Confidentiell Berlin, 22. Dezember 1870
Handhabung der Neutralität.
Obgleich mir erst vorgestern noch Hr.v.Thile seine Anerkennung über die loyale Handhabung der Neutralität Seitens der Schweiz aussprach, so will ich doch nicht unterlassen mitzutheilen, dass hie und da Hetzartikel gegen die Schweiz unter dem Vorwand mangelhafter Neutralitätshandhabung in der Tagespresse erscheinen, so namentlich wegen den Pferdeankäufen für französische Rechnung etc. (Belgien hat nun, durch die immerwährende Hetzerei eingeschüchtert, auch die Pferdeausfuhr verboten.) Aus Privatmittheilungen weiss ich auch, dass man hier von Werbebüreaux in Baseler Wirthshäusern u. anderswo spricht, wohin sich die jungen Elsässer wenden, um Verpflegung und Reisegeld nach Frankreich zu erhalten. Ob sich diese Gerede im Zusammenhange mit in Bern schon gemachten oder noch zu machenden Reklamationen befinden, kann ich nicht beurtheilen. Jedenfalls wird von solchen hier gesprochen u. ich bin über das Stattfinden von solchen schon befragt worden.
Die Neutralitätsbotschaft2 wurde hier sehr bemerkt u. hat, wie ich annehme, im allgemeinen einen günstigen Eindruk gemacht. Minister Delbrük schien von der Stelle frappirt, dass der Bundesrath mit Sorge die Möglichkeit der Abtrennung des Elsasses v. Frankreich in Aussicht genommen. Auch ein einflussreicher Rath des Bundeskanzleramtes nahm Bezug auf die angeführte Stelle. Abgesehen von den für diese Sorge in der Botschaft selbst angeführten Motiven, gab ich den Herrn einige Erläuterungen über die besondern Handels- u. Verkehrs-Interessen Basel’s, namentlich seine Beziehungen zu Havre u. Marseille nach dem jetzigen u. künftigen Stand der Dinge.Gotthardangelegenheit.
Hinsichtlich der Verlängerung des Gotthardvertrages habe ich Herrn Delbrük die Schlussnahme der Bundesversammlung, wie mir solche aus der Tagespresse bekannt wurde, mitgetheilt. Er gewärtigt die offiziellen Mittheilungen u. würde seinerseits zu einem Vertragsabschluss über die Fristverlängerung in Berlin oder Bern Hand bieten. Im Laufe der Unterhaltung besprachen wir auch das erhöhte Interesse, das Deutschland durch Einverleibung v. Eisass u. Lothringen an der Gotthardbahn gewänne; u. von der Förderung des Unternehmens durch die Neuconstituirung Deutschlands.
Die auf den Gotthard bezügliche Stelle im badisch-hessischen Schlussprotokoll zum Bundesvertrag v. 15. Nov. 1870 (Drukfahne No 6, Seite 6 oben der letzten Reichstagsverhandlungen) werden Sie vielleicht bemerkt haben.