Classement thématique série 1848–1945:
I. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ÉTATS
I.1 ALLEMAGNE
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 2, doc. 95
volume linkBern 1985
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2300#1000/716#84* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2300(-)1000/716 46 | |
Titre du dossier | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 1 (1867–1873) |
dodis.ch/41628
Ich bin im Besitze Ihrer zwei Missiven vom 22., sowie derjenigen vom 24. May2 u. hoffe, dass Sie inzwischen auch in den Besitz meiner Dep. No 3 (v.22.)3 gekommen sein werden. Von Leipzig habe ich zur Stunde noch nichts erhalten. Veranlassung zum heutigen Schreiben bietet mir eine lange Unterredung, welche ich gestern mit den Geh. Rath v. Philippsborn, Director im ausw. Ministerium hatte. Dieser Mann hat das ganze Handels- u. Zollwesen, insoweit es zu Berührungen mit dem Auslande führt, unter seiner Direction & er, nebst einem Rathe des Handelsamtes (Delbrück) war es, der s. Zt. die ganze weitschichtige Verhandlung in Betreff des franz.-deutschen Handelsvertrages & was sich daran anknüpfte, geführt hat. Er war mir als sehr bedeutend geschildert worden u. den Eindrukk, den ich gestern empfangen, stimmt damit ganz überein. Ich wollte von ihm einmal etwas Genaueres erfahren, einmal über die Gründe, welche Preussen veranlasst hätten, s. Zt. dem Entwurf eines Handelsvertrags mit der Schweiz die Genehmigung zu versagen, sodann über das Stadium, in welchem sich die Reconstruction des Zollv. befände, bez. Weise über die Gesichtspunkte, welche die kgl. Regierung dabei als massgebend betrachte. Hr. v. Philippsborn gab mir in allen diesen Beziehungen ganz offenen Aufschluss, & da ich voraussetze, dass es Sie interessiren werde, zu erfahren, wie diese Dinge z. Z. liegen, so nehme ich mir die Freiheit, Ihnen das Wesentliche mitzutheilen. Nur muss ich bemerken, dass Hr. v. Ph. ausdrükklich seine Mittheilungen als durchaus vertrauliche bezeichnet & dass ich daher verlangen muss, dass auch in Bern dieser Character respectirt werde. Was zunächst den Schweiz. Handelsvertrag anbelangt, so erklärte Ph., dass Preussen in der That nur einzelne kleine Ausstellungen zu machen hatte (in Betreff des Zollsatzes auf Kirschwasser, Absynthe, grünen Käse), dass aber die Erwartung in Berlin vorgewaltet habe, die Süddeutschen Regierungen werden noch im Herbst 1865, nach Kenntnissnahme der Monita der verschiedenen Regierungen des Zollv., die Verhandlungen mit der Schweiz wieder eröffnen u. – bei der Unbedeutendheit der Divergenzen – rasch zu Ende bringen. Er zeigte mir das Concept eines Schreibens an den Württemberg. Gesandten v. Linden aus dem October 1865, worin wirklich diese Erwartung ausdrükklich ausgesprochen war. Ich gestehe, dass mir, nach dieser Mittheilung, die Haltung der süddeutschen Regierungen, die bekanntlich seit July 1865 offiziell gar nichts mehr von sich hören Hessen, ganz räthselhaft erscheint. Jedenfalls aber dürfte angenommen werden, dass, wenn jetzt früher oder später die Unterhandlungen wieder aufgenommen werden, grosse u. ernsthafte Schwierigkeiten sich nicht ergeben werden. Was nun die Reconstruction des Zollvereins anbelangt, so wird diese Frage unmittelbar an die Hand genommen werden & voraussichtlich noch im Laufe des kommenden Monats Juny eine Conferenz v. Abgeordneten sämmtlicher Zollvereinsregierungen hier in Berlin zusammentreten. Die Stellung der süddeutschen Staaten wird dabei eine sehr einfache, aber wenig erfreuliche sein: Preussen wird in Namen des norddeutschen Bundes, der bekanntlich nun, seiner Verfassung gemäss, ein Zollgebiet bildet, seine Propositionen machen u. sich lediglich auf den Standpunkt stellen: c’est à prendre ou à laisser. In vorderster Linie steht dabei – ich möchte sagen selbstverständlich – das Postulat, dass hiefort im Z.V.4 das liberum Veto der einzelnen Staaten wegfalle u. dass ein Organ geschaffen werde, dessen durch Mehrheit gefasste Beschlüsse massgebend seien für alle einzelnen Glieder des Verbandes. Wie ich durch vertrauliche Besprechungen mit den Vertretern der süddeutschen Staaten erfahren habe, sind Baden, Hessen & ohne Zweifel auch Württemberg bereit, diese Consequenz der neuen Verhältnisse ohne Weiteres anzunehmen, dagegen wird Bayern Schwierigkeiten machen: man kann sich dort, wie es scheint, durchaus noch nicht in die Lage schikken, nicht mehr ein selbstständiges «Reich» zu sein. Ob Bayern es deshalb zu einer Sprengung des Zollvereins wird kommen lassen, steht dahin; ich glaube es nicht, aber zäh werden sie sicherlich sein. Preussen scheint indessen durchaus entschlossen, keine lange Zögerung zuzulassen; es will binnen kurzer Frist wissen, ob auf 1. Jan. 1868 der Z.V.3 auf neuer Basis wieder hergestellt oder aber definitiv aufgelöst ist.
Was nun die Modalität anbelangt, die Preussen für die neue Verfassung des Vereins in Aussicht nimmt, so ist es nach Hrn. v. Ph.’s höchstvertraulicher M\ttheilung einfach diese: die süddeutschen Staaten hätten dem Bundesrathe & eben so dem Reichstage des Norddeutschen Bundes für diejenigen Fragen, welche das Zollwesen beschlagen, eine, ihrer Bevölkerung entsprechende Zahl von Vertretern ad hoc hinzuzufügen; sie hätten also eine Anzahl von Zoll-Bundesräthen u. von Zoll-Parlamentariern zu ernennen, die weiter nichts zu thun hätten, als alle Jahre, wenn bezügliche Geschäfte in den bezügl. Körperschaften des Norddeutschen Bundes zur Verhandlung kämen, nach Berlin zu gehen u. sich an denselben zu betheiligen. Ein besonderes – neben dem Norddeutschen Reichstage bestehendes – Zollparlament wird Preussen nicht zugeben; die Süddeutschen werden sich also gefallen lassen müssen, als Appendix im norddeutschen BR. u. Parlament zu erscheinen, oder aber auf den Zollverein zu verzichten. Ich glaube, dass diese Modalität noch grosse Schwierigkeiten hervorrufen wird, wahrscheinlich auch bei Württemberg, das sonst in neuester Zeit sich ziemlich entgegenkommend gezeigt hat. Ob neben den Zollangelegenheiten auch noch andere Dinge bei den Conferenzen zur Sprache kommen werden, ob der Versuch gemacht wird, gewissermassen einen weiteren Bund zu gründen, der für gewisse Materien ein staatliches Ganzes aus Nord- u. Süddeutschland herstellte, vermag ich nicht zu beurtheilen; wahrscheinlich wird man, um der grossen Schwierigkeiten willen für einmal bei den Zollsachen stehen bleiben u. es der Zeit überlassen, an diese nächste Basis weiter für andere Materien anzuknüpfen. Bemühend ist die Wahrnehmung, wie unter den Süddeutschen selbst jede Übereinstimmung der Ansichten mangelt, ja wie misstrauisch & feindselig sie sich gegenüberstehen. Baden & Hessen träten wohl am liebsten nude crude dem norddeutschen Bunde bei: sie haben Glauben & Vertrauen auf eine selbständige, staatliche Existenz verloren u. dafür ernten sie nun geradezu die Verachtung der grössern Schikksalsgenossen; der Württemberg. Gesandte sagte mir dieser Tage: mit den Badensern könne doch ein honeter Mensch nicht mehr gehen; die liegen ja permanent auf den Knien u. flehen Preussen an: um Himmels willen, so friss uns doch! Baiern steift sich auf seine 5 Millionen Seelen & will möglichst wenig Concessionen machen; der Fürst Hohenlohe – übrigens ein nicht sehr bedeutender & in den Geschäften wenig bewanderter Mann – habe eine äusserst schwere Stellung, den Ultramontanen & einer mächtigen Hofparthei gegenüber, & darf also wahrscheinlich kaum wagen, Dasjenige durchzuführen, was er vielleicht im Innern wünschen mag. Württemberg hält eine Mitte zwischen seinen Nachbarn, von der mir nur scheinen will, sie sei zu wenig von klaren u. bestimmt ausgeprägten politischen Gedanken getragen. Diesen schwankenden u. widerspruchsvollen Dispositionen Süddeutschlands gegenüber scheint Preussen eine sehr reservirte & abwartende Stellung einzunehmen; Bismarck hat letzter Tage zu einem süddeutschen Diplomaten gesagt: wenn ein deutscher Staat komme und sich dem Nordbunde zugesellen wolle, so dürfe man natürlich nicht wohl Nein sagen; aber zur Zeit wünschetr nicht, dass es geschehe. Ich begreife diese Sprache; denn im Nordbunde selber ist es für einmal noch eine sehr schwere Aufgabe, die Dinge zu festem Halt zu bringen & einen innern Kitt von nachhaltiger Kraft herzustellen. Gf. Bismarck zeigt überhaupt, wie mir scheint, in seinem Wesen die Vereinigung zweier Eigenschaften, die sonst selten bei einander sind: grosse Kühnheit in der Conception und ausserordentliche Vorsicht bei der Durchführung seiner Ideen. Es interessirte mich, gestern von Philippsborn zu hören, dass Bismarck ein leidenschaftlicher Verehrer Shakespeares sei: seine Mussestunden gehören fast ausschliesslich der Lectüre dieses Dichters; Anderes lese er äusserst wenig.
Sehr unangenehm berührte mich ein Telegramm v. Bern, 22. May, das sich in No. 143 der Allg. Ztg. fand u. worin gesagt war, der König hätte mir bei der Audienz v. 18. May, die «bestimmte Zusicherung» ertheilt, man werde die Neutralität der Schweiz respectiren. Man musste natürlich hier glauben, ich hätte das nach Bern geschrieben, & um nicht Zweifel an meiner Wahrhaftigkeit hier aufkommen zu lassen, schikkte ich eine kurze berichtigende Notiz an die Redaction ein, die – zu meinem Befremden – in der gestern hier ankommenden Nummer noch nicht stand; wahrscheinlich erscheint sie nun in der Montags-Nummer. Ich hoffe, Sie werden diese Reklamation – die ich mir selber schuldig zu sein glaubte – nicht missbilligen. Ich bemerke übrigens, dass ich in meinen Briefen mich immer so offen über Alles, was ich höre & erfahre, ausspreche, weil ich das Vertrauen hege, dass ich lediglich an den Bundesrath schreibe & dass also von meinen Mittheilungen nur ein ganz discreter Gebrauch gemacht werde5. Könnte ich nicht mit voller Sicherheit darauf zählen, so versteht es sich von selbst, dass ich mir eine Zurükkhaltung auferlegen müsste, die – wie ich glaube – dem öffentlichen Dienste nicht förderlich wäre.
f-J6
- 1
- Rapport politique: E 2300 Berlin 1.↩
- 2
- Non reproduites. Cf. E 1001 (E) q 1/75.↩
- 3
- Cf. no 94.↩
- 4
- Zollverein.↩
- 5
- Note en marge de C. Fornerod: «Approuver la rectification qu’il a faite dans la Gazette d’Augsbourg et le prier de vouloir bien, à l’avenir, réserver à des lettres confidentielles distinctes de la dépêche officielle proprement dite, toutes les communications qu’il estimera ne pas devoir devenir publiques, afin que dans chaque cas particulier il puisse être pourvu au nécessaire.» Approuvée par le PVCF du 3 juin 1867. Cf. E 1004 1/69, 2527.↩
- 6
- La dernière partie du rapport concerne une affaire de passeports.↩
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