dodis.ch/41609 Le Conseil fédéral au Ministre de Suisse à Florence, G. B. Pioda, et au Chargé d’Affaires de Suisse à Vienne, J. J. von Tschudi1
Die politische Lage Europas hat sich in der jüngsten Zeit so gestaltet, dass der Friede leider neuerdings ernstlich in Frage gestellt zu sein scheint und dass man jedenfalls mit Besorgnis der Zukunft entgegenbliken kann.
Eine Unterbrechung der ruhigen Völkerentwiklung, die nach den Kriegsdrangsalen j enseits und diesseits des Ozeans einen neuen Anlauf zu nehmen im Begriffe war, muss in Folge des Anstandes, der wegen der Luxemburgerfrage zunächst zu Tage getreten ist, abermals besorgt werden und diese Thatsache erheischt gebieterisch die Aufmerksamkeit aller Regierungen, zumal derjenigen, welche aus der Nachbarschaft mit den zwistigen Parteien ein spezielles Interesse an der Verwiklung abzuleiten in der Lage sind. Allerdings hat der Konflikt die Bahn der Unterhandlungen noch nicht verlassen und sprechen die Betheiligten die Hoffnung aus, dass die Differenz noch in Minne werde ausgetragen werden können; nichts desto weniger aber ist es ein Gebot der Klugheit, auch die andere Möglichkeit ins Auge zu fassen und sich die Stellung klar zu machen, welche man für den Fall einzunehmen gedenkt, dass die Unterhandlungen nicht zum Ziele führen und die Entscheidung den Waffen übergeben werden sollte. Die Haltung, welche die Schweiz bei dieser zweiten Voraussezung zu beobachten hat, ist ihr durch ihre Geschichte, ihre politische Stellung im europäischen Konzerte, sowie durch ihre jüngste Vergangenheit in unverkennbarer Weise vorgezeichnet. Getreu dem Grundsaze: sich nicht in die Angelegenheiten Anderer einzudrängen, wie keine Einmischung in die ihrigen anzuerkennen, wird die Schweiz auch bei den Ereignissen, die gegenwärtig am politischen Horizonte drohen, eine ebenso loyale und unzweideutige als entschiedene und feste Neutralität zur Geltung bringen, entschlossen diese Unabhängigkeit unter allen Umständen und mit dem Aufgebote aller Mittel sich zu sichern.
Wir haben keinen Grund, bezüglich dieser Anschauungen und Absichten irgend Jemanden in Zweifel zu lassen, wesshalb wir Sie ermächtigen und beauftragen, dieselben bei jeder schiklichen Gelegenheit ebenfalls mit aller Bestimmtheit zu vertreten, damit man wisse, wessen man sich von der Eidgenossenschaft zu versehen hat. Dabei wolle man gerne der Hoffnung Raum geben, dass die Regierung, bei welcher Sie beglaubigt sind, nicht anstehen werde, diesen unsern Standpunkt als einen wohlberechtigten zu würdigen, wie diess, wir zweifeln nicht daran, von anderer und zunächst betheiligter Seite nicht minder der Fall sein wird.