstere nicht dem letzteren Ziele zuliebe angenommen werde, getrennte Abstimmung verlangt. (Bühler aus Graubünden, unterstützt von Gisi und Decurtins) [...] ( E 1001 (C) d 1/97, Nr. 351).↩
- 5
- In der Debatte vom 13.12.1888 erklärte Droz: [...]Was man von den eigentlichen Vertragsunterhändlern verlange und was der Bundesrat in den beiden Männern gefunden habe, welche sich mit so grosser Opferwilligkeit dem daherigen Mandate unterzogen, das sei eine gründliche Beherrschung des beim Abschluss solcher Verträge in Betracht fallenden Materials, und jene Unabhängigkeit der Gesinnung, welche nie ein Einzelinteresse über das allgemeine Landesinteresse stelle. [...] (E 1001 (C) d 1/97, Nr. 354).↩
- 6
- Der Vertrag mit Oesterreich-Ungarn war vom Nationalrat am 13. 12.1888 mit 92:34 Stimmengutgeheissen worden, jener mit Deutschland mit 105:10 (E 1001 (C) d 1/97, Nr. 354). Vgl. auch die Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Handelsverträge mit Deutschland und Oesterreich-Ungarn. (Vom 1. Dezember 1888) und den Vertragstext (BBl 1888, 4, S. 961-1042).↩
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