Die Schweiz ist das einzige europäische Land, das die kanadischen Behörden der Kategorie "scheduled countries" unterstellt haben, d.h. dessen Importe als Hartwährungsland reduziert oder kontingentiert wurden. Kanadische Versprechen, die Behandlung der schweizerischen Güter teilweise zu verbessern.
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 17, doc. 126
volume linkZürich/Locarno/Genève 1999
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1967/113#123* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1967/113 10 | |
Dossier title | Wirtschaftsfragen mit Kanada (1949–1950) | |
File reference archive | A.14.62.3.0 • Additional component: Kanada |
dodis.ch/4202
Notiz des Volkswirtschaftsdepartements12
BETRIFFT: GÜTERAUSTAUSCH MIT KANADA
Bekanntlich sah sich Mitte November 1947 die kanadische Regierung gezwungen, Einfuhrbeschränkungen zu erlassen, die in einer Liste einfuhrverbotener Waren und in einer Liste von einfuhrkontingentierten Waren bestehen. In Ausnützung der hergebrachten Struktur des kanadischen Aussenhandels haben die kanadischen Behörden für die Berechnung der Einfuhrkontingente zwei verschiedene Ländergruppen geschaffen: «scheduled countries» und «non scheduled countries».
Unter die «scheduled countries» werden alle Hartwährungsländer nach kanadischer Auffassung (d. h. diejenigen Länder, die Kanada in USA-Dollars bezahlen muss und die nach kanadischem Wissen keine Zahlungsbilanzschwierigkeiten kennen) eingeteilt. Da die Kontingente für die «scheduled countries» bedeutend knapper sind als diejenigen für die «non scheduled countries», und wir diese zudem noch mit unserem grössten Konkurrenten USA teilen müssen, ergibt sich hieraus eine starke Benachteiligung des schweizerischen Exportes nach Kanada. In den ersten drei Monaten 1949 betrug die Einfuhr 35 Mio. Franken und die Ausfuhr lediglich 10 Mio. Franken. Im Jahre 1948 war das Verhältnis:
[...]3
Um auf die kanadische Regierung einen gewissen Druck für vermehrte Käufe in der Schweiz auszuüben, beantragten wir am 23. Dezember 1948 dem Bundesrat4 die Verfügung der Einzahlungspflicht für sämtliche aus Kanada eingeführten Waren. Auf Empfehlung der Schweizerischen Gesandtschaft in Ottawa5 sahen wir bisher von der Inkraftsetzung dieser Massnahme ab.
Es bot sich nun letzte Woche Gelegenheit, mit dem Initianten der kanadischen Einfuhrbeschränkungen, Herrn K. W. Taylor, Assistant Under Secretary of State im kanadischen Finanzministerium und zugleich Leiter des «Emergency Import Control» den ganzen Fragenkomplex des Güteraustausches zwischen der Schweiz und Kanada zu besprechen.
Wir legten Herrn Taylor eingehend dar, dass die Einteilung der Schweiz als einziges europäisches Land in die «scheduled class» eine Diskriminierung der Schweiz bedeute, weil die Handelsbilanz zwischen der Schweiz und Kanada seit Jahrzehnten für Kanada günstig sei. Der Schweizerfranken sei daher für Kanada keine knappe Währung. Selbst ohne jegliche Einfuhrbeschränkungen sei der schweizerische Export nach Kanada ohnehin schon durch die Präferenzzölle und durch die weit günstigere Ausgangssituation als Nachbar Kanadas unseres bedeutendsten Konkurrenten – der USA – benachteiligt. Durch die kanadischen Einfuhrbeschränkungen werde eine zusätzliche Schwierigkeit geschaffen, die sich auf lange Sicht auch auf Kanada auswirken müsse. Die Schweiz befinde sich zudem im internationalen Handel zur Zeit in einer ausserordentlich schwierigen Lage, weil alle diejenigen Länder, mit denen sie eine aktive Handelsbilanz habe, auf einem vollen Ausgleich der Zahlungsbilanz beharren, was zu einer Reduktion der Ausfuhren führe und überall dort, wo sie eine passive Handelsbilanz hat und demnach rein zahlungsmässig den Export steigern könnte, einer solchen Steigerung entweder Zollschranken oder Einfuhrbeschränkungen entgegengesetzt werden, weil die Schweiz keine Zahlungsbilanzschwierigkeiten kenne. Dies müsse zwangsläufig zu einer Unterbeschäftigung in der Schweiz führen. Eine solche Lage könnte uns vielleicht innenpolitisch einmal zwingen, mit denjenigen Ländern, mit denen wir eine passive Handelsbilanz haben, ebenfalls auf vollen Ausgleich zu dringen, nachdem alle diejenigen Länder, mit denen wir normalerweise aktiv sind, auf Ausgleich drängen. Wenn daher Kanada die schweizerische Ausfuhr dergestalt beschränke, dass die Schweiz den für sie ohnehin schwer zu erreichenden kanadischen Markt an die britische oder amerikanische Konkurrenz verliere, also nach Wegfall der kanadischen Einfuhrbeschränkungen nur kleine Exporte nach Kanada tätigen könne, so müsse dies auf lange Sicht auch für Kanada nachteilig sein, da dann auf einem sehr niedrigen Niveau ein Ausgleich hergestellt werden und Kanada bedeutende Restriktionen im Export nach der Schweiz erwarten müsse. Um der schweizerischen Industrie Gelegenheit zu geben, sich einen Markt in Kanada trotz den durch Präferenzzölle und amerikanische Konkurrenz bestehenden Schwierigkeiten zu schaffen, sei jetzt der letzte Moment.
Herr Taylor erklärte die Gründe, die zu der Einreihung der Schweiz in die Gruppe der «scheduled countries» führten. Kanada hätte sich vor die Wahl gestellt gesehen, entweder rein handelspolitisch je nach den Zahlungsbilanzverhältnissen mit jedem einzelnen Lande die Einfuhrbeschränkungen zu erlassen, oder diejenigen Länder, die über keine Zahlungsbilanzschwierigkeiten verfügen, in eine Klasse einzureihen und alle andern in die andere. Es habe sich zu diesem letzten Wege aus rein administrativen Gründen entschlossen, weil es den Apparat nicht habe, um eine ins einzelne gehende Einfuhrkontingentierung aus allen Ländern nach handelspolitischen Grundsätzen durchzuführen. Es habe sich umso leichter zu diesem zweiten Wege entschliessen können, als nach Auffassung der kanadischen Regierung diese Einfuhrbeschränkungen für die Dauer von höchstens 2 Jahren festgelegt worden seien. Die kanadischen Devisenreserven hätten sich zufolge dieser Einfuhrbeschränkungen, welche sich vor allem gegen die USA richteten, und der amerikanischen «off shore»-Käufe ganz bedeutend verbessert, sodass eine Erhöhung der Kontingente bereits vorgenommen werden konnte und auf den 1. Juli 1949 weitere Kontingentsverbesserungen vorgesehen seien. Die kanadische Regierung beabsichtige, unter normalen Verhältnissen die Einfuhrbeschränkungen bis spätestens Mitte nächstes Jahr vollständig aufzuheben. Sollte sich jedoch aus unvorhergesehenen Gründen die Devisenlage nicht in dem gewünschten Ausmasse bessern, so werde Kanada sich vermutlich veranlasst sehen, den Waren- und Zahlungsverkehr mit den einzelnen Ländern bilateral zu regeln. Gegenwärtig sei Kanada indessen jeder bilateralen Regelung abgeneigt, weil es an den multilateralen Zahlungsverkehr und Handelsaustausch glaube.
Wir entgegneten Herrn Taylor, dass die kanadische Einteilung der Länder in die beiden Klassen keiner realen Handelspolitik entspreche, sondern einer Art Wohltätigkeit. Es könne der Schweiz ihre kluge und vorsichtige interne Politik, die eine stabile Währung zur Folge habe, nicht zum Nachteil angerechnet werden. Ein Land dagegen, dessen Regierung Misswirtschaft getrieben habe (Schweden), werde durch diese Politik prämiert. Wenn übrigens Kanada nur auf die Konvertibilität der Währung abstelle, so seien wir leicht in der Lage, diese Konvertibilität Kanada gegenüber aufzuheben. Schliesslich seien auch die Tatsache der Knappheit des Schweizerfrankens und die anscheinende Ausgeglichenheit der schweizerischen Zahlungsbilanz keine Anzeichen für eine günstige Aussenhandelssituation der Schweiz. Das genaue Gegenteil treffe zu. Der Schweizerfranken sei vor allem zum Zwecke des Hortens gesucht und deshalb knapp. Wenn wir nicht selbst durch bilaterale Zahlungsabkommen dafür sorgen würden, dass der Gegenwert von eingeführten Waren wiederum der Ausfuhr zugute komme, würde der grösste Teil der Schweizerfrankenerlöse thesauriert. Wie bereits ausgeführt seien wir jedoch nicht in der Lage, eine günstige Aussenhandelssituation zu erzielen, weil diejenigen Länder, mit denen wir aktiv sein könnten, auf einem strengen Ausgleich der Zahlungsbilanz bestehen und diejenigen, mit denen wir passiv sind, Einfuhrbeschränkungen oder Zollschranken gegen die schweizerische Einfuhr errichten. Die Einteilung der Schweiz in die Gruppe der «scheduled countries» sei daher vollständig ungerecht und wir müssten verlangen, in die Gruppe der «non scheduled countries» versetzt zu werden.
Herr Taylor erwiderte, dass eine Versetzung der Schweiz in die Gruppe der «non scheduled countries» nicht ins Auge gefasst werden könne, da die kanadischen Einfuhrbeschränkungen durch das Parlament verfügt worden seien und eine Abänderung derselben aus innenpolitischen Gründen nicht in Frage kommen könne. Auch würde die Aufhebung der Konvertibilität des Schweizerfrankens innenpolitisch in Kanada die Gewährung von Erleichterungen für die Schweiz nicht fördern. Er sehe jedoch ein, dass die Schweiz im Grunde genommen ungerecht behandelt worden sei. Deshalb habe die kanadische Regierung denn auch bereits im Jahre 1948 für die Einfuhr von Uhren aus der Schweiz ein zusätzliches Kontingent von 500’000 Dollars und für die Einfuhr von Textilien in der Höhe von 240’000 Dollars zur Verfügung gestellt. Ab 1. Januar 1949 sei der Käse von jeglicher Einfuhrbeschränkung befreit worden, ferner seien zusätzliche Kontingente für die Einfuhr von Uhren in der Höhe von 580’000 Dollars und von Textilien in der Höhe von 300’000 Dollars zugeteilt worden. Schliesslich sei für Nähmaschinen eine besondere Quote festgesetzt worden. Am 1. April 1949 endlich sei die Einfuhr von Strohgeflechten freigegeben und die Basiskontingente für Uhren und Textilien um 25% erhöht worden. Wenn die kanadische Devisenlage sich nicht verschlechtert, so sehe – dessen könne er uns streng vertraulich versichern – die kanadische Regierung vor, die Einfuhr von Uhren, bestickten Taschentüchern, Seiden und Kunstseidengeweben für Krawatten auf die Freiliste zu setzen. Ferner werde sie ein weiteres zusätzliches Einfuhrkontingent für Textilien in der Höhe von 300’000 Dollars zur Verfügung stellen. Dies sei der einzige Weg, um die zugegebenermassen ungerechte Behandlung der Schweiz etwas zu korrigieren.
Wir erklärten uns mit den Mitteilungen Herrn Taylors nur teilweise befriedigt, indem vor allem die schweizerischen Textilien äusserst schlecht behandelt würden. Wir übergaben Herrn Taylor die beiliegende vom Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins in Zürich ausgearbeitete Liste der schweizerischen Minimalbegehren für zusätzliche Einfuhrkontingente6. Herr Taylor versprach, diese Wünsche der kanadischen Regierung vorzulegen, und eingehend zu prüfen, in welcher Weise der Schweiz entgegengekommen werden könne.
Aus dieser Unterredung ziehen wir den Schluss, dass von der Inkraftsetzung der schweizerischen Gegenmassnahmen abzusehen sei, sofern sich die Versprechungen des Herrn Taylor erfüllen. Sollten diese Versprechungen bis Ende Juni 1949 nicht oder nur teilweise erfüllt werden, so würden wir den Erlass7 der bereits vorbereiteten Einzahlungspflicht beantragen.
- 1
- Diese Notiz wurde von H. Schaffner erstellt und unterschrieben und ging an J. Hotz, H. Homberger und F. Kappeler.↩
- 2
- (Kopie): E 2001(E)1967/113/10.↩
- 3
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/4202. Pour le tableau, cf. dodis.ch/4202. For the table, cf. dodis.ch/4202. Per la tabella, cf. dodis.ch/4202.↩
- 4
- Dieser Antrag führte zum BR-Prot. Nr. 2957 vom 29. Dezember 1948, E 1004.1(-)-/1/500 (dodis.ch/3019).↩
- 5
- Vgl. die Schreiben von V. Nef an die Handelsabteilung des EVD vom 6. und 12. Januar 1949. Nicht abgedruckt.↩
- 6
- Nicht abgedruckt.↩
- 7
- Betreffend die für Juli 1949 erwartete Lockerung der kanadischen Importbeschränkungen vgl. das Schreiben von H. Schaffner an V. Nef vom 20. Juli 1949. Nicht abgedruckt.↩
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