Classement thématique série 1848–1945:
I. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ÉTATS
I.5 BRÉSIL
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 2, doc. 124
volume linkBern 1985
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
Cote d'archives | CH-BAR#E2#1000/44#2101* | |
Titre du dossier | Auswanderung nach Brasilien (1868–1892) | |
Référence archives | D.423.02 |
dodis.ch/41657
Ich beeile mich, Ihre geehrte Zuschrift vom 27. Februar2 bezüglich der Anfrage der k. würtemberg’schen Regierung in Hinsicht auf das Ansuchen des Coloniedirectors Dr. Blumenau zu beantworten.
Seit dem Abschlüsse meiner brasilianischen Mission im Jahre 18613 habe ich die Colonisationsverhältnisse Brasiliens ununterbrochen mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt, was mir auch in soferne erleichtert wurde, als mir alljährlich die officiellen Regierungsberichte über Colonisationsangelegenheiten von brasilianischer Seite übermittelt wurden. Ich bin daher auch in der Lage, hier in gedrängter Kürze Ihnen die einschlägigen Verhältnisse zu characterisiren. Im Jahre 1862 gewann, sowohl im Ministerium, als auch in den Kammern in Rio de Janeiro die nativistische Partheidie Oberhand. Sie war jeder auf Begünstigung einer fremden Einwanderung hinzielenden Regierungsmassregel abhold, und behauptete, die Regierung würde weit vernünftiger handeln, wenn sie, statt Ausländern Subsidien und gutes Akerland zu verabfolgen, diese Begünstigung Einheimischen zukommen lassen würde; man würde auf diese Weise eine im allgemeinen wohlhabende Bevölkerung heranziehen, die unter den Institutionen ihres eigenen Vaterlandes aufgewachsen, der Regierung die vielfältigen unangenehmen Reclamationen fremder Mächte ersparen würde. Diese Parthei berüksichtigte aber nicht, dass auf diese Weise dem bedenklichen Mangel an Arbeitskräften nicht abgeholfen würde, dass das brasilianische Proletariat zu faul zum Arbeiten ist und es weder Geldsubsidien noch Länderschenkungen bedürfe, wenn ihm überhaupt an der Arbeit gelegen wäre. Einige gänzlich erfolglose Versuche überzeugten schliesslich die Nativisten von dem Irrigen ihrer Projecte.
Nach Vollendung des Bürgerkrieges in Nordamerika zeigten mehrere Pflanzer der Südstaaten Neigung, mit bedeutenden Capitalien, Maschinen, intelligenten Arbeitskräften u.s.f. nach Brasilien überzusiedeln, und sandten einige Abgeordnete nach dem Kaisereich, um sich über die dortigen Verhältnisse zu informiren. Sie wurden von der Regierung mit offenen Armen empfangen, von den Localbehörden im Triumphe durch mehrere Provinzen begleitet, von der Bevölkerung fêtirt, von der öffentlichen Presse mit Jubel begrüsst. Die schlauen Yankees erwiederten diese Ovationen durch das Versprechen, eine massenhafte Einwanderung von ausgezeichneten Colonisten mit grossen Capitalien nach Brasilien zu lenken, und die Brasilianer träumten schon von einer neuen Ära nationalen Wohlstandes. Die Regierung sandte Agenten nach Nordamerica, u. nach ungefähr einem halben Jahr langten auch ein Paar Schiffe mit nordamerikanischen Emigranten in Rio de Janeiro an; es waren mehrere Hundert Köpfe zusammengelaufenes Gesindel, aller möglichen Nationen, der Auswurf einiger nordamerikanischen Hafenplätze. Die Reise der Yankeesabgeordneten enthüllte sich als ein grossartiger Humbug. Die Auswanderung nach Brasilien fand in den Vereinsstaaten so wenig Anklang, dass die Dampfer der neu errichteten Postlinie Neuyork–Riode Janeiro ihre ersten Reisen entweder ganz ohne Passagiere, oder nur mit einer kaum nennenswerthen Zahl, unter der sich aber keine Emigranten befanden, machen mussten.
Nachdem die Hoffnung auf eine grosse nordamerikanische Immigration so kläglich gescheitert war, und als die Frage der Emancipation der Sklaven immer ernster in den Vordergrund trat, richtete die kais. Regierung von neuem ihre volle Aufmerksamkeit auf die europäische Einwanderung. Sie scheint zur Einsicht gelangt zu sein, dass nur durch das Herbeiziehen vorzüglich deutscher Arbeitskräfte dem gänzlichen Ruine der Agricultur ein wirksamer Damm entgegengesetzt werden könne und hat daher auf legislatorischem Wege eine Anzahl von Übelständen beseitigt, die früher die bürgerlichen und religiösen Rechte der Einwanderer im hohen Grade beeinträgtigt hatten. Massregeln, die ich in dieser Richtung der kais. Regierung in den Jahren 1860 u. 1861 dringend empfahl, hat sie endlich ins Leben tretten lassen und es lässt sich nicht in Abrede stellen, dass sich die Colonisationsverhältnisse von Jahr zu Jahr günstiger für die Einwanderer gestalten. Es bildete sich im Jahre 1866 zu Rio de Janeiro eine internationale Einwanderungsgesellschaft, an deren Spitze aufgeklärte und tüchtige Männer stehen und die den Hauptzwek hat, die Einwanderung durch moralische u. pecuniäre Mittel zu unterstützen. Der erste Rechenschaftsbericht dieser Gesellschaft, den ich vor Kurzem erhalten habe, weist auch in der That sehr erfreuliche Resultate ihrer Wirksamkeit nach.
Die Regierung hat, wie ich vernehme, den Dr. Hermann Blumenau zu ihrem Generalagenten für Emigration in Europa ernannt. Ich kenne Dr. Blumenau persönlich und kann die ernste Versicherung geben, dass er ein in jeder Beziehung durch u. durch ehrenhafter und achtungsvoller Character ist. Über seine Wirksamkeit als Begründer und Director der gleichnamigen deutschen Colonie in der Provinz Santa Catharina habe ich im dritten Bande meiner Reisen durch Südamerika p. 380 u. ff. ausführlich gesprochen.
Da die südlichen Provinzen Brasiliens durch ihr gesundes subtropisches Clima, ihren meistentheils vortrefflichen Boden, durch zahlreiche, zum Theil sehr prosperirende deutsche Colonien sich ganz vorzüglich für die deutsche Einwanderung eignen, da ferner die kais. brasilianische Regierung sich fortwährend bemüht, durch zwekmässige Gesetze und Verordnungen alle jene Übelstände zu beseitigen, die früher so vielfach Gegenstand für gerechtfertigte Reclamationen europäischer Regierungen waren, da die brasil. Regierung den Inmigranten selbst einige wichtige materielle Vortheile gewährt, da endlich die Einwanderer, wenn sie nach Brasilien kommen, nicht verlassen und auf sich selbst angewiesen oft dem grässlichsten Elende verfallen, wie diess nur zu oft in den Vereinsstaaten vorkommt, sondern bei Fleiss und Nüchternheit in verhältnissmässig kurzer Zeit sich eine befriedigende Existenz schaffen können, so finde ich unter den gegenwärtigen Verhältnissen durchaus keine hinlänglichen Gründe, die irgend eine deutsche Regierung noch veranlassen könnten, die früher allerdings motivirten\erfügungen gegen die Auswanderung nach Brasilien auf noch fernerhin aufrecht zu erhalten.
Ich gebe dieses Urtheil nur nach genauer Kenntniss und reiflichster Überlegung der bezüglichen Verhältnisse ab.
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