Darin: Willi berichtet über seine Eindrücke von der Weltausstellung 1878 in Paris. Annex vom 2.8.1878 (CH-BAR#E14#1000/39#151*).
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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 3, doc. 109
volume linkBern 1986
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2200.41-02#1000/1671#897* |
Ancienne cote | CH-BAR E 2200.41-02(-)1000/1671 345 |
Titre du dossier | Politisches (01.01.1876–01.01.1877) |
Référence archives | 1/77 |
dodis.ch/42088
Der Bundespräsident und Vorsteher des Politischen Departements, J. Heer, an den schweizerischen Gesandten in Paris, J. K. Kern1
Ihre vertrauliche Zuschrift vom 31.1. Mts.2 habe ich ungesäumt den Mitgliedern des Bfundesra]th[e]s zur Kenntniss gebracht und sie um Mittheilung ihrer Ansichten gebeten. Der Erfolg ist der, dass einstimmig der von Ihnen gemachte Vorschlag gebilligt wurde; dahin gehend, dass sie dem türkischen Botschafter Sadyk Pascha mündlich eröffnen, es könne, Angesichts unserer gesetzlichen Vorschriften, auf die von ihm geäusserten Gedanken nicht eingegangen werden. Ich denke mir, diese formlose Mittheilung durch mich wird Ihnen genügen, um darauf hin im Sinne Ihres Vorschlages die Sache definitiv zu erledigen. Sollten Sie, mit Rükksicht auf Ihr Gesandtschafts-Archiv, noch eine nachträgliche Bestätigung in amtlicher Ausfertigung wünschen, so bitte ich nur zu befehlen.
Durch das Handelsdepartement werden Sie ohne Zweifel bereits erfahren haben, dass der Bfundes]R[athJ, nach einigem Schwanken, sich im Prinzip nun doch für die Beschikkung der Pariser Ausstellung von 1878 ausgesprochen und demgemäss beschlossen hat, den erforderlichen Credit im März bei der Bundesversammlung nachzusuchen. Wie es dort tönen wird, ist freilich noch sehr unsicher; im Grunde hat auch in der Schweiz Niemand eine sonderliche Freude an der Sache und man ist ziemlich allgemein der Ansicht, dass Paris wohl noch ein paar Jahre hätte warten dürfen. Speziell die Industrie in der Ostschweiz ist durch die Ihnen nur zu bekannten Vorgänge verstimmt und schwärmt gar nicht für eine Betheiligung; auch der Stand unserer Bundesfinanzen wäre wohl eher dazu angethan, sich die erheblichen Kosten (man rechnet auf f 350,000) vom Leibe zu halten. Aber offenbar würde es in Paris tief verletzen, wenn die Schweiz ferne bliebe, und wenn darüber noch ein Zweifel möglich wäre, so würde derselbe beseitigt durch die Sprache des französ. Botschafters, der in letzter Zeit sehr dringend um baldige Entschliessung mahnte und dabei deutlich durchblikken liess, was man von dem «befreundeten Nachbarland» erwarte. Diese Rükksicht hat schliesslich alle ändern Bedenken überwogen und ich nehme fest an, es werde dies auch in den gesetzgebenden Räten – trotz vielfachen inneren Widerstrebens – der Fall sein.3
Ihre Erfolge in der Handelsvertrags- resp. Tarif-Frage sind der Art, dass Sie wohl zufrieden sein können. Es ist zum Mindesten ein erster Stein aus dem Wege geräumt und für die künftigen Verhandlungen freie Bahn gemacht; mag nun der Tarif général aussehen, wie er will: wir wissen, dass dadurch der Tarif conventionel nicht beeinflusst werden wird. Für den gegenwärtigen Augenblikk ist dies wohl das Einzige, was zu erreichen war.4 Mit unserer Gotthardbahn-Frage rükken wir leider nicht vom Flekke; weder in Rom, noch in Berlin scheint man noch über die einzunehmende Haltung schlüssig zu sein, und wenn man es einmal sein wird, dürfte es dann erst noch einige Zeit kosten, bis diese Beiden unter sich einig sind. Ich habe das Möglichste gethan, um einigermassen dahinter zu kommen, wie man an den beiden Orten über die Sache und über den Gang, den sie nehmen soll, vorläufig denkt, aber im Ganzen ohne allen Erfog: entweder ist man äusserst zugeknöpft, oder man weiss eben selber noch nicht, wo man hinaus will.
Im Tessin ist bis dato Alles ruhig verlaufen und der neue Gr[osse Rath hat diese ganze Woche friedlich getagt. Leider ist ein Versuch unseres Commissärs, eine Art Friedensschluss unter den Partheien zuwege zu bringen (mit Fusionsregierung) an dem Widerspruch der Conservativen gescheitert und dadurch die Stimmung eher wieder verbittert worden; doch hege ich die Hoffnung, dass es bei vehementen Zeitungsartikeln sein Bewenden haben wird.
- 1
- Schreiben: E 2200 Paris 1/124.↩
- 2
- Kern übermittelte die Anfrage des türkischen Botschafters, ob die Schweiz bereit wäre, Offiziere zum Aufbau einer türkischen Polizeitruppe zu stellen (E 2200 Paris 1/0117).↩
- 3
- Zur Diskussion im Parlament über die Frage der Teilnahme der Sch weiz an der Pariser Weltausstellung von 1878 vg/.;NR-Prot. vom 22. und27. 3.1877 (E 1001 (C) d 1,64, Nrn. 643 und 669); StR-Prot. vom 26. 3.1877 (E 1001 (D) d 1/62, Nr. 500); Bericht der Kommission des Nationalrats vom 22.3.1877 (BBl 877, 2, S. 711–717); und die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 9. 3.1877 (BBl 1877, 1, S. 447–456). Eine kritische Begutachtung der schweizerischen Aussteller und der Arbeit des Generalkommissariats in Paris findet sich in einem Schreiben von Willi an Heer (als Annex abgedruckt).↩
- 4
- Vgl. Nr. 110.↩
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