Classement thématique série 1848–1945:
I. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ÉTATS
I.1 ALLEMAGNE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 2, doc. 296
volume linkBern 1985
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#84* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 46 | |
Dossier title | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 1 (1867–1873) |
dodis.ch/41829
Letzten Mittwoch, den 12. Octob. morgens früh, bin ich hier aus der Schweiz wieder angelangt, und habe meine Reise durch das badische Land dazu benutzt, von Kehl aus Strassburg zu besuchen, um mich daselbst in militärischer u. politischer Beziehung, soweit möglich, umzusehen. Die Besichtigung der Stadt überzeugte mich, wie wohl motivirt – vom Standpunkt der Humanität aus – die Hülfe war, welche schweizerischer Seits den Strassburgern gewährt wurde2. Ich hatte auch für mein Vaterland die Genugthuung, wahrzunehmen, wie hoch von Strassburgischen Familien die Schweizerische Dazwischenkunft angeschlagen wird, u. dass auch Seitens der preussischen resp. deutschen Militär- u. Civilbehörden, die ich zu sprechen Gelegenheit hatte, übelwollende Bemerkungen in bezug auf diese oder andere Punkte mir nicht gemacht worden sind.
Da ich mehrere Mitglieder des neuen Generalgouvernements im Eisass, z. B. den Gouverneur Grafen Bismark-Bohlen, den Generalstabschef Obersten v. Hartmann, den Adlatus des Civilkomissärs, Herrn v. Sybel, persönlich kannte, so machte ich denselben meinen Besuch, fand bei denselben die beste Aufnahme, machte einige ferner werthvolle Bekanntschaften u. empfieng vom Grafen Bismark-Bohlen die Versicherung, dass die Hülfeleistung der Schweizerischen Militärärzte deutscher Seits sehr gewürdigt wurde. Abgesehen von meinen sonstigen militärischen Wahrnehmungen kann ich nicht umhin, Zeugniss abzulegen von dem günstigen Eindruke, den mir die Deutschen, worunter auch viele Landwehr-Truppen, durch ihr taktvolles, würdiges Benehmen machten, in dem sich sowohl Bildung u. patriotische Gesinnung, als auch feste Mannszucht offenbarten. Andererseits darf ich nicht unerwähnt lassen, dass ich aus den Berichten vieler Ohren- und Augenzeugen zur Schlussfolgerung gelangen musste, es sey die moralische Haltung der französischen Truppen nicht erst durch die letzten Kriegsereignisse erschüttert, sondern schon seit Jahren durch laxe Disciplin untergraben worden.
Wenn auch die Verwaltung v. Elsass-Lothringen vor der Hand noch im Namen der verbündeten deutschen Souveräne, u. auch mit Beiziehung süddeutscher Verwaltungsbeamten geführt wird, so wird sie doch ganz nach preussischem Regulative u. so eingerichtet, dass der Übergang in den unmittelbaren preussischen Staatsverband in kürzester Frist sich vollziehen kann. Zu erwähnen ist, dass fast alle französischen höhern Staatsbeamten, wie die Receveurs, Contrôleurs etc., nachdem sie vorerst ein Verbleiben im Amt in Aussicht gestellt, schliesslich die Fortführung ihrer Funktionen verweigert haben, so dass das Generalgouvernement genöthigt ist, preussische Beamte als Ersatz zu berufen.
Seit meiner Ankunft in Berlin habe ich erst eine kleine Anzahl von Besuchen machen können, u. sind desswegen meine Eindrüke u. Notizen, die ich Ihnen wiedergeben kann, sowohl an Zahl als Inhalt noch sehr beschränkt.
So zweifellos auch die Zuversicht auf die vollständige Besiegung Frankreichs überall einem entgegentritt, so wird doch bereits die längere Dauer des Krieges in Betracht gezogen, u. demgemäss auch die Auflegung einer neuen Bundesanleihe in Aussicht genommen. Der König habe hierher gemeldet, dass er darauf gefasst sey, die Weihnachtszeit in Frankreich zuzubringen, auch Bismark rechne darauf, den Winter über wegzubleiben. Die Verlängerung des Kampfes und die Bitterkeit der bisherigen Opfer verschärft selbstverständlich die Leidenschaft der Gemüther, und es kann hinsichtlich der künftigen Friedensbedingungen das Härteste, hinsichtlich des Schiksals der zu erobernden Stadt Paris das Traurigste zur Verwirklichung gelangen.
Die Stimmung gegen die Neutralen verbittert sich, namentlich ist jetzt – ausser England – Belgien Gegenstand sehr übelwollender Beurtheilung. Auch hinsichtlich der Schweiz u. namentlich hinsichtlich der Schweizerischen Presse begegne ich einer nicht zu unterschätzenden Gereiztheit. Selbst Hr. v.Thile sprach mir bei meinem offiziellen Besuch, den ich ihm gestern machte, mit einer gewissen Bitterkeit von feindseligen Gesinnungen, die sich in der Schweiz gegen Preussen kundgäben, obgleich er anerkennen müsse, dass die Bundesregierung eine strikte u. unpartheyische Neutralität bewahre. Nachdem ich ihm über die eigenthümlichen Verhältnisse unseres Landes u. die daraus sich ergebenden Consequenzen meine Gegenbemerkungen gegen eine solche Auffassung gemacht, äusserte er sich noch dahin: die preussische Regierung wolle gerne das Verhalten der Schweizerischen Bundesregierung als den Gesinnungsausdruk des Schweizerisches Volkes hinnehmen, sie hege auch gegen unser Land ein aufrichtiges Wohlwollen usw. Troz dieser endlichen Wendung der Konversation zu einem wohlwollenden Abschluss, so war ich doch von der Verstimmung frappirt, die sich sowohl im Inhalt als im Ton der Unterhaltung unverkennbar aussprach, u. welcher nach meiner Ansicht am wirksamsten durch eine reservirtere Haltung der Schweiz. Presse entgegengewirkt werden könnte.
Herr v. Thile, der in dem vielfachen Verkehr, den ich mit ihm hatte, nicht bloss gegen mich, sondern gegen die Schweiz selbst sich stäts äusserst wohlwollend bewiesen, hatte nicht die Absicht, unserem Lande gegenüber irgend welche Drohung auszusprechen, sondern bezeichnete seine Äusserungen in dieser Hinsicht als eine rein «akademische» Besprechung, zu der er nach meiner Ansicht in gewissen einzelnen u. einseitigen Kundgebungen aus unserem Lande Veranlassung finden mochte.
Ich hielt es für meine Pflicht, Sie von solchen Symptomen in Kenntniss zu setzen, u. bitte Sie, von diesen meinen Andeutungen nur den confidentiellsten Gebrauch gestatten zu wollen.
Über die Verhandlungen mit den Südstaaten verlautet nur soviel Definitives, dass diesselben für ihren Eintritt in den Nordbund noch an der Vorbedingung eines grössern Masses von Autonomie festhalten, u. dass ein formelles Einverständniss mit ihnen (Würtemberg & Bayern) noch nicht erzielt worden.