dodis.ch/41596 Le Chargé d Affaires de Suisse à
Vienne, J. J. von
Tschudi, au Président de la Confédération,
C. Fornerod1
In meinem Berichte vom 19. Dezember v.J.2 an Herrn Bundespräsident Knüsel hatte ich die Ehre, eine Unterredung zu erwähnen, die ich an jenem Tage mit S. Ex. dem Hr. Handelsminister Freiherr von Wüllerstorff hatte und hervorzuheben, dass ich eine vorläufige Anfrage an denselben bezüglich eines Handelsvertrages zwischen der Schweiz und Österreich richtete, sowie, dass der Minister sich zum Abschlüsse eines solchen durchaus geneigt zeigte.
Ich erlaube mir nun die Anfrage, ob der hohe Bundesrath der Ansicht ist, dass ich meiner nicht officiellen vorläufigen Sondirung eine bestimmtere officielle Form directe beim Hr. Handelsminister geben solle und ob der hohe Bundesrath irgend einen Termin bestimme, bis zu dem er wünsche, dass Verhandlungen über diesen Gegenstand beginnen sollen? Gestern sagte mir der Leiter der hiesigen italienischen Gesandtschaft Graf Rati Opizzoni, dass er vom Hr. Handelsminister die bestimmte Zusage habe, dass der italienisch-österreichische Handelsvertrag noch im Laufe dieses Monates in Angriff genommen werde.
Da nach Abschluss dieses Vertrags die Gränzländer der Schweiz (da, wie es scheint, der preussisch-österreichsische Handelsvertrag auch für die süddeutsche Staatengruppe massgebend sein wird) ihre Handelsbeziehungen zu dem Kaiserreiche geregelt haben werden, so wäre dann nach meiner unmassgeblichen Ansicht der richtige Zeitpunkt auch für die Schweiz eingetretten, den Abschluss eines Handelsvertrages mit Österreich abzuschliessen.
Sämmtliche Wienerzeitungen haben heute ein kaiserliches Manifest vom gestrigen Datum gebracht, welches 1. sämmtliche cisleithanische Landtage auflöst; 2. Neuwahlen für diese Landtage anordnet; 3. die neugewählten Landtage auf den 11. Februar einberuft; 4. befiehlt, dass die Wahl für einen ausserordentlichen Reichsrath der einzige Gegenstand der Wirksamkeit der Landtage sei; 5. den ausserordentlichen Reichsrath auf den 25. Februar nach Wien einberuft; 6. bestimmt, dass die Berathung der Verfassungsfrage den alleinigen Gegenstand der Thätigkeit des ausserodentlichen Reichsrathes bilde.