Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 2, doc. 58
volume linkBern 1985
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#1229* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 517 | |
Dossier title | Wien, Politische Berichte und Briefe, Militär- und Konsularberichte, Band 18 (1866–1868) |
dodis.ch/41591
Gestern Mittags um 2 Uhr wurden auf dem Ministerium des Äussern die Ratificationen des österreichisch.-französischen Handelsvertrages gewechselt. Die kleine Rede, die Baron Beust vor einigen Tagen bei Unterzeichnung dieses Vertrages hielt, ist vielfach entstellt in die Tagespresse übergegangen und hat nicht ermangelt, in der entstellten Form allgemein bedeutendes Aufsehen zu machen. Wie ich jedoch mit Bestimmtheit weiss, hat Baron Beust allerdings seiner Ansprache eine vielleicht nicht ganz passende erheiternde Wendung gegeben, aber besonders jener Passus über die Friedensverträge, die auf ewige Zeiten abgeschlossen werden, während schon bei der Unterzeichnung daran gedacht werde, sie nicht zu halten, ist total erfunden.
Es circuliren, besonders in den ausländischen Blättern, vielfache Gerüchte von einer bevorstehenden Entlassung des Ministers von Beust. Es sind dieselben bis jezt wenigstens durchaus als müssige Erfindungen zu bezeichnen. So wenig die bisherige Politik des k.k. Ministers des Äussern die Nation befriedigt, um so angenehmer ist sie in den höchsten Regierungskreisen.
Die Rinderpest grassirt noch immer in Niederösterreich, Mähren und Ungarn; nach dem letzten Ausweise herrschte sie in lezterem Kronlande noch in 32 Ortschaften, in denen 286 Stük seuchekrankes Rindvieh nachgewiesen wurden.
In wenigen Tagen wird der neue Fahrposttarif ins Leben tretten; er ist bei grösseren Sendungen durchschnittlich um 1/4 des bisherigen ermässigt; bei Kleineren sind die Tarife niedriger als im Zollverein.
Gestern sind die beiden Ministerialdirektoren Delbrück u. von Philippsborn hier angekommen, um mit dem hiesigen Handelsminister eine Revision des unterm 11. April 1866 zwischen Österreich und Preussen abgeschlossenen Handelsvertrages vorzunehmen. Preussen bestrebt sich, dem norddeutschen Parlamente abgeschlossene Stipulationen vorlegen zu können, u. wünscht auch, womöglich die süddeutsche Staatengruppe, namentlich durch einen Vertretter Baierns, zu den Verhandlungen beizuziehen. Ob Baiern darauf eintretten wird, ist noch ungewiss. Der baierische Gesandte Graf Braida [sic] sagte mir, er erwarte morgen Nachrichten, ob die Regierung sich durch einen Vertretter betheiligen werde, glaube es auch, da Baiern auch schon den früheren Verhandlungen Theil genommen habe. Der Handelsminister Baron Wüllersdorff, mit dem ich heute Abend eine längere Unterredung hatte, sagte mir hingegen, dass er morgen mit den preussischen Abgeordneten die Arbeit beginnen und täglich 4–5 Stunden lang fortsetzen werde; in 14 Tagen müsse der Vertrag vorliegen, Baiern könne sich dann einerseits mit Preussen, anderseits mit Österreich verständigen. Nach dem Abschlüsse des Handelsvertrages mit Preussen werde er den mit Italien vornehmen.
Auf meine Frage wegen eines allfälligen Handelsvertrages mit der Schweiz erwiederte er mir, er habe einen solchen ohnehin schon ins Auge gefasst und sei nach Abschluss des italienischen Vertrages bereit, mit der Schweiz in Unterhandlungen zu tretten; er meinte, der Vertrag könne sehr einfach und kurz sein, da Österreich der Schweiz die niedrigsten Zollansätze der am meisten begünstigten Nationen bewilligen werde.
In Bezug auf den vom Tirolerlandtage einstimmig angenommenen Vorschlag des Baues einer Eisenbahn von Insbruck durch das Vorarlberg an den Bodensee, bemerkte der Hr. Minister Wüllersdorff, dass er bei dem Baue der Eisenbahn sehr auf die Mitwirkung der Schweiz rechne; denn durch den Bau dieser Bahn werde der Schweiz einerseits das ununterbrochene Schienennez nach dem Banate, der Kornkammer Österreichs, anderseits die kürzere Verbindung mit Triest eröffnet. Im nächsten Jahr werde sowohl mit dem Baue der Streke Gross-Kaniza-Fünfkirchen, als mit dem der Streke Villach-Brixen begonnen, so dass, wenn die Vorarlberger Bahn gebaut sei, die kürzesten Schienenstränge von der Schweiz nach dem Banate und nach Triest schon vollendet seien. Er fügte bei, dass er dann gern gestatten würde, dass die schweizer. Kaufleute ein Dok oder eine Factorei in Triest errichten.
Bezüglich der Gürtelbahn sagte mir der H. Minister, er habe heute einen Brief an die Concessionäre unterzeichnet, worin er sie zur bestimmten Erklärung auffordere, wann sie mit dem Baue beginnen werden; er sei schon seit dem Monate März ohne Äusserung von ihnen.
Ich sprach auch mit dem Herrn Minister über die Rheincorrection. Er theilte mir mit, dass bestimmt war, dass von Januar 1867 an die Flusscorrectionen und drgl. in das Ressort des Handelsministeriums übergehen sollten, da aber die Handelsverträge jezt noch die geringen Arbeitskräfte dieses Ministeriums fast gänzlich absorbiren, so sei diese Übertragung noch für einige Monate sistirt worden. Er selbst sei von der Wichtigkeit des Unternehmens vollständig durchdrungen und glaube, es werden sich Mittel und Wege finden lassen, um es auszuführen.
Ich würde es für ein grosses Glük erachten, wenn die ganze Frage dem Staatsministerium entzogen würde, da es dieselbe bis jezt immer nur sehr lau betrieben hat; Freiherr v. Wüllersdorff ist dagegen ein aufgeklärter, energischer Mann, der sich mit wichtigen Fragen persönlich und eingehend beschäftigt und sie nicht, wie das beim Staatsminister der Fall ist, verknöcherten Bureaucraten zum Ausarbeiten und Referiren übergiebt. Ich hoffe indessen doch, dass binnen kurzer Zeit ein entscheidender Schritt in dieser Angelegenheit gethan wird.
- 1
- Rapport politique: E 2300 Vienne 18.↩