Classement thématique série 1848–1945:
I. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ÉTATS
I.3. AUTRICHE-HONGRIE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 2, doc. 279
volume linkBern 1985
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#1230* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 517 | |
Dossier title | Wien, Politische Berichte und Briefe, Militär- und Konsularberichte, Band 19 (1869–1872) |
dodis.ch/41812
Ich habe Ihnen in meiner gestrigen Depesche2 erwähnt, dass zwischen den Cabineten von Florenz, London, Petersburg und Wien ein Ideenaustausch über Friedensvermittlungen statt finde. Es werden aber auch zwischen diesen Cabineten noch Verhandlungen über eine Neutralitätsliga gepflogen. Durch Austausch von Noten (nicht durch Vertrag) wollen sich nämlich dieselben verpflichten, die strengste Neutralität in dem gegenwärtigen Kriege zu beobachten; sollten die Verhältnisse das eine oder andere Cabinet zwingen, aus seiner Neutralität zu treten, so wäre es verpflichtet, den übrigen Cabineten acht Tage früher davon Mittheilung zu machen. Diese Vereinbarung ist vom Florentiner Cabinete in Anregung gebracht worden u. fand zuerst nur zwischen Florenz u. London statt; später wurde das Petersburger Cabinet beigezogen. Lord Granville, ein persönlicher heftiger Gegner des Grafen Beust, weigerte sich lange, auch Österreich zum Beitritte aufzufordern, da er, offen gestanden, dem Reichskanzler nicht traut, er musste sich aber dem Wunsche der übrigen drei Mächte fügen und gestern ist nun durch den k.k. Botschafter in London, Graf Apponyi, die vorläufige telegraphische Aufforderung zum Beitritte von Österreich hier eingetroffen.
Graf Beust, der natürlich schon früher Kenntniss von den Verhandlungen hatte, wird nun den übrigen Cabineten proponiren, dass auch die kleinen neutralen Staaten, als die Schweiz, Belgien, Holland, Dänemark zum Beitritt aufgefordert werden sollen; dagegen wird insbesondere Italien heftig opponiren. Von einigen Seiten wird nun behauptet, Graf Beust mache nur diese Proposition in der Absicht, damit die ganze «Neutralitätsliga» scheitere, da sie ohne sein Zuthun ins Leben gerufen wurde und er verlezt sei, dass Österreich zulezt u. so spät zum Beitreten aufgefordert wurde.
Vor vier Wochen hätte diese «Neutralitätsliga» auf achttägige Kündigung(!) einen Sinn gehabt, wie die Kriegsfrage heute liegt u. insbesondere nach den deutschen Waffenerfolgen von vorgestern, ist sie fast gegenstandslos geworden, da es weder Österreich noch Italien einfallen wird, «sich mit einem Cadaver zu alliren» wie sich Louis Napoleon im Jahre 1866 in Bezug auf Österreich ausdrükte; England ohnehin jezt keinen Grund hat, aus seiner Neutralität zu treten, und Russland am allerwenigsten beabsichtigt, Preussen, auf dessen grosse Erfolge es mit Eifersucht blikt, eine Hand, die nicht einmal verlangt wird, zu bieten.
Der hiesige italiänische Geschäftsträger Hr. Curtopassi bezeichnet, wie mir scheint ganz passend, diese Neutralitätsliga als einen Humbug.
Die gestern verbreitete telegr. Nachricht, dass Fürst Orloff beim Könige von Preussen Friedensvorschläge gemacht habe, dürfte sich, wie mir der russische Geschäftsträger mittheilte, darauf reduciren, dass Fürst Orloff seine in Frankreich lebende Gattin besuchte u. bei dieser Gelegenheit im preussischen Hauptquartier war. Eine diplom. Mission soll er dort nicht gehabt haben. Im gestrigen Abendblatte der «Neuen freien Presse» (19. August) war ein ziemlich heftiger Artikel gegen unsern Herrn Gesandten in Paris enthalten. Ich erlaube mir, Ihnen bei dieser Gelegenheit zu bemerken, dass im Jahre 1866 von der hiesigen Schweiz. Gesandtschaft dem h. Bundesrath die Mittheilung gemacht wurde3, dass Louis Napoleon unter anderen Compensationsobjecten für Frankreich auch Theile der Westschweiz verlangt habe. Unser Herr Minister in Paris, dem diese Nachricht vom h. Bundesrath mitgetheilt wurde, fand sie lächerlich und versicherte, dass niemals davon die Rede gewesen sei. Die neuesten Berlinerenthüllungen4 haben jedoch bewiesen, dass die hiesige Schweiz. Gesandtschaft damals vollkommen richtig informirt war.
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