Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
V. EMIGRATION AUS DER SCHWEIZ
2. Die Errichtung von Kolonien
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 3, doc. 131
volume linkBern 1986
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2#1000/44#2127* | |
Dossier title | Verschiedenes (1874–1884) | |
File reference archive | D.422.01 |
dodis.ch/42110
Mit beiliegender Note2 stellt die kanadische Gesandtschaft in London im Aufträge ihrer Regierung an den Bundesrath das Ansuchen, behufs Einsichtnahme der Verhältnisse in Canada im Interesse der Auswanderung einen Abgeordneten zu bezeichnen, welcher dann in Begleitung des Hrn. Dr. Hahn aus Reutlingen im Juli ds. Js. dahin abzugehen hätte. Die genannte Gesandtschaft theilt gleichzeitig mit, dass das kanadische Ackerbauministerium zur Deckung der Kosten einer solchen Abordnung die Summe von 1500 Dollars ausgesetzt habe.
Das Departement hat die Gelegenheit durch Hrn. Kummer, Direktor des statistischen Büreau’s prüfen lassen und beehrt sich nun, auf Grund dessen Gutachten Ihnen folgenden Bericht zu erstatten.
Der Art. 34 der Bundesverfassung3 überträgt dem Bunde bloss das Aufsichtsund Gesetzgebungsrecht über den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen. Wenn nun also einerseits anerkannt werden muss, dass der Bund keine Verpflichtung habe, den Schweizern, welche in der Fremde ihr Brod suchen, selbst Kolonien zu gründen oder auch nur zu diesem Zwecke die Initiative zu ergreifen, oder die Auswanderung in irgend einer ändern Weise zu begünstigen, so kann anderseits nicht bestritten werden, dass es Pflicht des Bundes sei, innerhalb der Grenzen der Möglichkeit den Auswanderern Rath zu ertheilen, bestehe derselbe nur im Warnen und Abmahnen von gewissen Spekulanten und Zielpunkten, sei es in Veröffentlichung von günstigen Berichten. Diese Stellung hat der Bundesrath gegenüber der Auswanderung stets eingenommen und die Bundesversammlung ihrerseits hat eine Menge Beschlüsse und Postulate in diesem Sinne angenommen. Auch die Opfer für die schweizerischen Agenten im Auslande, insoweit es die überseeischen betrifft, werden als wesentlich im Interesse der Schweiz. Auswanderer geleistete betrachtet. Hiezu tritt der fernere Umstand, dass selbst bedeutende Opfer für einen speziellen Commissär gebracht wurden, welcher eigens den Auswanderern in Brasilien zu Hülfe gesandt wurde4. Der Bundesrath betritt also durchaus nicht eine neue Bahn, wenn er sich herbei lässt, um über Canada wahrheitsgetreuen Bericht sich zu verschaffen.
Eine andere Frage ist die, ob der Bundesrath auf das Anerbieten der canadischen Regierung, in der Weise, wie dieses gestellt ist, eintreten könne.
Das Departement glaubt, indem es diesfalls auf das beiliegende Gutachten verweist, die Frage bejahend beantworten zu sollen. Die canadische Regierung zunächst hat ein ganz besonders Interesse, ihr grosses Landesgebiet bevölkert zu sehen und ist darum auch bereit, diesfalls Opfer zu bringen. Wenn daher der Bund nicht gewillt ist, die Kosten einer solchen Abordnung ganz oder theilweise zu übernehmen, so sollte unseres Erachtens die günstige Gelegenheit, sich zuverlässige Auskunft über Canada zu verschaffen, nicht von der Hand gewiesen werden, vorausgesetzt nämlich, dass dem Bundesrath eine Persönlichkeit zur Verfügung steht, welcher er sein ganzes Vertrauen schenken darf auch in dem Falle, wo eine andere Regierung die Reisekosten trägt. Als eine solche Persönlichkeit wird Herr Dr. Guillaume, Strafhausdirektor in Neuenburg bezeichnet, welcher selbst schon Sträflingen nach abgelaufener Strafzeit nach Canada verholfen hat und über dessen Verdienste in dieser Richtung das Gutachten weitere Auskunft gibt. Herr Guillaume hat sich auch auf erfolgte Anfrage zur Übernahme der in Frage liegenden Mission bereit erklärt.
Das Departement stellt daher folgende Anträge:
1. Es sei das Anerbieten der canadischen Regierung anzunehmen;
2. Sei zum Zwecke der Besichtigung von Canada hinsichtlich dessen Eigenschaften als Zielpunkt der Auswanderung mit dem Aufträge zur Berichterstattung über die dortigen Verhältnisse Herr Dr. Guillaume, Direktor der Strafanstalt in Neuenburg, zum Abgeordneten zu bezeichnen;
3. Kenntnissgabe hievon und Verdankung an den canadischen Botschafter in London mit dem Beifügen, so gerne der Bundesrath den Wünschen der kanadischen Regierung entgegenzukommen sich anschicke, so hätten sich anderseits Zweifel erhoben, wenn die betreffende Zeitversäumniss der Delegirten mit in Berücksichtigung gezogen werde, ob die ausgesetzte Summe von 1500 Dollars zu genügen vermöge. Der Bundesrath erlaube sich daher, noch besonders auf diesen Punkt aufmerksam zu machen und sehe er allfälligen Aufklärungen darüber gerne entgegen.
4. Kenntnissgabe an Herrn Dr. Guillaume und an die Regierung von Neuenburg, an letztere mit dem Ersuchen, Hrn. Dr. Guillaume den von ihm zu dem angegebenen Zwecke begehrten Urlaub von etwa zwei Monaten nicht verweigern zu wollen.5
- 1
- E 2/2127. Auswanderung nach Canada, Bezeichnung eines Schweiz. Delegirten.↩
- 2
- Note vom 15. 5.1878 (E 2/2127).↩
- 3
- AS 1874-1875, 1, S. 11-12.↩
- 4
- Vgl. DDS 2, Nr. 124.↩
- 5
- In der Folge zog das Departement des Innern diesen Antrag wieder zurück und das Geschäft blieb pendent (vgl. E 1004 1/113, Nr. 3491).↩