Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 2, doc. 351
volume linkBern 1985
Plus… |▼▶Emplacement
Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E1007#1995/533#90* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 1007(-)1995/533 90 | |
Titre du dossier | Januar - März 1871 (Nr. 1-1529) (1871–1871) | |
Référence archives | 7.1.1 |
dodis.ch/41884
Mit Schreiben vom 11., 12. und 15. diess2 haben Sie uns über die in Ausführung unserer Instruktionen vom 2. Februar3 u. 7. März4 gethanen Schritte Bericht erstattet und Abschrift der Note übersendet, welche Sie unterm 10. März5 in der fraglichen Angelegenheit an das französische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten gerichtet haben. Unterdessen ist Ihnen unser Schreiben vom 16. diess6 zugekommen, welches Ihnen die von uns adoptirte Fassung des Artikels brachte, der behufs Sicherung eines unbelästigten französisch-schweizerischen Verkehrs über das annexirte elsässische Territorium in den Friedensvertrag aufzunehmen wäre. Diesem Vorschläge sowohl, welcher nur unwesentlich von dem von Ihnen vorgelegten Projekt abweicht, als auch unserem bezüglichen Begleitschreiben werden Sie entnommen haben, dass wir mit der Voranstellung des Postulates vollständiger Freihaltung des französisch-schweizerischen Verkehres über deutsches Gebiet und den zur Geltendmachung dieses Postulates gethanen Schritten einverstanden sind. In Übereinstimmung hiemit billigen wir auch die, abschriftlich uns mitgetheilte, von Ihnen an Herrn Minister Favre erlassene Note.
Es lässt sich nicht verkennen, dass eine Stipulation im Sinne des vorgeschlagenen Artikels die Nachtheile, welche die Annexion des Elsasses an Deutschland den schweizerisch-französischen Interessen zu bereiten droht, sehr wesentlich verringern würde und als nicht zu verachtende Konzession begrüsst werden müsste.
Gleichwohl könnten wir uns dabei nicht vollständig beruhigen. Immerhin bliebe zwischen Frankreich und die Schweiz ein dritter Staat eingeschoben mit einer grossen, eigenen Verkehrspolitik und Eisenbahninteressen, welche mit denjenigen des französisch-schweizerischen Verkehrs nicht identisch sind und deren natürliches Widerstreben sich durch den Vertragsartikel kaum ganz paralysiren lassen würde. Durch ungünstige Interpretationen, gegen welche schwer aufzukommen wäre, könnte das, was durch den Vertragsartikel gewonnen schien, geschmälert u. theilweise illusorisch gemacht werden, und träte gar, was nicht ausserhalb der Möglichkeit liegt, nochmals Kriegszustand zwischen Deutschland und Frankreich ein, so wäre mit einem Male alle Garantie dahin und der Handel u. Verkehr des neutralen Landes mit Frankreich und durch Frankreich mit den französischen Meerhäfen auf der in Frage stehenden Route gestört und aufgehoben. Überdiess bliebe das militärische Interesse der Schweiz dabei gänzlich unberüksichtigt, da man für die Verbindung zwischen dem jezt mehr als je exponirten Pruntrut und Basel, welche wie an den zwei Endpunkten eines tief eingebuchteten Sees liegende Pläze betrachtet werden müssen, nach wie vor auf den tief landeinwärts gelegenen, mehrere Tagemärsche erheischenden Weg angewiesen wäre.
Selbst unter Voraussezung der Annahme des proponirten Artikels bliebe also immerhin Unsicherheit u. Abhängigkeit in Betreff der kommerziellen Beziehungen und sehr wesentliche Unvollkommenheit unserer Lage in militärischer Hinsicht.
Eine ausreichende Sicherung nach beiden Richtungen wird uns dadurch geboten, wenn durch vorausgehende Territorialveränderung die Erstellung einer möglichst kurzen Verbindung zwischen Beifort und Basel ohne Inanspruchnahme deutschen Gebiets ermöglicht wird. Hiefür bieten sich die beiden Projekte dar, welche in unserem Schreiben vom 7. März unter 1 u. 2 aufgeführt und in die beiliegenden Karten eingezeichnet sind. Erheischt das zweite eine sowohl in Beziehung auf Landgebiet als auf Einwohnerzahl nur höchst geringe Cession, so ist dasselbe auch verhältnissmässig weniger günstig zur Erreichung des angestrebten Zwekes, als das erste, welches allerdings eine grössere Abtretung erforderlich macht, dafür aber eine möglichst direkte Verbindung zwischen Pruntrut u. Basel, beziehungsweise zwischen dem französischen Eisenbahnnez und den in Basel auslaufenden schweizerischen Linien gestatten würde.
Diese Forderung, welche schon neben dem Postulate unbelästigten Durchgangs des französisch-schweizerischen Verkehrs über das annexirte deutsche Gebiet volle Berechtigung u. geltend zu machen ist, wird zur dringenden Nothwendigkeit für den Fall, als deutscherseits auf jenes Postulat nicht eingegangen werden wollte. Wir haben um so weniger nöthig, Ihnen die Nachtheile auseinander zu sezen, welche eine solche Verweigerung für Frankreich u. die Schweiz mit sich bringen würde, als Sie selbst in Ihren mündlichen Erörterungen und in Ihrer Note vom lO.diess dem französischen Ministerium des Äussern diese bereits in treffender und überzeugender Weise dargelegt haben. Wäre noch etwas zur Bestärkung des von Ihnen Angebrachten hinzuzufügen, so wäre es das, dass deutsche Publizisten als einen nicht geringen Vortheil der Annexion des Elsasses das hervorheben, dass dadurch die Konkurrenz der französischen Häfen und der französischen Eisenbahnlinien mit den deutschen für den bedeutenden, aus der Schweiz kommenden Exportverkehr beseitigt werde.
Wenn die deutschen Bevollmächtigten in der Absicht, die durch Annexion des Elsasses gewonnene Verkehrsstellung in dem angekündigten Sinne auszunuzen, den ihnen zu proponirenden Artikel betreffend Erleichterung des direkten französisch-schweizerischen Verkehrs über deutsches Gebiet ablehnten, so ist förmlich wenig wahrscheinlich, dass bei denselben Geneigtheit zu finden sein werde, deutsches Gebiet an die Schweiz abzutreten, damit auf diesem Wege die Konkurrenzfähigkeit französischer Linien u. Häfen für den in Frage liegenden Verkehr wieder hergestellt werden könne. Allein die grösseren oder geringeren Schwierigkeiten, welche der Erreichung der in Aussicht genommenen Ziele entgegentreten mögen, können uns um so weniger hindern, für unsere Interessen mit allem Nachdruk einzustehen, als dieselben ebenso wichtig, als höchst berechtigt sind.
Wir haben schon wiederholt hervorgehoben und finden uns durch eine Stelle Ihres lezten Briefes, in welcher Sie zur Dekung Ihrer Verantwortlichkeit genaueste Bezeichnung der zu proponirenden Gränze wünschen, veranlasst, darauf zurükzukommen, dass es sich in dem Friedensvertrag zwischen Frankreich und Deutschland nicht um eine neue Fixirung, beziehungsweise definitive Veränderung unserer Gränze handeln kann, da solche definitive Veränderung der schweizerischen Landesgränze, beziehungsweise Einverleibung eines grössern oder kleineren neuen Gebietes selbstverständlich Sache eines Vertrags mit der Schweiz selbst sein muss. Indessen ist es sehr natürlich, – und in diesem Sinne fassen wir Ihre Äusserungen auf –, dass, wenn auch eventuell in dem Friedensvertrag selbst nur eine allgemein gehaltene Bestimmung betreffend eine in dem Interesse des schweizerisch-französischen Verkehrs vorzunehmende Gränzveränderung eine Stelle finden kann, die Bevollmächtigten, welche darin zu verhandeln haben, über die beabsichtigte Tragweite einer derartigen Bestimmung möglichst ins Klare gesezt werden müssen.
Ihrem Wunsche, eine bestimmte Fassung des daherigen Postulates, welches bei der französischen Regierung zu empfehlen wäre, zu erhalten Rechnung tragend, sprechen wir dasselbe aus, wie folgt:
«Die vertragschliessenden Theile kommen überein, dass unter Vorbehalt vertragsmässiger Vereinbarung mit der Schweiz von dem südlichsten Theil des Elsasses
I. dasjenige Gebiet, welches sich südlich einer von der jezigen Gränzspize östlich von Bonfol ausgehenden, nördlich bei Mornach, Werenzhausen, Folgenburg, Attenschwyler auf Hüningen verlaufenden Linie befindet,
II. diejenige Streke, welche von einer nordwestlich von Lucelle ausgehenden und südlich von Winkel und über die Höhe des Glasberges bis nordwestlich von Kiffis und Klösterlein zum Punkte ‹Rämel› führenden Linie begränzt wird,
an die Schweiz fallen und in ihrer Neutralität inbegriffen sein solle.»
Da wir für die Geltendmachung der in Frage liegenden Ansprüche bei den in Brüssel stattfindenden Friedensverhandlungen ausschliesslich an die französische Regierung gewiesen sind, so müssen wir uns darauf beschränken, derselben unsere Gesichtspunkte in aller Offenheit vorzulegen, was wir um so weniger Bedenken tragen können zu thun, als dasjenige, was wir erstreben, wenigstens ebenso sehr in dem Interesse Frankreichs als in demjenigen der Schweiz liegt.
Indem wir uns der Hoffnung hingeben, dass die in dem Sinne dieses Schreibens der Regierung von Frankreich zu machenden Eröffnungen sich einer günstigen Aufnahme erfreuen werden, u. Ihren weiteren Berichten entgegensehen, benuzen wir etc.
Tags
Neutralisation de la Savoie (1870–1871)